2020/2021, Folge 19–36

  • Folge 19 (30 Min.)
    Schoßhund, Biergartendackel, Kampfbestie: eine Kulturgeschichte des Hundes
    Aus dem wilden Wolf ist im Laufe der Evolution ein treuer Gefährte geworden, aus dem Hofhund eine Designhandtasche. Aber wie? Und warum? Der Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf erforscht eine der ältesten Beziehungen der Menschheitsgeschichte in seinem neuen Buch „Der Hund und sein Mensch: Wie der Wolf sich und uns domestizierte“ (Hanser).
    Wissen für alle: 20 Jahre Wikipedia!
    2001 starteten die Gründer von Wikipedia mit einer Vision: Jeder Mensch soll Zugang zum gesamten Wissen der Menschheit haben durch eine frei verfügbare Online-Enzyklopädie, an der jeder mitschreiben darf. Doch was wurde aus dieser Idee der Schwarmintelligenz? Und wie funktioniert die Kontrolle in Zeiten von Fake News und alternativen Fakten? Darüber spricht das „Kulturjournal“ mit Lukas Mezger, Vorsitzender des Wikimedia-Präsidiums in Deutschland, und mit dem Kritiker Johannes Weberling von Wiki-Watch. Außerdem trifft das „Kulturjournal“-Team einen 14-jährigen „Wikipedianer“ aus Norddeutschland, der in seiner Freizeit mitschreibt am größten Lexikon der Welt.
    Verstörende Fotos: die Superspreader von Ischgl
    Lois Hechenblaikner ist ein genialer Fotograf, aber eigentlich viel mehr noch Kultursoziologe. Sein neuer Bildband „Ischgl“ zeigt die enthemmte, zügellose Welt der Superspreader von Ischgl, einer Drehscheibe der Ausbreitung von COVID-19 für ganz Europa. Lois Hechenblaikners Schreckensbilder zeigen, wie sich das Virus so rasant in einer Region ausbreiten konnte, die eine solch ausufernde Après-Ski-Kultur pflegt. Der Ausnahmezustand: hier war er die Regel.
    Der Erfinder des Populismus: ein neuer Blick auf Benito Mussolini
    „M. Der Sohn des Jahrhunderts“: Schon der Titel des großen Romans von Antonio Scurati ist Programm. Er erzählt im ersten seines auf drei Bände angelegten Werks minutiös die Anfangsjahre von Benito Mussolini und seiner faschistischen Bewegung. Aber das Kürzel „M“ und die Verbindung mit dem 20. Jahrhundert zeigen, dass es dem Autor um mehr geht. Er schildert Mussolini als einen Typus, der die Politik revolutioniert hat: Instinkt statt Argumente, Spiel mit den Ängsten der Bevölkerung, markante Rhetorik, Selbststilisierung als Retter der Nation. Dieses Muster, sagt Scurati, finden wir heute bei allen Populisten wieder. Mussolini hat es geschafft, sagt er in einem Interview, ohne ein eigenes Programm, ohne eine politische Theorie zum „Duce“ eines ganzen Landes zu werden. Historisch genau bis ins Detail und gleichzeitig mit psychologischem Tiefgang entwirft dieser Roman ein erschreckend aktuelles Bild von den Mechanismen rechter Politik (Klett-Cotta-Verlag).
    Leben nach der Entführung: das neue Buch von Reemtsma-Sohn Johann Scheerer
    In seinem ersten Buch beschrieb Johann Scheerer, wie er die Entführung seines Vaters (Jan Philipp Reemtsma) 1996 erlebt hat: „Wir sind dann wohl die Angehörigen“. Der autobiografische Roman wurde hochgelobt. Jetzt erscheint die Fortsetzung „Unheimlich nah“. Darin erzählt Scheerer, wie sich das Leben der Familie nach der Freilassung verändert hat: Das Haus steht unter ständiger Bewachung, bei jedem Schritt wird er von Personenschützern begleitet, auf dem Weg zur Schule, zur Freundin, zur Probe mit der Band. Wie geht er um mit der Angst vor einer neuen Entführung und wie mit dem Vater, der die Spuren der Geiselnahme trägt? Was macht all das mit einem Heranwachsenden? Johann Scheerer, heute 38 Jahre alt, schreibt in seinem zweiten Buch „Unheimlich nah“ (Piper Verlag) offen über seine Jugend unter Überwachung und über den Versuch, diese Überwachung vor Freunden zu verbergen und in ein „normales“ Leben zurückzufinden. Das „NDR Buch des Monats“! (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 11.01.2021NDR
  • Folge 20 (30 Min.)
    Corona, Chaos und kein Ende? – Schulpolitik im Lockdown
    Nach den Weihnachtsferien ging es für die meisten Schüler*innen an einen Ort nicht wieder: in die Schule. Wenn möglich sollen die Kinder zu Hause bleiben, zu Hause arbeiten, zu Hause lernen. Homeschooling ist wieder angesagt. Für Unicef der falsche Weg. Die Organisation ist der Meinung, dass die Vorteile, die sich ergeben, wenn Schulen geöffnet bleiben, bei weitem die Kosten für ihre Schließung überwiegen. Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, hat berechnet, dass ein Unterrichtsausfall, der dem Drittel eines Schuljahres entspricht, das spätere Erwerbseinkommen um rund drei bis vier Prozent vermindern kann. Im ersten Lockdown hat sich die Zeit, die Kinder mit schulischen Tätigkeiten verbracht haben, von 7,4 auf 3,6 Stunden täglich halbiert.
    So eine Umfrage. Bildungs- und Entwicklungsforscher haben die Sorge, dass die Kluft zwischen starken und schwächeren Kindern weiter aufgeht und sich die Folgen ins spätere Berufsleben durchschlagen – mit negativen Konsequenzen für die gesamte Volkswirtschaft. Auch psychosoziale Folgen hat der Lockdown für Kinder, denen der geregelte Alltag und der Kontakt mit Gleichaltrigen fehlt. So haben Stress, Angst und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie zugenommen. Sind Schulschließungen daher der richtige und alternativlose Weg? Das Kulturjournal spricht mit zwei Kultusministern, der Initiative „Eltern in der Krise“ und der Soziologin Jutta Allmendinger.
    Wie rassistisch bist Du? – Das Experiment im „Kulturjournal“
    „Ich bin ein Rassist!“ – das behauptet wohl kaum jemand von sich. Dennoch gibt es Rassimus in Deutschland. Noch immer sind Hautfarbe und Aussehen mit Stereotypen und Vorurteilen verbunden. Im „Kulturjournal“ diskutiert der Moderator Michail Paweletz mit sechs Gästen über Rassismus und auch über ihre eigenen Vorurteile – ganz offen und ehrlich. In Experimenten und Gesprächen stellen die Teilnehmer*innen sich unterschiedlichen Fragen: Was ist Rassismus und wie stellt er sich heute dar? Woher kommen Vorurteile und welche Funktion haben sie? Wie können wir mit Rassismus besser umgehen und Ungleichheit verhindern? Zu Wort kommen auch die Antirassismus-Trainerin und Bürgerrechtlerin Tupoka Ogette, die Politikwissenschaftlerin Narku Laing sowie die Journalistin Hadija Haruna-Oelker. „Wie rassistisch bist Du?“ ist eine dreiteilige Reihe in Zusammenarbeit mit „tagesschau24“.
    Kultur ins Grundgesetz – Sinnvolle Initiative?
    Die Freiheit der Kunst – die steht im Grundgesetz. Artikel 5, Absatz 3 sorgt für ihren Schutz. Doch was ist mit der Kunst und Kultur selbst? Eine Petition ruft dazu auf, dass auch die Kultur an sich ins Grundgesetz aufgenommen wird. Explizit fordert sie, dass der Schutz von Kunst und Kultur als Grundrecht im Grundgesetz verankert wird. Kunst- und Kulturschaffende sollen dadurch vor unverschuldeten Verdienstausfällen geschützt werden. Initiiert wurde die Petition von den Kulturschaffenden selbst, darunter zum Beispiel der Jazzmusiker Till Brönner, der Regisseur Wim Wenders und der Sänger von den „Prinzen“, Sebastian Krumbiegel. Doch ist es realistisch, dass das so umgesetzt wird? Bereits vor 15 Jahren hatte der Deutsche Kulturrat einen Versuch gestartet und war gescheitert. Das „Kulturjournal“ spricht mit den Initiatoren, mit Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, dem Vorsitzenden des Deutschen Kulturrats und einer Verfassungsrechtlerin.
