„One Piece“ ab jetzt auf Netflix: Gelungener Hit mit einer Schwäche – Review

Neue Serie verspricht Fantasyspaß

Rezension von R.L. Bonin – 31.08.2023, 18:21 Uhr

„One Piece“: Die Strohhut-Piraten sind bei Netflix in See gestochen – Bild: Netflix
„One Piece“: Die Strohhut-Piraten sind bei Netflix in See gestochen

Leinen los! Ab dem 31. August sind die acht Folgen der neuen Piratenserie „One Piece“ um Monkey D. Ruffys Strohhut-Bande auf Netflix zu sehen. Es handelt sich um eine Realverfilmung der beliebten, international erfolgreichen Mangaserie aus der Feder des japanischen Künstlers Eiichirō Oda. Feiert das Piratengenre dank den jungen, selbstbewussten Schatzsuchern ein Comeback?

Wer ein Piratenabenteuer angehaucht von Karibikflüchen und Kolonialzeit erwartet, wird vor Überraschung vom Stuhl – oder der Couch – fallen. Und zwar im positiven Sinne. „One Piece“ sprengt den bekannten Rahmen alteingesessener Piratenklischees und hinterlässt ein buntes Konfetti von Jugendlichkeit, Fantasy und Abenteuer. Trotz Schneckentelefonen, Haaren in allen Farben des Regenbogens oder skurrilen Zebrahosen rutscht es in den ersten zwei Folgen keine Sekunde ins Alberne hinein. Wie gelingt das der lang und heiß erwarteten Realverfilmung einer weltweit beliebten Mangaserie?

Seit über 25 Jahren begeistern die Abenteuer von Ruffy und seiner Strohhut-Bande Fans auf der ganzen Welt. Über 500 Millionen verkaufte Exemplare und über 1000 ausgestrahlte Folgen der Anime-Verfilmung sprechen für sich. Doch wofür steht eigentlich „One Piece“? Das Intro aus dem Serienpiloten klärt auf: Es handelt sich um den berüchtigten Schatz, den der ehemalige Piratenkönig Gol D. Roger an einem Stück in der gefährlichsten Region der Meere, die Grand Line, versteckt haben soll. Seit seiner Hinrichtung jagen Piraten aus aller Welt seinem Vermächtnis hinterher. Dazu gehört seit Kurzem auch Monkey D. Ruffy – ein junger Nachwuchspirat, der es sich zum Ziel gesetzt hat, der neue Piratenkönig zu werden. Auf seiner Suche begleitet ihn seine Crew, die „Strohhut-Bande“, benannt nach seinem Markenzeichen. Deutschsprachige Fans der Anime-Serie werden sich freuen: Die Stimmen ihrer Lieblingsfiguren sind auch in der Synchronfassung des Live-Action-Abenteuers zu hören.

In die Rolle des Helden Monkey D. Ruffy schlüpft der mexikanische Schauspieler Iñaki Godoy („Wer hat Sara ermordet?“, „The Imperfects“). Stets mit einem Lächeln auf den Lippen präsentiert er sich als ewiger Optimist, der auch in den aussichtslosesten Situationen lieber Sprüche klopft als ins Schwitzen gerät. Zum Beispiel bei seinem ersten Auftritt im sinkenden Dingi (wieso kommt das einem nur so bekannt vor …). Sein großes Ziel: den One Piece-Schatz finden und Piratenkönig werden.

Netflix

Doch wie einer anderen, berühmten Piratenfigur (hm, wer könnte bloß damit gemeint sein?) fehlt ihm dafür eins – eine Crew! Ziemlich schnell stößt er ziemlich zufällig auf zwei passende Kandidaten: die clevere Diebin Nami (Emily Rudd) sowie den berüchtigten Piratenjäger und Schwertkämpfer Lorenor Zorro (Mackenyu). Obwohl die beiden Einzelgänger so gar keine Lust haben, eine Bande zu formen, geschweige denn sich „Piraten“ zu nennen, halten sie ganz nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zusammen. Tatsächlich verbindet die Drei jedoch mehr, als der erste Blick erahnen lässt: Sie stehen alle für das Gute – wenn auch auf ihre eigene Art und Weise.

