Prosit, „Außenseiter – Spitzenreiter“!

35 Jahre ‚Kundendienst für Neugierige‘

Mario Müller – 17.06.2007

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Lettow, Wolfram und Merten
Oft wurde auch beiläufig auf die Mangelwirtschaft in der DDR angespielt, indem zum Beispiel die längste Menschenschlange vor einem Bäckergeschäft gesucht wurde oder clevere Tüftler ihre Erfindungen vorstellten, wie beispielsweise eine Saunaanlage in einem Kleiderschrank.

„Außenseiter-Spitzenreiter“ hatte sowohl beim Publikum als auch bei der DDR-Obrigkeit eine solche Beliebtheit, dass man sich gewisse Dinge erlauben konnte, die sonst im Programm nicht hätten auftauchen dürfen. Das Magazin rangierte in der Gunst des Publikums während der gesamten Sendezeit im DDR-TV auf den vordersten Plätzen, und Moderator Wolfram wurde 1973, 1975 und 1987 zum „Fernsehliebling der DDR“ gewählt.

Aufgrund des großen Erfolges startete 1983 mit „Wennschon, dennschon“ ein Samstagabend-Spin-off, bei dem die aus „Außenseiter-Spitzenreiter“ bekannten Alltagsrekorde im großen Show-Rahmen präsentiert wurden. Wolfram moderierte die Sendung, die es auf 49 Folgen brachte und bis 1992 ausgestrahlt wurde. Sie war sozusagen der Vorläufer aller nachfolgenden Rekord-Shows und das DDR-Pendant zu „Wetten dass …?“. Im Rahmen eines Auftritts von Rudi Carrell bei „Wennschon, dennschon“ am 30.12.1989 in Leipzig vereinbarten beide Showmaster einen Austausch von Beiträgen, da Carrell zu dieser Zeit für die dritten Programme der ARD ebenfalls eine Sendung mit kuriosen Beiträgen moderierte.

Wende gut – alles gut

Christine Stüber-Errath und Hans-Joachim Wolfram mdr
Als eine der wenigen Sendungen des DDR-Fernsehens überlebte „Außenseiter-Spitzenreiter“ die Wiedervereinigung. Bereits im noch geteilten Fernsehdeutschland hatte man in der BRD zahlreiche Fans und bekam Anregungen und Vorschläge. Aber erst nach dem Mauerfall konnte das Team auch in Westdeutschland drehen und ist heute – soweit es das Produktionsbudget zulässt – im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs.

Der Übergang vom Deutschen Fernsehfunk zur ARD verlief jedoch etwas holprig. Zwar freute sich das „Außenseiter“-Team 1991 über die plötzliche Anfrage, im Auftrag des Süddeutschen Rundfunks 7 Folgen für das Erste produzieren zu können. Doch sollten diese wöchentlich ausgestrahlt werden, was die Herstellung der bis dahin monatlich laufenden Sendereihe wesentlich erschwerte. Seit 1992 produziert nun Wolframs Firma „Media Effekt“ die Sendung für den Mitteldeutschen Rundfunk, wo sie monatlich mittwochs zu sehen ist. Außerdem wird sie im RBB wiederholt.

Den 35. Geburtstag des Magazins feiern Christine Stüber-Errath und Hans-Joachim Wolfram am 18.6.2007 im nach eigenen Angaben kleinsten Kino der Welt in Radebeul. In dem gerade mal 9 Plätze umfassenden Mini-Saal werden 10 Stunden lang Beiträge aus der langen Geschichte der Sendung gezeigt. Die Bilder von der Geburtstagsfeier zeigt der MDR am 27.6. in der 315. Folge von „Außenseiter-Spitzenreiter“.

Die Sendung mag für heutige TV-Verhältnisse etwas antiquiert wirken. Schließlich besteht ein großer Teil der heutzutage produzierten Fernsehkost aus schnell geschnittenen Bilderhaufen. Aber gerade weil man sich so vom üblichen TV-Salat abhebt, einen Gang langsamer fährt und vor allem noch immer skurrile Menschen und witzige Geschichten aufspürt, ist „Außenseiter-Spitzenreiter“ nicht nur ein lebendiges Stück Fernsehgeschichte, sondern auch ein ausgesprochen unterhaltsames.

16.06.2007 – Mario Müller
Quellen: Hans-Joachim Wolfram: „Außenseiter – Spitzenreiter“, Hans-Joachim Wolfram: „30 Jahre Außenseiter – Spitzenreiter“, MDR

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Über den Autor

Mario Müller, Jahrgang 1980, hat in seinem ersten Lebensjahrzehnt alles aufgesogen, was der Eiserne Vorhang per UKW nach Thüringen durchgelassen hat. „Wetten dass..?“, „Dalli Dalli“ und „Löwenzahn“ im ZDF genoss er ebenso wie „Verstehen Sie Spaß?“, „Donnerlippchen“, „Das A-Team“, „Remington Steele“ und die „Munsters“ (1988 noch mit Untertiteln) im Ersten oder „Monty Python’s Flying Circus“ im vergrieselten Empfangsbild des über den Sender Hof ausgestrahlten Bayerischen Fernsehens. Nach dem Mauerfall durfte er noch die glorreiche Zeit von RTLplus mit „Alles nichts, oder?“ und „Der Preis ist heiß“ erleben, dem Ende des DDR-Fernsehens mit großartigen Sendungen wie „He Du!“, „Wennschon, dennschon“ und „ELF99“ nachtrauern und sich darüber freuen, dass das langlebigste Unterhaltungsformat Deutschlands, „Außenseiter – Spitzenreiter“, auch heute noch läuft. Auf ewig geprägt und geschädigt von Herbert Feuerstein, Harald Schmidt und David Letterman kann er das heutige Programmangebot oft nur noch mit Humor ertragen – und ist für jeden Qualitäts-Lichtblick dankbar. Der Kommunikations- und Geschichtswissenschaftler hat als Autor und Redakteur alle Medien durch und schreibt seit 2007 für fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Das A-Team, Die Munsters, Zurück in die Vergangenheit

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