    Bilder frei Haus – Der erste Lieferdienst für Kunst
    Seit Museen und Galerien geschlossen sind, ist es kompliziert geworden, Kunst zu sehen – und zu kaufen. Beim Kunstverein Wolfsburg hatte man deshalb eine Idee: Wenn die Menschen nicht zur Kunst kommen können, warum dann nicht die Kunst zu den Menschen bringen? Und das so einfach wie bei einem Lieferservice für Pizza. „LieferArto“ ist der erste Kunst-Lieferdienst für Wolfsburg, Braunschweig und Umgebung. Online oder telefonisch kann man Bilder für unter 500 Euro bestellen und sich liefern lassen. Ein Projekt, um mit Kunstfreunden in Kontakt zu bleiben und um die Künstler zu unterstützen. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 18.01.2021NDR
  • Folge 21 (30 Min.)
    Weniger ist mehr: Flensburgs Kampf gegen Flächenverschwendung im Wohnungsbau Weniger muss mehr sein. Darum geht es beim sogenannten „suffizienten“ Bauen und Wohnen, beim Bemühen, weniger Fläche zu vergeuden. Denn die ist endlich. Beispiel Flensburg: Hier ist, wie in vielen Städten und Kommunen, nicht unendlich Platz zum Wohnen und Leben. Doch Platz ist das, wovon jeder in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht genug bekommen konnte. 1960 lag die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf noch bei 19 Quadratmetern, inzwischen beträgt sie 47 Quadratmeter.
    In Flensburg soll am Hafen Ost neuer Wohnraum geschaffen werden, nur eben anders. So, dass weniger genug sein kann. Nur wie funktioniert das? Was ist dafür notwendig? Das „Kulturjournal“ schaut sich vor Ort um, spricht mit Henning Brüggemann, dem Bürgermeister von Flensburg, und Bernd Sommer von der Europa-Universität Flensburg, die das Projekt wissenschaftlich begleiten. Durchs Essen die Welt begreifen: Wie Doris Dörrie in ihrer Küche über eine Erbse philosophiert Wer übers Essen gründlich nachdenkt, wird auch das Leben verstehen, findet Doris Dörrie.
    Für die in Hannover geborene Regisseurin ist Essen nicht nur Inbegriff von Genuss, sondern der „Weg zum besseren Verständnis unserer selbst und der Welt, die uns umgibt“. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben: „Die Welt auf dem Teller“ (Diogenes). Bei ihr fing es mit einer japanischen Suppe an und verfeinerte sich bei grünem Tee mit japanischen Reisbällchen. Für sie noch immer Eintauchen in eine andere Kultur, Innehalten.
    Doch auch die Kindheitserinnerung an Wassermelone, ein knuspriger Brotkrusten, familiäres Miteinander bei spanischer Paella, das alles macht etwas mit uns. Im „Kulturjournal“ spricht Doris Dörrie über ihr Weltverständnis und Glücksmomente beim Essen. Wie rassistisch bist Du? Das Experiment über Vorurteile und ihre Wurzeln Schwarze haben Rhythmus im Blut. Weiße sind zivilisierter. Oder gar: Schwarze sind sexuell aktiver. Es gibt viele Vorurteile beim Thema Rassismus.
    Woher kommen sie? Was bewirken sie? Und wie können wir mit Rassismus besser umgehen und Ungleichheit verhindern? Im zweiten Teil der Reihe „Wie rassistisch bist Du?“ geht es um Vorurteile. Der Moderator Michail Paweletz diskutiert offen und ehrlich mit sechs Gästen, auch über deren eigene Vorurteile. Außerdem spricht Michail Paweletz mit dem Politikwissenschaftler Narku Laing. Er erklärt, warum viele Vorurteile ihren Ursprung im kolonialen Zeitalter haben. „Wie rassistisch bist Du? Das Experiment“ ist eine dreiteilige Reihe des „Kulturjournals“ in Zusammenarbeit mit tagesschau24.
    Die Geschichte des Büros: ein wehmütiger Gruß aus dem Homeoffice Es heißt: Wir wissen nicht, was wir haben, bevor wir es verlieren. So geht es in Coronazeiten einigen Angestellten mit ihrem Büro. Noch bis vor Kurzem quälten sie sich jeden Morgen von zu Hause an diesen verhassten Ort mit lästernden oder nervigen Kolleginnen und Kollegen, strengen oder unfähigen Chefs, mit langweiligen Möbeln und pflegeleichten Pflanzen.
    Jetzt dürfen die Mitarbeitenden nicht mehr hin, sie sollen im Homeoffice arbeiten. Und plötzlich wird das Büro zu einem Sehnsuchtsort, der befreit von Homeschooling und Hausarbeit. Was macht diesen Ort aus? Wie hat er sich verändert in den letzten Jahrzehnten? Vom Großraumbüro bis zum modernen Co-Working-Space. Eine kleine Geschichte. Saxofon mal klassisch: die charismatische Asya Fateyeva im NDR Konzert Saxofon ist ein Instrument für Jazz und Pop. Oder? Asya Fateyeva hat eine Mission: Die junge Musikerin will dem Saxofon einen Platz in der Welt der klassischen Konzerte sichern.
    Die experimentierfreudige Saxofonistin adaptiert Kompositionen des Barock, der Klassik und zeitgenössischer Musik für ihr Instrument. 2016 wurde die erfolgreiche Newcomerin dafür mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet. Asya Fateyeva, 1990 auf der Krim geboren und Wahlhamburgerin, gehört zu den Nachwuchsstars der klassischen Musik. Jetzt freut sie sich, dass sie während der Coronakrise bei NDR Kultur à la carte EXTRA auftreten und ihre Mission weiter verfolgen kann. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 25.01.2021NDR
  • Folge 22 (30 Min.)
    Wie rassistisch bist Du? Das Experiment über Chancengleichheit Was wir im Leben erreichen können, das hängt auch davon ab, welche Hautfarbe wir haben. Denn im Berufsleben spielt Rassismus häufig eine Rolle, zumindest subtil. In der dritten Folge der Reihe „Wie rassistisch bist Du?“ spricht Moderator Michail Paweletz mit den sechs Teilnehmenden über Chancengleichheit. Dabei geht es um Fragen wie: Was bedeutet es, wenn Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen eine andere Hautfarbe haben? Wie stark beeinflusst die Hautfarbe das Weiterkommen im Beruf? Oder das Bewerbungsgespräch? Außerdem spricht Michail Paweletz mit der Journalistin Hadija Haruna-Oelker über Rassismus und Chancengleichheit.
    „Wie rassistisch bist Du?“ ist eine dreiteilige Reihe des „Kulturjournals“ in Zusammenarbeit mit tagesschau 24. Einsam durch die Krise: Studieren in Coronazeiten Vorlesungen und Prüfungen: nur online. Bibliotheken und Mensen: geschlossen. Der Uni-Campus: verwaist. Die Pandemie stellt Studierende vor große Herausforderungen. Besonders Studienanfänger wie Marie, die ihre Dozentinnen und Dozenten nur aus Videokonferenzen kennt.
    Keine „Ersti-Wochen“, keine Uni-Partys, die Einsamkeit des digitalen Studienalltags macht vielen zu schaffen. Hinzu kommen finanzielle Probleme, denn ein Großteil der Studentenjobs fällt flach. Aber auch höhere Semester haben zu kämpfen. Wie Hannah, die Cello studiert und ihren Abschluss wegen Corona verschieben muss. Heide Busse von der Universität Bremen hat an einer internationalen Studie mitgearbeitet, die sich mit den Auswirkungen der Krise auf Studierende im Lockdown beschäftigt.
    Ohne Wohnung, ohne Chance: Roman über Obdachlose Wenn alle zu Hause bleiben, was machen die, die kein Zuhause haben? Die Pandemie verschärft die soziale Not. Allein in einer Stadt wie Hamburg leben 4000 bis 5000 Menschen auf der Straße, Tendenz steigend. Der Schriftsteller Markus Ostermair hat einen viel beachteten Roman über Obdachlose geschrieben: „Der Sandler“ (Osburg Verlag). Sandler ist die etwas abfällige süddeutsche Bezeichnung für einen Obdachlosen. In seinem Buch erzählt Ostermair aus einer Welt, die einem ganz eigenen Rhythmus folgt und einer eigenen Sprache.