Doch ihre Stärke ist gleichzeitig auch ihre größte Schwäche. Die jungen Abenteurer wirken wie Helden aus dem Bilderbuch – tapfer, furchtlos, clever und selbstlos, fast „zu“ perfekt. Es fehlen Ecken und Kanten, Fehler, die sie menschlich(er) machen, ihnen Tiefe verleihen und durch diese man mit ihnen mitfühlen kann. Die ersten zwei Folgen sind vollgepackt mit hervorragend gefilmten Kampfsequenzen und rasanten Actionszenen. Beim Zusehen werden jedoch höchstens die Mundwinkel statt Nerven gekitzelt, denn ein richtiges Gefühl der „Gefahr“ bleibt aus. Das liegt vor allem an Ruffy, der kein gewöhnlicher Held ist: Dank seines elastischen Körpers ist er leicht mit dem Superhelden Mister Fantastic zu verwechseln. So kann er sich wortwörtlich aus (fast) jeder Affäre ziehen.

Iñaki Godoy als Monkey D. Ruffy in „One Piece“. Netflix

Leider entsteht damit schnell der Eindruck, dass Ruffy unbesiegbar ist – und dafür, dass seine Geschichte als junger Pirat gerade erst losgehen soll, wirkt seine Figur übermächtig. Wie Zorro es selbst in Folge zwei betont, färbt Ruffys strotzendes Selbstbewusstsein schnell ab – ihrer aller Selbstüberschätzung grenzt an Arroganz. Allerdings eröffnet dies interessante Möglichkeiten für künftige Wendungen, deren Eintritt es abzuwarten gilt.

Trotz der eindimensionalen Charaktere wird man dank pfiffiger Wortwechsel und origineller Fantasyelemente vom Rausch der Schatzsuche mitgerissen – das innere Kind lässt grüßen. Nahezu verspielt zeigen sich Setting, Weltenbau, Soundtrack und Kostüme – sei es durch die doch etwas kindlichen Outfits der Marine-Soldaten, dem Joker-ähnlichen Auftritt des gesuchten Piratenkapitäns, Buggy der Clown, oder die künstlerisch ausgefallen Schiffe. Sämtliche Extreme werden zusammengewürfelt und neu miteinander kombiniert. So tritt „One Piece“ weniger als klar definierte Abenteuerserie auf, sondern traut sich stattdessen Genregrenzen zu überschreiten und einen gelungenen Mix aus Piraten, Fantasy, Horror und Mystery zu liefern.

Emily Rudd als Nami in „One Piece“ Netflix

Dadurch wirkt diese bunte, quirlige Welt, in der alles möglich zu sein scheint, modern und zeitgemäß. Paradebeispiel ist hier der Charakter Koby (Morgan Davies), der mit seinen rosa Haaren und der markanten lila Brille davon träumt, Marinesoldat zu werden. Eigentlich sollte es nicht möglich sein, moderne Weltoffenheit mit kolonialähnlicher Jagd nach Piraten zu paaren – aber „One Piece“ beweist das Gegenteil. Und bringt damit frischen Wind in die angestaubten Segel des Piratengenres, das seit den ersten drei „Fluch der Karibik“-Teilen nie wirklich wieder Fahrt aufgenommen hat.

Wer bereit ist, zu neuen Ufern aufzubrechen und eine Gruppe übermütiger, außergewöhnlicher Abenteurer zu begleiten, wird bei der neusten Netflix-Serie gut aufgehoben sein. Die Folgen sind trotz ihrer etwa sechzigminütigen Laufzeit kurzweilig, was den „Suchtfaktor“ ungemein erhöht. Gerade, weil „One Piece“ den Nerv der Zeit trifft, ist das Potenzial eines Hits besonders groß. Feststeht: Das Zeitalter der Piraten ist endlich wieder da!

