VIVA Forever – ein Sender, der mehr als nur Musikfernsehen war

Ausführlicher Rückblick auf die Geschichte von VIVA

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 30.12.2018, 09:00 Uhr (erstmals veröffentlicht am 22.12.2018)

VIVA Forever - ein Sender, der mehr als nur Musikfernsehen war – Ausführlicher Rückblick auf die Geschichte von VIVA

Karrierebeginn für Stefan Raab – Er wollte eigentlich nur Jingles verkaufen

Stefan Raabs VIVA-Sendungen sind so legendär wie sein Karrierestart an sich. Denn eigentlich wollte der gelernte Metzger nur ein paar Jingles an den Sender veräußern. Raab war Anfang der 1990er bereits als Produzent tätig und komponierte vor allem Werbejingles. Bei VIVA fiel er durch sein Temperament auf, deshalb wurde ihm vorgeschlagen, sich doch beim Casting als Moderator zu bewerben. Wäre Raab diese Chance verwehrt geblieben, hätte es vielleicht nie „TV total“ oder „Schlag den Raab“ gegeben.

Bei VIVA präsentierte Raab von Ende 1993 bis Ende 1998 drei Mal die Woche „Vivasion“ – montags, mittwochs und freitags um 20:00 Uhr -, mittwochs sogar live. Das Format war Raabs kreative Spielwiese, auf der er sich austoben konnte. Zu Beginn jeder Sendung durchbrach er eine Papierwand, um das kleine Studio zu betreten. Anschließend begrüßte er den „Zuschauer der Woche“, der seinen Kopf durch ein Loch in einem Esstisch steckte. Raab „interviewte“ ihn kurz und testete, ob dieser die Textzeile „Im Sommer scheint Sonne, im Winter, da schneit’s, in der …, in der …, in der …“ korrekt vervollständigen konnte.

Danach setzte sich Raab an seinen übervollen Schreibtisch inklusive Jingle-Keyboard, nahm Anrufe entgegen, machte sich über seinen Redaktionsleiter Marcus Wolter (der spätere 9Live-Chef) lustig und las die Fragen hilfesuchender Teenies an das Dr. Sommer-Team aus der aktuellen Ausgabe der BRAVO vor. Daneben gab es absurde Einspielfilme wie „Elvis lebt!“, in denen ein Hase gefilmt wurde, während Raab mit hochgepitchter Stimme versaute Erlebnisse des Rammlers zum Besten gab – stets mit dem Schlusssatz „Und die Moral von der Geschicht? Gibt es nicht!“. In „Die Kakis“ wurden Kakerlaken gefilmt, während mit übertriebenen Lachern Sitcoms parodiert wurden. Unvergessen ist auch ein Musikvideo von Aaron Carter, das mit dem Songtext „Mama, ich muss Pipi!“ unterlegt wurde. Die Zuschauer waren aufgerufen, Selbstgebasteltes einzuschicken, das in der Sendung vorgestellt wurde. Besonders gut gefiel Raab ein Plastik-Kothaufen, um den eine Fliege kreiste.

Schließlich begrüßte Raab in „Vivasion“ auch musikalische Gäste, mit Vorliebe aus dem Schlager- und Volksmusikbereich, die sich auf kleine Kinderstühle setzen mussten. Schon damals bereitete sich Raab nicht wirklich auf seine Gäste vor und ließ sie sein zeitweise vorhandenes Desinteresse auch spüren. Wenn die Gäste Raabs Attitüde jedoch mit Humor nahmen und bereit waren, mit ihm zu musizieren, zollte er ihnen Respekt. 1994 begleitete Raab die Fußball-WM mit seinem ersten Hit „Böörti Böörti Vogts“ und drehte Einspielfilme in den USA. Im Rahmen von „Vivasion“ wurde auch die glorreiche Idee geboren, Guildo Horn als deutschen Vertreter zum „Eurovision Song Contest“ zu schicken. Der Song „Guildo hat euch lieb!“ stammt bekanntlich aus Raabs Feder unter dem Pseudonym Alf Igel.

Nicht minder chaotisch war Raabs zweites VIVA-Format „Ma’ Kuck’n“, das von 1995 bis 1996 einmal monatlich am Samstagabend ausgestrahlt wurde. Die betont trashige Studiodeko bestand aus einem roten Kunstrasen und blauen Badematten an den Wänden. Pro Ausgabe waren mehrere Promis zu Gast, die nicht zwingend etwas mit Musik zu tun haben mussten. Legendär sind die kleinen elektronischen Schaukelpferde, auf denen die Gäste Platz nehmen mussten – Arabella Kiesbauer verlor darauf das Gleichgewicht. Jeder Gast sollte zudem vor der Sendung seinen Lieblingswitz erzählen. Dieser wurde in der Sendung eingespielt, jedoch genau vor der Pointe abgebrochen. Jeder musikalische Act musste live mit der Studioband spielen, der Tanzkapelle RIAS-Boys. Dies führte zu durchaus skurrilen Auftritten von Eurodance- und Techno-Interpreten wie Scooter oder Das Modul, die plötzlich ohne basslastigen Synthie-Sound auskommen mussten und auf handgemachte Musik angewiesen waren.

Bei „Ma’ Kuck’n“ gab es einige Elemente, die sich später in „TV total“ wiederfanden. So drückte Raab auf einen Buzzer, um spontan kurze Videoausschnitte zu zeigen. Darüber hinaus machte er Straßenumfragen und testete in Einspielfilmen „Sportarten für Blöde“, im Stil der späteren „Raab in Gefahr“-Rubrik. Jeder Einspielfilm wurde durch Raabs Ziehen an einem durchsichtigen Toilettenspülkasten eingeleitet. Allgemein wurde auf Einblendungen verzichtet, stattdessen hielten die Kameraleute kleine handschriftliche Zettel in die Kamera.

Ende 1998 verließ Stefan Raab VIVA, um auf ProSieben im Frühjahr 1999 mit „TV total“ an den Start zu gehen. Als Ersatz für „Vivasion“ startete 1999 „Lämmermann“. Über das unwürdige Nachfolgeformat mit Frank Lämmermann, dem hyperaktiven Moderator mit der Haarspray-Frisur, sollen an dieser Stelle keine weiteren Worte verloren werden.

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