    Der Schriftsteller kennt diese Welt, hat früher selbst in der Bahnhofsmission in München gearbeitet. Im „Kulturjournal“ geht er dorthin zurück und trifft einen Menschen, der aus seinem Roman stammen könnte. Der die Zuschauerinnen und Zuschauer mitnimmt in seine Welt, in der man erlebt wie das ist, wenn gerade alle Menschen sich in ihr Zuhause zurückziehen und man selbst keines hat. Kunst mit Röntgen-Blick: große Katharina Sieverding-Ausstellung in Harburg Sie ist die Tochter eines Röntgenarztes und will mit ihrer Kunst Zusammenhänge durchleuchten.
    Ihre Werke nennt sie „Befunde“: Katharina Sieverding erforscht sich und die Welt seit über 50 Jahren mit Fotografien, Projektionen und Installationen. Ihre bislang größte Ausstellung ist gerade in der Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg aufgebaut. 120 Werke auf vier Etagen, aber leider noch nicht zu sehen wegen des Lockdowns. Deshalb bringt das „Kulturjournal“ die Kunst zu den Zuschauerinnen und Zuschauern, die Künstlerin Katharina Sieverding höchstpersönlich führt durch ihre Schau. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 01.02.2021NDR
  • Folge 23 (30 Min.)
    Holocaust-ÜberlebendeHolocaust-Überlebender gegen die Deutsche Bahn: Salo Mullers Kampf um Entschädigungen Er war sechs Jahre alt, als er seine Eltern das letzte Mal sah. Das war 1942. Sie warteten, schon von ihm getrennt, auf ihre Deportation: erst ins niederländische Durchgangslager Westerbork und dann nach Auschwitz. Salo Muller selbst überlebte in diversen Verstecken, schwer traumatisiert. Er erfuhr erst viel später, dass seine Eltern, wie alle Juden, von der damaligen Reichsbahn für den Transport ins Todeslager zur Kasse gebeten wurden: vier Pfennig pro Person und Kilometer, Kinder die Hälfte.
    Ein schamloses Geschäft, gegen das Salo Muller jetzt vorgeht. Er fordert von der Deutschen Bahn Entschädigung, trat über seinen Anwalt an die Bundesregierung heran und bekam standardisierte Antworten. Damit will er sich nicht zufriedengeben und appelliert im „Kulturjournal“ an die historische Verantwortung der heutigen Bahn AG. Deutsch-jüdische Familiengeschichte und Kunstkrimi: das „NDR Buch des Monats“ von Alena Schröder Zwei Frauen, verbunden durch eine ungewöhnliche Familiengeschichte: Die junge Senta verlässt 1926 ihre unglückliche Ehe und ihre kleine Tochter in Rostock.
    Sie will nach Berlin, lernt dort einen jüdischen Kunsthändler kennen. Doch im Dritten Reich müssen die beiden fliehen. Viele Jahrzehnte später erfährt ihre Urenkelin durch einen Brief erstmals von dieser Geschichte, sie muss sich nun ganz neu mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen und auch mit dem verschollenen Erbe ihrer Urgroßmutter, zu dem womöglich ein Gemälde von Vermeer gehört. Die Schriftstellerin und Journalistin Alena Schröder erzählt von diesen beiden Frauen in ihrem vielschichtigen Debütroman: „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ (dtv).
    Kunstvoll verbindet sie Familiengeschichte, deutsche Geschichte und die Suche nach einem Gemälde. Ihr Roman geht auf die Biografie ihrer eigenen Urgroßmutter zurück. „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ ist das „NDR Buch des Monats“ im Februar. Sehr lesenswert. Bilder wie gemalt: der Fotograf Hans-Christian Schink Er überlässt in seinen Fotos nichts dem Zufall, plant sie genau vorab und findet die Motive doch eher zufällig in der mecklenburgischen Landschaft, seiner neuen Heimat.
    Für sein neustes Buchprojekt „Hinterland“ (Hartmann Books) ist der Fotograf Hans-Christian Schink oft ohne konkretes Ziel losgefahren und hat sich von dem, was er so sah, überraschen lassen. Herausgekommen sind dabei Bilder, die viel Raum für Assoziationen lassen und eine ganz eigene Atmosphäre haben. Das „Kulturjournal“ streift mit Schink durch Mecklenburg und besucht mit ihm die Ausstellung seiner Fotos in Erfurt („So weit. Fotografien seit 1990“, Kunsthalle Erfurt, bis 23. Mai 2021).
    Es wächst und wächst und wächst: das Haar und der Lockdown Die Corona-Pandemie hinterlässt sichtbare Spuren, auch auf den Köpfen der Menschen: je länger der Lockdown, desto länger die Haare. Auf der Straße, in Videokonferenzen, sogar im Fernsehen sieht man immer mehr schlecht frisierte Menschen mit ungezähmten Mähnen. Dabei geht es bei der Frisur nicht nur ums Aussehen. Haare haben immer auch eine Bedeutung, sie sollen präsentieren, wer man ist und was man denkt. In Märchen und Literatur spielen sie eine Rolle, wie bei Rapunzel oder Struwwelpeter.
    In der Jugendkultur stehen Haare für Gesinnung: bei der Swing-Jugend als Protest zur Hitlerjugend, später lang bei den Hippies oder kahlgeschoren bei den Skins. Und auch bei Politikerinnen und Politikern ist die Frisur oft ein Statement, ob bei Thatcher, Trump oder Merkel. Die Haare und ihre Bedeutung, ein kleiner Rückblick im „Kulturjournal“. Starpianist ohne Angst: Daniil Trifonov beim NDR Elbphilharmonie Orchester Er gilt als ein Pianist, der keine Angst hat vor schwierigen Partituren und fordernden Parts.
    Seine Fingerfertigkeit ist legendär, schon in jungen Jahren galt er als unbegreifliches Talent, mittlerweile ist er ein Star: Daniil Trifonov. Nun gibt er sein lang erwartetes Debüt mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester mitten in Zeiten von Corona. Auf dem Programm stehen gleich zwei Klavierkonzerte: Nr. 1 von Sergej Prokofjew und das 1979 entstandene Konzert für Klavier und Streichorchester von Alfred Schnittke. Das „Kulturjournal“ bittet Chefdirigent Alan Gilbert und Daniil Trofonov ins Gespräch. (Konzert am 5. Februar 2021, 20 Uhr, als Video-Livestream und live auf NDR Kultur, danach in der ARD-Mediathek). (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 08.02.2021NDR
  • Folge 24 (30 Min.)
    Ein besonderes Stück Heimat: Dokumentarfilm über Schrebergärten Schrebergärten boomen: Das verstaubte Spießerimage der Kleingärten ist passé, die Parzellen gelten als cool. Mit über 900.000 Kleingartenanlagen steht Deutschland an der Spitze in Europa. Ruhesuchende, Traditionalisten und rastlose Träumer, Riesengemüsezüchter und Rosenliebhaber, Jungfamilien und Gartensenioren: Kleingärtner sind ein bunter Querschnitt durch die Gesellschaft. Der international preisgekrönte Regisseur Stanislaw Mucha (u.a. „Absolut Warhola“) begleitete ein Gartenjahr lang von März bis Oktober ganz unterschiedliche Schrebergärtnerinnen und -gärtner von Helgoland bis nach Thüringen.
    Der Film zeigt einen Mikrokosmos, dessen unterschiedliche Bewohnerinnen und Bewohner die Suche nach Heimat und Erdung verbindet. Der NDR Film läuft in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar um 00:00 Uhr im NDR Fernsehen („Heimat To Go. Vom Glück im Schrebergarten“). Er ist bereits jetzt in der ARD-Mediathek zu sehen. TikTok: von der Spaß-App zur Polit-Plattform Am Anfang war TikTok nur eine Spaß-App für unter 24-Jährige.
    Eine Plattform für kurze Handyvideos, in denen Teenies zum Playback die Lippen bewegen oder im Kinderzimmer tanzen. Mittlerweile hat sich TikTok auch zur Polit-Plattform entwickelt. Jeder kann seine Meinung verbreiten und Millionen von Menschen erreichen. Juan Carlos Medina Serrano, Datenwissenschaftler in München, hat die Rolle von TikTok bei den US-Wahlen und den Black-Lives-Matter-Protesten untersucht. In Russland vernetzen sich aktuell junge Nawalny-Anhängerinnen und -Anhänger über die Plattform. Auch in Deutschland nehmen politische Inhalte auf TikTok zu.
