„School Spirits“: Die Kritik zur ersten Staffel

Geister in der Schule liefern angenehmes Drama, weniger Horror

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 25.07.2023, 19:00 Uhr

Szenenbild aus „School Spirits“: Maddie Nears (Peyton List) wird vermisst. – Bild: Paramount+/YouTube-Screenshot
Szenenbild aus „School Spirits“: Maddie Nears (Peyton List) wird vermisst.

Manchem erscheint es, als würde die Schulzeit nie enden wollen. Für die Hauptfiguren in „School Spirits“ gilt das tatsächlich: Sie sind die Geister zumeist von Schülern, die ihr Leben auf dem Schulgelände verloren haben und nun ihre Existenz hier verbringen müssen, teils über Jahrzehnte. Bewegung in diese Gemeinschaft kommt durch Neuzugang Maddie – die ihren eigenen Mord aufklären will.

So entspinnt sich eine Teen-Mystery-Serie, die sich Zeit für das Drama um die jung aus dem Leben gerissenen Figuren nimmt. Wie bei anderen Vertretern des Genres darf es in den acht Folgen nicht an Irrungen und Wendungen fehlen. Trotzdem hebt sich „School Spirit“ wohltuend von anderen Genreeinträgen ab, da hier eben nicht Mode und Lifestyle versuchen, sich in den Vordergrund zu drängen, wie etwa bei den „Pretty Little Liars“.

Darum geht es in „School Spirit“

Offiziell gilt Maddie Nears (Peyton List, „Cobra Kai“), eine Schülerin des Abschlussjahrgangs der Split River High, als vermisst. Doch die Tatsache, dass niemand sie sehen kann oder auf sie reagiert sowie Maddies Gedächtnisverlust und Blutspuren im Heizungskeller der Schule bedeuten für sie: Sie ist tot. Eines gewaltsamen Todes gestorben.

Wie genau entzieht sich Maddies Wissen: Ihr fehlen wichtige Erinnerungen an ihre letzten Tage. Maddie ist in der Schule auf diverse andere Geister getroffen – die hatten ihr Leben teils schon vor Jahrzehnten auf dem Gelände verloren und werden nun vom ebenfalls verstorbenen Lehrer Mr. Martin (Josh Zuckerman) in einer täglichen Selbsthilfegruppe begleitet: Mr. Martin hat die These, dass das Geisteswohl leidet, wenn ein Verstorbener nur in Gedanken an die Vergangenheit existiert. Deswegen unterstützt er, dass die Toten sich einen neuen Alltag mit Abwechslungen aufbauen sollen – nur so hätten sie eine Chance, doch noch die letzten Reste ihrer irdischen Existenz abzuschütteln und ins Jenseits überzutreten – wie auch immer das aussehen mag. Da Maddie allerdings ihren Mord aufklären will, sträubt sie sich gegen Mr. Martins Anleitung und Ratschläge. In den ersten Tagen nach ihrem Tod will sie zudem ihren Freunden nahe sein und ringt verzweifelt darum, mit ihnen in Kontakt zu kommen.

„Mangels Leiche“ gibt es auch in der Welt der Lebenden, die Maddie nun passiv beobachten muss, keine Informationen über ihr Ableben. Dort schwanken die Spekulationen über Maddies Schicksal: Ist sie weggelaufen, oder wird man ihre Leiche finden?

Erstmal eine Stuhlkreis bilden: Maddie (Peyton List, 3. v. l.) in der Selbsthilfegruppe von Mr. Martin (Josh Zuckerman) Paramount+

Maddie

Maddie war eine Außenseiterin mit einem schwierigen Leben. Ihre verwitwete, alleinerziehende Mutter gleitet immer wieder in Alkoholismus ab und ist für Maddie ein großer Stressfaktor. Mit ihrem besten Freund Simon (Kristian Flores) träumt sie davon, nach dem Schulabschluss gemeinsam wegzugehen, auf unterschiedliche Colleges in der selben Großstadt – nur weg von hier. Dritte im Bunde ist Nicola (Kiara Pichardo), die erst später in die Stadt gekommen war und sich bei Maddie und Simon häufig als drittes Rad fühlt. Trotzdem will auch sie später in derselben Stadt studieren.