Meine Wertung: 4,5/​5

Die japanisch-amerikanische Serie „One Piece“ feierte am 31. August bei Netflix Premiere. Die erste Staffel umfasst acht Folgen und erzählt die Geschichte der „East Blue“-Saga. Entwickelt wurde die Realverfilmung von Showrunner Matt Owens, Produzent Steven Maeda und Marty Adelstein. Sie basiert auf der international erfolgreichen, gleichnamigen Mangaserie.

Über die Autorin

Originalität – das macht für R.L. Bonin eine Serie zu einem unvergesslichen Erlebnis. Schon als Kind entdeckte die Autorin ihre Leidenschaft für das Fernsehen. Über die Jahre eroberten unzählige Serien unterschiedlichster Genres Folge für Folge, Staffel für Staffel ihr Herz. Sie würde keine Sekunde zögern, mit Dr. Dr. Sheldon Cooper über den besten Superhelden im MCU zu diskutieren, an der Seite von Barry Allen um die Welt zu rennen oder in Hawkins Monster zu bekämpfen. Das inspirierte sie wohl auch, beruflich den Weg in Richtung Drehbuch und Text einzuschlagen. Seit 2023 unterstützt sie die Redaktion mit der Erstellung von Serienkritiken. Besonders Wert legt sie auf ausgeklügelte Dialoge, zeitgemäße Diversity und unvorhersehbare Charaktere.

Lieblingsserien: Lost in Space, Supergirl, Moon Knight

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1968) am

    Tja, ist ja schon ganz nett anzuschauen, aber "Mensch" ist halt kein Anime !
    Hätte mehr gedacht das es so etwa wie "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" (1988) umgesetzt wird.
    Die Kampfszenen sind doch sehr kurz und billig verfilmt wurden, das ist für mich das größte ärgernis !
    • am

      Soweit ganz nett nur kann ich nach der ersten 3 Folgen sagen dass Nami leider Bluseninhalttechnisch leider ne Fehlbesetzung ist. Ausserdem typisch prüde amerikanisch viel zu zugeknöpft in Bezug auf das Original. Hätte sich da nicht eine passende junge Schauspielerin vom Format einer Christina  Hendricks finden lassen können? Ich hoffe nur Nico Robin ist nicht genauso flachbrüstig und zugeknöpft. 😂 Ansonsten wirklich ne erstaunliche umsetzung der Zeichentrickfiguren!
      • am

        Habe den Trailer gesehen und bin jetzt etwas unsicher ob das was für jüngere Semester oder auch was für Erwachsene ist. Bin kein Fan von Mangas aber von Piraten wie Black Sails etc., wäre das dann was für mich?
        • am

          Unbedingt gucken! 
          Das Ganze ist grandios. Es ist manchmal etwas wie eine Kinderserie für Erwachsene: manchmal ernst, manchmal traurig, immer charmant und fast immer irgendwie bekloppt.
          Wenn man die Vorlage kennt (was aber absolut kein Muss ist!), weiß man auch: je weiter die Story geht, desto besser wird es. 
          Bitte geben Sie der Serie eine Chance :)
      • (geb. 1976) am

        Das Gute an der Realverfilmung im Vergleich zur Anime-Serie wie auch dem Manga selbst: die elend-endlosen, über ganze Folgen und Bände ausufernden nervenden Kämpfe sind hier nicht und es konzentriert sich auf die Handlung selbst. Die ist zwar nur mäßig originell, aber das Setting, wenn man sich darauf einlässt, ist schon besonders.
        • (geb. 1992) am

          Ich kann mich leider nicht daran gewöhnen, dass alles jetzt in Real-Life zu sehen...


          Die Anime-Serie ist einfach perfekt, so wie sie ist.
          • (geb. 1979) am

            so geht es mir auch ! ich schaue One Piece seit bestimmt 15 Jahren und lese die Mangas noch länger, besonders wenn man sich die aktuellen Chapter anschaut was da noch alles kommt

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