    Das „Kulturjournal“ spricht mit der jungen Hamburgerin Larima, die gegen Alltagsrassismus Stellung bezieht. Könnte TikTok auch in Deutschland im Superwahljahr eine Rolle spielen? Martin Fuchs, der unter anderem Politiker in digitaler Kommunikation berät, sieht Gefahren, aber auch großes Potenzial für die Zukunft. Denn die junge Zielgruppe stellt die Wählerinnen und Wähler von morgen. Mehr Sichtbarkeit in Film und Theater: eine Initiative von queeren Schauspieler*innen So ein Outing hat es in Deutschland, wahrscheinlich sogar weltweit, noch nie gegeben: 185 queere Schauspieler*innen sind gemeinsam an die Öffentlichkeit gegangen, darunter Stars wie Maren Kroymann, Jannik Schümann, Ulrike Folkerts oder Ulrich Matthes.
    Gemeinsam fordern sie mehr Anerkennung, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung in Theater, Film und Fernsehen. Denn obwohl Deutschland ein Land ist, in dem Gleichstellung sogar gesetzlich verankert ist, gibt es in der Branche noch immer Nachteile für lesbische, schwule, bisexuelle, queere, nicht-binäre und trans* Schauspieler*innen.
    Einige berichten zum Beispiel davon, dass sie bei bestimmten Rollen nur wegen ihrer sexuellen Identität übergangen werden, andere, dass ihnen in der Vergangenheit abgeraten wurde, sich zu outen, um die Karriere nicht zu gefährden. Die Initiative #actout hat sich zuerst im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ präsentiert und ein großes mediales Echo ausgelöst. Das „Kulturjournal“ spricht mit den Initiator*innen Tucké Royale und Karin Hanczewski, bekannt als „Tatort“-Ermittlerin, außerdem mit Gustav Peter Wöhler und mit Julian Greis vom Hamburger Thalia Theater.
    „Saal 101“: ein Dokumentarhörspiel über den NSU-Prozess Es war einer der bedeutendsten und aufwendigsten Strafprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik: fünf Jahre dauerte das Verfahren gegen den rechtsextremistischen NSU. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht München ließ in die Abgründe der deutschen Gesellschaft blicken. Lückenlose Aufklärung aber brachte er nicht. Das zwölfstündige Dokumentarhörspiel „Saal 101“, benannt nach dem Gerichtssaal, in dem die Verhandlung stattfand, zeichnet das Verfahren in 24 Teilen nach.
    Grundlage sind die Protokolle der ARD-Gerichtsreporterinnen und -reporter, die an allen 438 Prozesstagen mitgeschrieben haben. Ein einzigartiges Stück Zeitgeschichte. Die Koproduktion von ARD und Deutschlandfunk ist am 19. und 20. Februar jeweils von 20:05 Uhr bis 02.00 auf NDR Kultur und den anderen Informations- und Kulturwellen zu hören. Danach steht sie in der Mediathek und auf ndr.de/​ndrkultur. Das „Kulturjournal“ spricht mit Schauspielerin Bibiana Beglau über „Saal 101“. Daniel Hope singt! „Lebenslieder“ mit dem Star-Violinisten Elvis Presley war der Soundtrack seiner Kindheit, The Police hat ihn während der Zeit im strengen Musikinternat getröstet und das Lied seines Lebens kommt von David Bowie.
    Ganz schön viel U-Musik für einen Stargeiger, der in den Konzerthäusern der Welt mit den großen Orchestern zu Hause ist! Tatsächlich ist Daniel Hope ein Grenzgänger zwischen den Genres. Er wusste schon im Alter von vier Jahren, dass die Geige sein Instrument ist. Aber er lässt sich von Max Mutzke auch zum Singen animieren, zum ersten Mal öffentlich in der Folge der „Lebenslieder“ (23. Februar, 22:50 Uhr, Das Erste) und vorab schon im „Kulturjournal“. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 22.02.2021NDR
  • Folge 25 (30 Min.)
    Toxische Männlichkeit und frauenverachtende Hetze: die Ideologie der Incels Es gibt Männer, die fühlen sich betrogen, gedemütigt und zu Unrecht geschmäht, enttäuscht von Frauen, die sie zurückweisen und nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Auf der vergeblichen Suche nach einer Partnerschaft beginnen sie, den Frauen die Schuld für ihr Alleinsein zu geben. Sie verachten den Feminismus, drohen den Emanzipierten und lassen ihrer Wut freien Lauf. Das Phänomen ist vermutlich nicht neu. Neu aber ist, dass es sich im Internet rasant verbreitet.
    Dort hat sich eine Subkultur entwickelt, in deren Mittelpunkt die sogenannten Incels stehen, Männer, die im ungewollten Zölibat, involuntary celibacy, leben. Es ist eine Parallelwelt voller Hass und Verachtung. Zehntausende frustrierter Männer ergehen sich in Selbstmitleid, das sich bei manchen bis zu Gewaltfantasien steigert. Die Autorin Veronika Kracher hat in der Szene der Incels recherchiert und ein Buch darüber geschrieben, in dem sie ihre Geschichte erzählt und ihre Ideologie analysiert (Ventil Verlag).
    Einblick in eine erschreckende Parallelwelt. Ein Kieler Tatort über Frauenhass: Interview mit Axel Milberg Am Vorabend des Internationalen Frauentages (8. März) sendet Das Erste am Sonntag, 7. März, 20:15 Uhr, den neuen Kieler „Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“. Erzählt wird von der Radikalisierung eines jungen Mannes, der auf der Suche nach Liebe und Sexualität ins Umfeld der Incel-Bewegung gerät. Borowski ermittelt undercover in dem Umfeld.
    Im Rahmen des Schwerpunktes im „Kulturjournal“ zu Gewalt an Frauen spricht Julia Westlake mit dem Borowski-Darsteller Axel Milberg über toxische Männlichkeit und Frauenhass. Die eigene Welt im Atelier: Besuch bei der Hamburger Künstlerin Annette Meincke-Nagy Köpfe, Büsten, ganze Personen: Lebensecht und doch wie aus einer anderen Welt schauen einen die Figuren im Hamburger Atelier der Künstlerin Annette Meincke-Nagy an. Die Statuen wirken seltsam verträumt, introvertiert, als gäben sie den Blick frei in ihre Seele.
    „Mein kleines Völkchen“ nennt Annette Meincke-Nagy ihre Skulpturen, die sie aus Draht, Papier, Sand und Leim schafft. Sie verkörpern menschliche Schönheit und Würde, zeitlos und doch höchst gegenwärtig. Im Kerber Verlag ist jetzt der Band „Touchable“ mit Fotos ihrer Werke erschienen. Das „Kulturjournal“ macht einen Hausbesuch bei der Künstlerin und ihren Objekten. Fulminantes Romandebüt: „Ministerium der Träume“ von Hengameh Yaghoobifarah In diesem Roman geht es um Ausgrenzung, Alltagsrassismus und Ankommen.
    Familie, starke Frauen, Verlust und Verletzungen. Verunsicherung, Diskriminierung und Gegenwehr. Klingt überfrachtet, stimmt aber nicht. Das Debüt der Publizistin und Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah ist fulminant, dicht und entfaltet einen Sog. Bekannt wurde die in Kiel geborene Yaghoobifarah durch Kolumnen in der „taz“. Im letzten Sommer entfachte sie mit einem satirischen Text, in dem die Polizei hart angegangen wurde, eine aufgeregte Kontroverse.
    Der Innenminister wollte klagen, hat er dann nicht. Bis heute bekommt Hengameh Yaghoobifarah Morddrohungen. Nun legt Hengameh Yaghoobifarah einen ersten Roman vor. „Ministerium der Träume“ (Blumenbar) erzählt offen, manchmal rotzig und vor allem einfühlsam von schmerzhaften, systemischen Diskriminierungserfahrungen mitten in Deutschland, über drei Generationen. Ohne dass man es möchte, ist man beim Lesen selbst mitten drin in einem Denken in Gruppen und Gegengruppen, erlebt man den ständigen Konflikt, statt ihn von außen zu betrachten.