Daneben gibt es noch Maddies „aktuellen“ festen Freund Xavier (Spencer MacPherson), ein Bad Boy, der sich schnell verdächtig macht, da er im Besitz von Maddies Handy ist. Unter den lebenden Jugendlichen ist noch die ehrgeizige Mitschülerin Claire (Rainbow Wedell) zu erwähnen: vor Ewigkeiten waren sie und Maddie Nachbarinnen und befreundet, seit Jahren haben sie nicht mehr direkt miteinander gesprochen.

Neben Maddies Mutter Sandra (Maria Dizzia) gibt es bei den Erwachsenen noch den Lehrer Mr. Anderson (Patrick Gilmore; „Travelers – Die Reisenden“, „You Me Her“), der zu den Schülern ein vertrauensvolles Verhältnis hat – mit Maddie teilte er ein Geheimnis. Ian Tracey porträtiert Xaviers schroffen, alleinerziehenden Vater – der als Sheriff einerseits seine schützende Hand über den Sohn zu halten versucht aber andererseits auch auf seinen Ruf zu achten hat, denn demnächst steht die nächste Sheriffs-Wahl an: Ihm wäre es gelegen, wenn der Fall um Maddie versandet, man nie eine Leiche findet und man erklären kann, die Schülerin müsse von Zuhause weggelaufen sein.

Eigenwillige Konfrontation: Maddies Mutter Sandra (Maria Dizzia, l.) besucht mit Simon (Kristian Ventura) den Klassenraum ihrer verstorbenen Tochter Maddie (Peyton List, M.). Paramount+

Die Gefährten im Leben nach dem Tod

Im Laufe der Jahrzehnte haben sich diverse Geister in den Hallen der Split River High angesammelt. Viele davon sind in der Tat in der Vergangenheit gefangen. Etwa die Mitglieder der Marching-Band, die auf dem Rückweg von einem Wettbewerb bei einem Busunfall ums Leben kamen und nun weiterhin zu siebt unablässig – geradezu manisch – proben.

Unter den Geistern schließt Maddie schnell mit Charley (Nick Pugliese) Freundschaft. Der war in den Neunzigern gerade dabei, seine Identität als junger Schwuler in der Kleinstadt zu entdecken, als er an einem anaphylaktischen Schock starb. Der sanftmütige Geist bietet sich nun Maddie als „Tour-Guide“ im Leben nach dem Tode an. Mit-Geist Wally (Milo Manheim) war ein Sport-Ass – bis sein Leben in den Neunzigern bei einem wichtigen Football-Spiel mit einem gebrochenen Genick endete. Derweil wurde Rhonda (Sarah Yarkin) in den Sechzigern von einem Lehrer ermordet, mit dem sie ein Verhältnis hatte.

Metaphysischer Sonderweg

Natürlich wäre es für die Zuschauer ermüdend, wenn Lebende und Tote in der Serie dauerhaft aneinander vorbeilaufen würden. So gelingt es Maddie schließlich, mit ihrem Freund Simon unter bestimmten Bedingungen in Kontakt zu treten und Informationen auszutauschen.

Die Lebenden und die Toten: Maddie (M.) umgeben von den Geistern (v. l.: Rhonda, Wally und Charley) und den Lebenden (v. r.: Claire, Xavier, Nicole und Simon) Paramount+

Während die Geister das Schulgelände nicht verlassen können – sie werden beim Übertreten der Grundstücksgrenze an den jeweiligen Ort ihres Todes zurückgesogen – gesteht ihnen die Serie immerhin einen kleinen Teil (Un-)Lebensfreude zu: Die Geister können weltliche Dinge zwar nicht dauerhaft verändern, aber doch mit ihnen interagieren. Also etwa etwas aufheben und benutzen – aber ohne, dass dadurch die Realität der Lebenden verändert wird. Erzählerische Bedürfnisse erhalten hier also Vorrang vor der inneren Logik – was nicht jedem Horror-Fan gefallen dürfte.

Mehr Drama als Horror

Wie es sich für eine Serie um Geister fast schon als Klischee gehört, sind Maddie, Simon und Nicola ausgemachte Horror-Fans – vor Maddies Verschwinden war der gemeinsame Besuch einer Convention geplant.