    Das „Kulturjournal“ bittet Hengameh Yaghoobifarah zum Gespräch über rechten Terror, Heimatlosigkeit und Identität. Panorama einer paralysierten Gesellschaft: Ljudmila Ulitzkaja „Eine Seuche in der Stadt“ Der Satz, der einem die Sprache verschlägt, steht am Ende des neuen Buches von Ljudmila Ulitzkaja und ist als Trost gemeint: „Es war die Pest, nur die Pest.“ Gibt es etwas Schlimmeres als den schwarzen Tod? Ja, sagt Ulitzkaja.
    Die politische Pest. Ihr Buch „Eine Seuche in der Stadt“ erzählt von einem Pestausbruch in Moskau 1939. Eine Seuche, die die Partei in einem Dekret 1938 für ausgerottet erklärt hatte. Auf anfängliche Ratlosigkeit folgt staatliche Entschlossenheit bei gleichzeitiger Verschwiegenheit. Der Geheimdienst NKWD, geschult im Aufspüren von Leuten, übernimmt die Kontaktnachverfolgung, spürt Infizierte auf und isoliert sie. Die Aktion ein voller Erfolg. Den Pestausbruch hat es tatsächlich 1939 so gegeben.
    Ljudmila Ulitzkaja nimmt die Katastrophe als Sujet, um über die Deformation der Gesellschaft in einer Diktatur zu erzählen. Die Seuche offenbart die Krankheit des Systems. Das Buchmanuskript ist 40 Jahre alt und brandaktuell. Nicht die Pest, Corona hält die Welt seit einem Jahr in Atem. Und Diktaturen scheinen erfolgreicher als Demokratien mit ihren Maßnahmen zu sein. Ein Irrtum, weiß Ljudmila Ulitzkaja, die ihr halbes Leben in Diktaturen zugebracht hat. Gegen eine Krankheit kann man auf die Wissenschaft hoffen, gegen ein krankes politisches System ist die Wissenschaft machtlos. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 01.03.2021NDR
  • Folge 26 (30 Min.)
    Ein Jahr Kultur trotz Corona: das „Kulturjournal“ mit folgenden Themen: Wie geht es weiter? Umfrage unter prominenten Kulturschaffenden Was hat sich verändert in diesem Jahr der Pandemie? Welche Perspektiven gibt es? Auf was freuen sich die Kulturschaffenden im Norden, was befürchten sie? Julia Westlake spricht mit prominenten Menschen aus dem Bereich Kultur, unter anderem Sänger Johannes Oerding, Reinhard Spieler vom Sprengel Museum Hannover und Daniel Karasek vom Theater Kiel. Rückblick auf ein Jahr Ausnahmezustand: das Corona-ABC Abstand, Hygiene oder Zahlen: In der Pandemie bekommen bekannte Wörter/​Begriffe plötzlich neue Bedeutungen.
    Auch an ihnen lässt sich dieses Ausnahmejahr für die Kultur beschreiben: 1,5 Meter Abstand zwischen den Schauspieler*innen oder Musiker*innen auf der Bühne ist das Maß des Jahres, keine Veranstaltung mit Publikum ohne Hygienekonzept. Und ob die Kultur überhaupt stattfinden darf, hängt von den Zahlen ab: Wie hoch ist gerade der Inzidenzwert? Das „Kulturjournal“ blickt mit dem Corona-ABC auf die vergangenen zwölf Monate zurück, schaut auf die Politik, die „auf Sicht fahren“ zur Leitlinie erklärte, und die Kultur, die durch das Virus ausgebremst wurde wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
    Ausgestellt statt verhüllt: „In aller Munde“ im Kunstmuseum Wolfsburg Der Mund: Man braucht ihn zum Atmen und Sprechen, zum Essen und Trinken und auch zum Küssen. Er ist elementar fürs Leben, doch in Coronazeiten wurde er plötzlich zur Risikozone. Der Mund muss mit einer Maske verdeckt werden, wenn man andere Mitmenschen trifft.
    Dabei sagt er doch aus, ob jemand lächelt oder wütend ist, ob man sich in freundlicher oder feindlicher Absicht nähert. Auch Künstler*innen haben sich immer wieder mit dem Mund beschäftigt, von der Antike bis zur Gegenwart. Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt jetzt unter dem Titel „In aller Munde“ über 250 Exponate über diese besondere Körperzone, unter anderem von Pieter Bruegel, Albrecht Dürer, Pablo Picasso, Marina Abramovic, Andy Warhol und Cindy Sherman. Das „Kulturjournal“ besucht die ungewöhnliche Ausstellung in Wolfsburg und fragt, was sie in Coronazeiten aussagt.
    Wenn Corona das Aus bedeutet: die Situation der Kinos Sie zählen wahrscheinlich mit zu den größten Verlierern durch Corona: die Kinobetreibenden. Wenn die Kinos öffnen dürfen, unterliegen sie strengen Hygienevorschriften, die sich auf die Umsätze auswirken. Große Blockbuster werden verschoben oder gleich gestreamt. Und ob das Publikum nicht lieber gleich auf der heimischen Couch bleibt und dort die Filme guckt, muss sich noch erweisen. Für Torsten Dubiel vom Passage Kino in Bremerhaven ist jetzt Schluss: Er wird sein Haus nicht wieder öffnen, selbst wenn er dürfte.
    Es rechnet sich einfach nicht mehr. Das „Kulturjournal“ ist mit dabei, wie die Lichter in dem Programmkino ausgehen. Damit endet die Arthouse-Tradition seit 1978, sehr zum Leidwesen der Stammgäste. Was die Pandemie mit uns macht? Das Corona-Gefühl Ihr Tagebuch sind ihre Zeichnungen: Alltagsbeobachtungen, Selbstbefragung und kritische Reflexion. Angelegt als „Corona Diaries“ hat Jutta Bauer das Jahr seit dem ersten Lockdown festgehalten, eine Art Illustration des Corona-Gefühls.
    Gemeinsam mit dem „Kulturjournal“ resümiert Jutta Bauer anhand ihrer Zeichnungen das Jahr der Pandemie: ein liebevoller, heiterer und auch kluger Blick auf uns alle. Tanz trotz Abstand: der Schweriner Balletttänzer Richard Jones Bei keiner anderen Kunstform ist die Berührung, der körperliche Kontakt so wichtig wie beim Tanz. Deshalb traf der Corona-Lockdown die Ballettkompagnien im Norden hart: Sie durften nicht mehr vor Publikum auftreten, saßen zu Hause fest oder durften nur unter strengen Hygieneauflagen trainieren.
    Richard Jones ist Tänzer am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin. Im Frühling 2020 musste eine geplante Premiere abgesagt werden und schließlich auch die gemeinsamen Proben. Richard Jones musste stattdessen eine Zeit lang zu Hause trainieren, aus Platzgründen im Kinderzimmer. Im Sommer kam die kurzfristige Rückkehr auf die Bühne, im Herbst der zweite Lockdown. Jetzt laufen die Proben in Kleingruppen. Wann der Normalbetrieb wieder losgeht, ist noch ungewiss. Im „Kulturjournal“ berichtet Richard Jones von seinem Corona-Jahr. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 15.03.2021NDR
  • Folge 27 (35 Min.)
    Eigenwillige Eigenheime in Norddeutschland: unterwegs mit Architekturkritikerin Turit Fröbe „Bausünden sind Architekturen, die aus der Reihe tanzen“, sagt Turit Fröbe. Die Kunsthistorikerin fotografiert seit 20 Jahren auffällige Gebäude: monströse Fassaden, überladende Verzierungen oder besonders gewagte Farb- und Materialkombinationen. Ihr neuer Fotoband heißt „Eigenwillige Eigenheime“ und zeigt ungewöhnliche Privathäuser, zum Beispiel Doppelhäuser mit zwei Gesichtern oder expressive Zaun- und Garagenkreationen. Fürs „Kulturjournal“ besucht Turit Fröbe ein niedersächsisches Wohnviertel und zeigt wunderbare Architekturen und ausgefallene Details.
    Eine sehr persönliche, mitunter ironische Sicht auf Häuser, die aus der Einheitsarchitektur herausragen. Politisch und spektakulär: der südafrikanische Künstler William Kentridge in Hamburg Schon früh lernte William Kentridge, geboren 1955 in Johannesburg, was Apartheid bedeutet, obwohl er selbst weiß ist. Denn sein Vater war Anwalt für Menschenrechte, juristischer Vertreter von Nelson Mandela und Apartheid-Gegner. Das Wissen um Ungerechtigkeit, Macht- und Machtlosigkeit, um Folter und Willkür prägt bis heute Kentridges Kunst.
    Ausgangspunkt ist dabei immer die Zeichnung in Schwarz-Weiß, daraus entwickelt Kentridge ein ganz eigenes künstlerisches Universum aus Filmen, Installationen und Theaterstücken. Es geht dabei um die Geschichte Südafrikas, um Kolonialismus oder Flucht und Vertreibung. Die Deichtorhallen in Hamburg widmen dem vielseitigen Künstler eine große Retrospektive „Why Should I Hesitate: Putting Drawings To Work“. Eine opulent inszenierte Ausstellung, die selbst eine Art Gesamtkunstwerk ist.
    Die Schau soll bis zum 1. August gezeigt werden, doch nach kurzer Öffnung müssen die Museen in Hamburg nun wieder schließen. Termine für spätere Besuche gibt es, je nach Entwicklung der aktuellen Coronazahlen, auf der Homepage der Deichtorhallen. Dort findet man außerdem Videos, Fotos und Texte: www.deichtorhallen.de/​ausstellung/​william-kentridge Erzähltes Leben: das neue Buch von Helga Schubert, Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Mit 80 Jahren hat Helga Schubert 2020 den begehrten Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen für ihren Text „Vom Aufstehen“.
    Es geht darin um die komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter und auch um die große Liebe zu ihrem zweiten Mann, der auf ihre Pflege angewiesen ist. Jetzt hat sie diesen Text mit weiteren neuen Erzählungen als Buch veröffentlicht. Eine Art Lebensbilanz, Helga Schubert schreibt ganz persönlich, zum Beispiel über Kindheitserlebnisse in Greifswald, über ihren Alltag in der DDR oder ihre Sicht auf deutsche Geschichte. Immer wieder geht es um die Wendezeit, in der die DDR-Schriftstellerin politisch sehr aktiv war. „Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten“ (erschienen bei dtv) ist das „NDR Buch des Monats“.
    „Kulturjournal“-Moderatorin Julia Westlake besucht Helga Schubert zu Hause in Alt Meteln in der Nähe von Schwerin. Kultroman als Ballett: „Der Liebhaber“ in Hannover Marco Goecke, Choreograf und Direktor des Staatsballetts Hannover, hat mit „Der Liebhaber“ nach dem Erfolgsroman von Marguerite Duras ein starkes Stück auf die Bühne gebracht: eine getanzte Hommage an die Literatur, die teils autobiografische, skandalöse Liebesgeschichte einer 15-Jährigen mit einem zwölf Jahre älteren Mann. Die Geschichte spielt in Indochina zur französischen Kolonialzeit.
    Die Uraufführung an der Staatsoper Hannover fand coronabedingt im digitalen Livestream statt, der noch bis zum 27. März im Netz zu sehen ist (www.staatsoper-hannover.de). Doch auch wenn Tänzer*innen und Publikum getrennt sind, die Wucht und emotionale Spannung vermittelt sich auch über die Bildschirme. Endlich alles über Fußball! Weltmeister Lahm erklärt die Philosophie des größten Spiels aller Zeiten! Elf Freunde und ein Ball, das ist schon lange nicht mehr genug. Philipp Lahm leitet aus den Fußballregeln eine weltumspannende Kultur des Miteinanders ab! (Philipp Lahm. „Das Spiel“, C.H.Beck Verlag). (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 22.03.2021NDR
  • Folge 28 (30 Min.)
    Howard Carpendale: Wie ein Schlagersänger plötzlich den Ernst des Lebens entdeckt
    Zu Beginn versuchte er sich als Elvis-Imitator oder auch als Beatsänger. Dann kam „Das schöne Mädchen von Seite 1“ und brachte ihm den ersten Platz beim Deutschen Schlager-Wettbewerb 1970. Der Südafrikaner Howard Carpendale, über Jahrzehnte Liebling der Medien und der älteren Damen. 2003 trat er bei seinem letzten Konzert auf, um dann aber 2007 den Rücktritt vom Rücktritt zu erklären und seitdem wieder aufzutreten. Jetzt denkt er auch über Apartheid, den Kapitalismus und das eigene Ende nach!
    Geheimer Strippenzieher oder Messias? Wer ist Bill Gates?
    „Gib Gates keine Chance“: Plakate, die auf Demonstrationen von Querdenkern oft zu sehen sind. Gemeint ist Bill Gates, dem teilweise von ihnen unterstellt wird, für die Corona-Pandemie verantwortlich zu sein, entweder um persönlich an Impfungen zu verdienen, um den Menschen mithilfe der Impfungen Chips einzupflanzen, um sie gefügig zu machen oder einfach die Weltbevölkerung zu reduzieren. Geheimer Strippenzieher oder Messias? Dazwischen scheint es derzeit kaum eine Bewertung von Bill Gates zu geben, der 1975 das Unternehmen Microsoft gründete. Mit einem geschätzten Vermögen von 110 Milliarden US-Dollar gilt er als einer der reichsten Menschen der Welt und hat 2008 seine eigene Foundation ins Leben gerufen. Nun hat er ein Buch geschrieben: „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ (Piper).
    Spazieren ist das neue Ausgehen: Wie wir im Lockdown das Gehen neu entdecken
    Rausgehen ist das neue Ausgehen. Durch die Pandemie erlebt der Spaziergang gerade eine Renaissance. Man kann ja auch sonst nicht viel anderes tun. Goethes „Osterspaziergang“ ist das Gedicht zur Stunde: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“. Wie ist der Spaziergang überhaupt entstanden? Wie hat sich die Bedeutung des Flanierens verändert durch die Zeiten? Das „Kulturjournal“ blickt mit einer kurzen Geschichte des Spaziergangs auf berühmte Beispiele in Literatur und Kunst zurück.
    Gemeinde ohne Pastor: Stellenabbau bei der Nordkirche
    Es ist eine drastische Kürzung: Bis 2030 soll in der Nordkirche jede dritte Pastorenstelle wegfallen. Denn es fehlen Geld und Nachwuchs. Dabei sind die Aufgaben der Pastor*innen in den ländlichen Gemeinden vielfältig: Gottesdienste und Seelsorge, Zeremonien wie Taufen, Konfirmationen, Trauungen, Beerdigungen. Dazu kommt Senioren- und Jugendarbeit. Die Pastor*innen begleiten das Leben der Kirchenmitglieder. Eine der ersten Gemeinden, die von den Sparmaßnahmen betroffen sind, ist die Kirchengemeinde Nordhackstedt im Norden Schleswig-Holsteins mit 2710 Mitgliedern aus fünf Dörfern.
    Im September geht der Pastor in Ruhestand, danach soll die Stelle nicht wiederbesetzt werden, stattdessen soll im Kirchenkreis mit anderen Gemeinden kooperiert werden. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben in einem offenen Brief gegen diese Entscheidung protestiert, sie wollen die Pastorenstelle in Nordhackstedt erhalten. Das „Kulturjournal“ spricht mit einem der Bürgermeister, dem derzeitigen Pastor und der zuständigen Pröpstin in Flensburg über die Kürzung und die Folgen.
    Auf der Suche nach dem richtigen Leben: das NDR Buch des Monats „Kleine Freiheit“
    Unterschiedliche Lebensmodelle und unterschiedliche Überzeugungen, im Roman „Kleine Freiheit“ prallen sie aufeinander. Hauptfigur Saskia ist mit ihrer Familie aufs Land gezogen und führt ein recht bürgerliches Leben. Statt ihre Karriere als Richterin zu verfolgen, kümmert sie sich um die Familie und kämpft in einer Bürgerinitiative gegen Windkrafträder. Ihr Vater ist ein Alt-68er, der als junger Mann gegen das Establishment und das klassische Familienmodell gekämpft hat. Auf Kosten seiner Tochter. Er ist immer noch ein Antikapitalist, obwohl er Karriere und Geld gemacht hat.
    An ihrem Vater arbeitet sich Saskia ab und ist vielleicht genau deswegen fasziniert von einem ihrer Mitstreiter im Kampf gegen die Windräder, einem Adeligen vom rechten Rand der Gesellschaft. Die in Lübeck lebende Schriftstellerin Nicola Kabel erzählt kunstvoll von Menschen mit ganz unterschiedlichen Überzeugungen. Ihr Buch reicht vom Ende des Zweiten Weltkriegs in die Gegenwart, ist Familiengeschichte und Gesellschaftsroman zugleich. Es geht um Ideale und Selbstbetrug und um die Frage nach dem richtigen Leben. „Kleine Freiheit“ (C.H. Beck) ist das „NDR Buch des Monats“. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 29.03.2021NDR
  • Folge 29 (30 Min.)