Obschon die Serie als Mystery-Format mit bedrohlichen Szenen und Spannungen spielt, steht hier doch deutlich eher das Drama im Zentrum: Bei ihrer Suche nach Hintergründen ihres Verschwindens blickt sie einerseits immer wieder hinter die Fassade ihrer bisherigen Umgebungen und findet dort Ängste und Hoffnungen (nicht zuletzt Hoffnungen auf ihre eigene Rückkehr). Andererseits interagiert sie mit den Geistern, die als Kinder ihrer Zeit gelebt haben und die damaligen Wertvorstellungen und Probleme des Erwachsenwerdens seit Jahrzehnten mit sich tragen.

Letztendlich ist es diese Ebene der Erzählung, die die Serie für alle Altersklassen sehenswert macht. Denn Themen wie der Umgang mit den Erwartungen der eigenen Eltern an einen selbst oder der eigene Umgang mit den Fehlbarkeiten der Eltern, der Umgang mit gesellschaftlichem Druck zu bestimmten Verhaltensweisen und Verlustängste bleiben das ganze Leben lang aktuell.

Staffel zwei schon unterwegs

Bei Mystery-Serien immer eine wichtige Frage: Gibt es eine Auflösung – oder lässt sich der Zuschauer auf ein Rätsel ein, dessen Lösung er wegen einer Serienabsetzung nie erfahren wird? „School Spirits“ ist in den USA bereits schon für eine zweite Staffel verlängert worden. Nichtsdestotrotz liefert das Staffelfinale die Informationen, auf die die Auftaktstaffel hingearbeitet hat: Was an Maddies letztem Tag in der Welt der Lebenden passiert ist – diese Infos bilden einen vielversprechenden Ausgangspunkt für die zweite Staffel.

Fazit

„School Spirits“ ist wie gesagt eher ein Coming-of-Age-Drama – durch die Augen der sehr mitfühlende Maddie blicken die Zuschauer auf die Leben knapp eines Dutzend Menschen mit ihren Sorgen, Nöten, Hoffnungen, Ängsten und Sachzwängen. Dabei erfindet es das Rad nicht neu, nutzt aber die Besonderheiten der Geister für eine erweiterte Perspektive: Auf der einen Seite hängen die einzelnen Geister eben seit Jahrzehnten ihren alten Erfahrungen nach, die sie geprägt hatten und die sie wegen ihres Todes und dem „Gefangensein“ auf dem Schulgelände nie verarbeiten konnten; andererseits tauchen Zeitgenossen einzelner Geister auch im Umfeld der Schule auf. Rein optisch bemüht sich die Serie zwar bisweilen, Horror-Feeling aufkommen zu lassen, letztendlich fehlt ihr aber das Budget, um über den Stand handwerklich solide hinauszukommen. „School Spirits“ ist kein Must See, aber sehenswert.

Dieser Text basiert auf der kompletten, achtteiligen Auftaktstaffel von „School Spirits“.

Meine Wertung: 4/​5

Die Auftaktstaffel zur Serie „School Spirits“ wird weltweit bei Paramount+ veröffentlicht, die Deutschlandpremiere war am 21. Juli. Nach der US-Premiere wurde bereits eine zweite Staffel beauftragt.

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1961) am

    Kleiner Hinweis. Euer Verweis zu Peyton List. Der "Link" führt zur falschen Peyton (aus z.B. Frequency, Picard). Müsste zu Peyton Roi List (z.B. Jessie, Cobra Kai) führen.
    • am

      Bleibt zwar definitiv auf meiner Liste an Serien die ich mir demnächst komplett anschauen werde. Aber die Fokussierung auf den eher ..... menschlich-charakterlichen Aspekt in Episode1 haben mich leider schon eher ..... etwas ernüchtert. Hatte auf mehr übernatürliche Elemente gehofft. Für die, die soetwas mögen, is das bestimmt ne tolle Sache und wiegesagt, will und werde ich das ja auch noch komplett schauen. Vermisse aber doch irgendwie die ..... außergewöhnlicheren Weltenentwürfe, die das persönliche Drama eher zweitrangig behandeln.

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