    Ausverkauf einer Insel: explodierende Immobilienpreise auf Föhr
    Im Winter oder jetzt, in Zeiten von Corona, ist die Insel Föhr leer, fast wie ausgestorben. Nun wird klar, was hier verloren ist: Immer weniger Einheimische wohnen hier, sie können sich ihre Insel nicht mehr leisten. Stattdessen gibt es immer mehr und immer teurere Ferienwohnungen, die einen Teil des Jahres leer stehen. Das „Kulturjournal“ hat sich vor Ort umgehört: Die junge Sängerin Norma Schulz erzählt, wie sich die Insel wandelt. Das Filmteam begleitet eine alleinerziehende Mutter bei ihrer aussichtslosen Wohnungssuche. Friedrich Riewerts, Bürgermeister von Nieblum, sagt, die verkauften Objekte kämen nie wieder in Föhrer Hand, aber ohne Geld von außen wären die Häuser auch nie so schick renoviert worden. Volkert Faltings von der Ferring Stiftung zeigt sein leeres Dorf und trauert mit seinem einzigen Nachbarn um den Verlust der friesischen Kultur.
    Arm trotz Arbeit? Das Buch „Working Class“ von Julia Friedrichs
    Sie gehen putzen, arbeiten an der Kasse oder geben Musikunterricht. Sie arbeiten Vollzeit, aber was sie verdienen, reicht gerade mal zum Leben. Sie sind die „Working Class“: So nennt die Autorin Julia Friedrichs die Menschen, die kein Vermögen und keine Aktien haben und deren Einkommen nicht reicht, um Wohlstand zu erlangen. Gerade in Deutschland wächst die soziale Ungerechtigkeit. Und Corona macht die Situation noch schlimmer. Während ein Prozent der Bevölkerung rund 35 Prozent besitzt, hat die ärmere Hälfte nur ein Prozent Anteil am Nettohaushaltsvermögen. 15,8 Prozent leben unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Das Versprechen, dass man sich Wohlstand aus eigener Kraft erarbeiten kann, gilt gerade für Menschen unter 45 nicht mehr, so Julia Friedrichs. Das „Kulturjournal“ spricht mit der Autorin und mit einem Musiklehrer über das Buch „Working Class“ (Berlin Verlag).
    Reise zum nördlichsten Punkt Europas: der Dokumentarfilm „Spitzbergen“
    Spitzbergen: ein Ort von atemberaubender Schönheit und absoluter Stille. Ein Ort, an dem mehr Eisbären leben als Menschen. Ein Ort, an dem sich aber auch der Klimawandel erschreckend deutlich zeigt. Zwei deutsche Filmemacher haben sich im arktischen Sommer aufgemacht zur nördlichsten Inselgruppe Europas. Mit zwei Kameras haben Silke Schranz und Christian Wüstenberg Spitzbergen umrundet und sind mit faszinierenden Bildern und sehr persönlichen Geschichten zurückgekommen. Die Dokumentation, die sie selbst finanziert haben, wollten sie im vergangenen Jahr im Kino präsentieren. Doch dann kam Corona, und die Kinos mussten schließen. Deshalb haben sie den Film stattdessen auf DVD veröffentlicht: „Spitzbergen. Auf Expedition in der Arktis“.
    Ungewöhnliches Klangprojekt: das Ensemble Between Music macht Musik unter Wasser
    Ein ungewöhnliches Klangexperiment: Fünf große Aquarien mit Wasser, darin sitzen Musiker*innen mit ihren Instrumenten. Ein Klangexperiment, das Grenzen austestet. Seit vielen Jahren arbeitet das Ensemble Between Music an dem Projekt „AquaSonic“. Die Musiker*innen haben eine spezielle Gesangstechnik entwickelt, Musikinstrumente wasserfest gemacht. Bis zu anderthalb Minuten sind sie unter Wasser, spielen, singen, oft auch beides. Eine Performance, die verzaubert, fasziniert und das stille Element Wasser zum Klingen bringt. Am Grund des Mittelmeers hat die Band jüngst ein „Unterwasser-Requiem“ gespielt für die Menschen, die auf ihrer Flucht nach Europa ertrunken sind. Das Kulturjournal zeigt Between Music in Aarhus bei der Produktion des Albums „AquaSonic“.
    Die erste Linienflugkapitänin der Welt: der Roman „Freiflug“ von Christine Drews
    Zwei junge Frauen im Deutschland der 1970er-Jahre: Die eine arbeitet als Anwältin in einer Kanzlei und wird von ihren männlichen Kollegen gemobbt. Die andere hat eine Pilotenlizenz, bekommt aber bei der Lufthansa keinen Job, weil das Staatsunternehmen prinzipiell nur Männer als Piloten anstellt. Gemeinsam beschließen sie, gegen die Lufthansa und die Bundesrepublik Deutschland zu klagen. In ihrem neuen Roman „Freiflug“ (DuMont) erzählt Christine Drews die Geschichte von Rita Maiburg, der aus Bonn stammenden ersten Linienflugkapitänin weltweit. Mit Liebe zum Detail zeichnet sie das Porträt einer Zeit, in der die Frauen gegen große Widerstände um ihre Rechte kämpften. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 12.04.2021NDR
  • Folge 30 (30 Min.)
    Wie retten wir die Welt? Frank Schätzings neues Buch
    Am 22. April ist „Earth Day“, ein internationaler Aktionstag im Zeichen des Umweltschutzes. Jeder kann etwas tun, jeden Tag, schreibt Bestsellerautor Frank Schätzing in seinem neuesten Buch über die Klimakrise. Doch wir haben nicht mehr viel Zeit, um die drohende Katastrophe abzuwenden. Wissenschaftlich fundiert und spannend erzählt, entwirft Frank Schätzing verschiedene Zukunftsszenarien. Wir lernen die Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kennen, erleben die Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und ihren Gegnern und sind mitten drin im Kampf um die Rettung der Welt („Was, wenn wir einfach die Welt retten?“, Kiepenheuer & Witsch).
    Koen Olthuis – Pionier der „schwimmenden Architektur“
    Die Klimakrise führt zu steigenden Meeresspiegeln. Wie reagieren Architekten darauf? Der niederländische Architekt Koen Olthuis ist einen Pionier „schwimmender Architektur“. Angesichts des Klimawandels und wachsender Verdichtung in den Städten, entwickelt er mit seinem Büro „Waterstudio.NL“ visionäre Konzepte: Schwimmende Inseln, Stadtviertel und Parks, aber auch soziale Projekte wie schwimmende Schulen für Slums in Afrika oder Asien.
    Weiterleben nach einer Vergewaltigung – Roman der Hamburger Autorin Sophia Kroemer
    Ein Stadtfest, eine Begegnung mit einem Jungen. Danach ist im Leben nichts mehr wie es war. Die Hamburger Autorin Sophia Kroemer hat einen Roman über das Weiterleben nach einer Vergewaltigung geschrieben. Die Hauptfigur Sakari leidet nach dem Verbrechen an Panikattacken, muss in eine Klinik, danach findet sie langsam in ihr Leben zurück. Dabei bekommt sie Hilfe von ihrem zweiten Ich, das immer wieder unvermittelt auftaucht und ihr einen Weg durch das Trauma aufzeigt. Sophia Kroemer beschreibt eindringlich, wie schwer das Leben nach einer Vergewaltigung ist: Es geht um Angst, um die Unmöglichkeit Nähe zuzulassen und auch um Scham und Schuldgefühle, obwohl sie ja selbst das Opfer ist. Es ist ihre eigene Geschichte, aber sie hat bewusst einen Roman verfasst, mit fiktiven Figuren: „Dieselbe und doch nicht die Gleiche. Mein Weg durch das Trauma“ (Fischer Verlag). Ein Buch, das helfen kann, zu verstehen.
    Furchtbar oder furchtbar genial? Dokumentation über Ernst Ludwig Kirchner
    Er gilt als Pionier des deutschen Expressionismus: Ernst Ludwig Kirchner, „Brücke“-Künstler und Schwergewicht der klassischen Moderne. Seine Gemälde zeigen häufig entblößte Frauen, nackte Mädchen, in zweifelhaften Posen. Sein künstlerisches Werk wirft aus heutiger Perspektive Fragen auf: War Kirchner ein Sexist? Ein Pädophiler? Und malte er schwarze Modelle mit kolonialistischem Blick? Oder war Kirchner ein genialer Selbstvermarkter, der bewusst Skandale schuf, um sich selbst zu inszenieren? Die arte-Dokumentation „Ernst Ludwig Kirchner – Furchtbar genial“ wirft einen neuen, kritischen Blick auf diese Galionsfigur des Expressionismus.
    Kinofilm „Women“ – Intimes Porträt von Frauen weltweit
    Laut dem in dieser Woche veröffentlichten Weltbevölkerungsbericht der UNFPA dürfen Millionen Frauen nicht über den eigenen Körper entscheiden, nicht, mit wem sie Sex haben oder ob sie Verhütungsmittel benutzen dürfen. Vergewaltigung, Genitalverstümmelung, Zwangsheirat: Wie die Lage der Frauen weltweit ist, schildert eindringlich auch der Dokumentarfilm „Women“: Dafür wurden 2000 Frauen aus 50 Ländern interviewt. Es geht nicht nur um Gewalt gegen Frauen, sondern auch um die Kraft der Frauen: Sie erzählen davon, was es heißt, Mutter zu sein, wie sie mit ihrer Sexualität umgehen, sprechen über Arbeit, Geld und Bildung. Anastasia Mikovas und Yann Arthus-Bertrands Film „Women“ ist erschütternd und ermutigend, durchdrungen von Aufbegehren, Liebe und Stärke (online Kinostart 22.04.). (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 19.04.2021NDR
  • Folge 31 (30 Min.)
    Epidemie Einsamkeit? – Warum gerade eine junge Generation einsam ist
    „Einsamkeit fühlt sich für mich erdrückend an.“ „Als würde sich ein schwarzer, sehr schwerer Teppich über mich legen.“ „Bis sich eine stechende Leere in meinem Inneren bemerkbar macht.“ So beschreiben junge Menschen, wie es sich anfühlt, wie sie darunter leiden. Unter Einsamkeit. Die neue Geißel unserer Zeit? Die Zahlen steigen auf jeden Fall. Immer mehr Menschen fühlen sich einsam. Und das nicht erst durch Corona. In einer Umfrage aus dem Jahr 2019 gaben 23 % der 18- bis 29-Jährigen an, sich häufig einsam zu fühlen. In der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen waren es 24 %. Früher verband man Einsamkeit eher mit älteren Menschen, die ihre/​n Lebenspartner*in verloren haben, deren Freundeskreis immer kleiner wird.
    Inzwischen ist die Einsamkeit bei der jüngeren Generation angekommen. Mit gravierenden Folgen: Durch Einsamkeit steigt die Sterbewahrscheinlichkeit um 26 %. Einsamkeit ist angeblich so schädlich wie 15 Zigaretten am Tag. Doch warum grassiert dieses Gefühl jetzt gerade bei den Millennials so sehr? Was ist die Ursache dieser „neuen“ Einsamkeit? Und wie werden wir diese wieder los? Das „Kulturjournal“ hat dafür unter anderem die Politikerin und Buch-Autorin Diana Kinnert getroffen, die darüber ein Buch geschrieben hat („Die neue Einsamkeit. Und wie wir sie als Gesellschaft überwinden können“; Hoffmann und Campe) und den Psychiater Mazda Adli.
    Bauhaus-Architektur in Celle – Aufregung um Abriss
    Der Architekt Otto Haesler war es, der den Bauhaus-Gedanken nach Celle brachte. Die Stadt ist stolz auf seine Bauten, feierte groß das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum und seinen Pionier des Neuen Bauens. Die Celle Tourismus und Marketing GmbH wirbt: „Die Erfindungen von Otto Haesler können gar nicht genug gewürdigt werden“. Doch nun, völlig überraschend, ist das kulturelle Erbe Otto Haeslers offenbar zum Abriss freigegeben, eine ehemalige Wachsfabrik ist Ende März dem Boden gleichgemacht worden. Wie konnte das passieren, trotz Denkmalschutz?
    Mensch und Maschine – Wie menschlich ist künstliche Intelligenz?
    Computer fangen an zu dichten, Social Bots beeinflussen Wahlen und Einkäufe und gerade wurde Amazons Alexa als Zeuge vor Gericht geladen. Was geschieht da gerade zwischen Mensch und Maschine? Christoph Drösser untersucht ein kompliziertes Verhältnis. „Es ist so, dass wir zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte mit Entitäten oder mit Wesen – oder wie immer Sie es nennen wollen – reden, die keine Menschen sind“, sagt der Wissenschaftsjournalist Christoph Drösser („Wenn die Dinge mit uns reden“, Duden-Verlag). Und diese Automaten antworten uns. Glauben (fürchten?) wir, sie sind dabei, ein Bewusstsein zu entwickeln? Wir sprechen immer von Künstlicher Intelligenz. Aber sind die Algorithmen wirklich intelligent?
    Wiederentdeckung – NDR-Konzert mit Maria Callas
    In der Jubiläumssaison zu seinem 75-jährigen Bestehen hebt das NDR Elbphilharmonie Orchester einmalige Schätze aus seinen Archiven. Die neueste Perle: Opernstar Maria Callas in der Laeiszhalle im März 1962 unter der Leitung ihres Lieblingsdirigenten Georges Prêtre. Auf dem Programm standen Arien-Highlights aus Opern von Georges Bizet, Charles Gounod, Gioachino Rossini und Giuseppe Verdi. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 26.04.2021NDR
  • Folge 32 (30 Min.)
    Der Mensch hinter der Ikone – 100. Geburtstag Sophie Scholl
    Mit ihrem Kampf gegen das Nazi-Regime ist Sophie Scholl, geboren am 9. Mai 1921, bis heute ein Vorbild. Aber wer war die Ikone des Widerstands? Der Theologe und Historiker Robert M. Zoske hat eine Biografie über sie veröffentlicht. Er will Sophie Scholl als Mensch, mit Widersprüchen und Zweifeln porträtieren, vor allem ihren inneren Konflikt zwischen Glauben und Nazi-Ideologie: Sophie stammt aus einem christlichen Elternhaus, begeistert sich aber früh für den „Bund deutscher Mädel“, wird sogar Gruppenführerin. Den Nationalismus und Antisemitismus der Nazis blendet sie aus. Erst langsam kommen die Zweifel. Je größer und intensiver ihr christlicher Glaube wird, desto stärker und entschlossener wird auch ihr Wunsch, gegen den Nationalsozialismus Widerstand zu leisten. Robert M. Zoske liefert in seinem Buch ein differenziertes Bild von Sophie Scholl: „Es reut mich nichts. Porträt einer Widerständigen“ (Propyläen).
    Raubkunst: Beispiel Benin-Bronzen – Was tun mit Kunst aus kolonialer Herkunft?
    Was tun mit der Raubkunst aus kolonialen Zusammenhängen? Die umstrittenen wie kostbaren Benin-Bronzen sind dabei nur ein Beispiel. Sie sind auch in norddeutschen Museen zu finden. Seit Jahrzehnten wird um ihre Rückgabe gerungen. Die Häuser haben lange verschwiegen, welche ihrer vielen Stücke blutige Beute aus Kolonien waren – aus Angst, etwas abgeben zu müssen. Doch das ändert sich jetzt. Das Kulturjournal spricht mit Barbara Plankensteiner, Direktorin des MARKK in Hamburg und Mitbegründerin der internationalen Benin Dialogue Group, sowie mit der Direktorin des Überseemuseums Bremen, Wiebke Ahrndt und dem Historiker Jürgen Zimmerer, Leiter der Arbeitsstelle Hamburgs (post)koloniales Erbe.
    Vertreter der Herkunftsgesellschaften beschreiben eindrücklich, wie wichtig die Werke für die kulturelle Identität der heutigen Nachkommen sind. Schließlich liefert die engagierte Historikerin Bénédicte Savoy die historische Einordnung und benennt vor allem die Gründe für das Versagen der deutschen Museen im Umgang mit ihrem kolonialen Erbe.
    Politisch und spektakulär – Der südafrikanische Künstler William Kentridge
    Schon früh lernte William Kentridge, geboren 1955 in Johannesburg, was Apartheid bedeutet, obwohl er selbst weiß ist. Denn sein Vater war Menschenrechtsanwalt, juristischer Vertreter von Nelson Mandela und Apartheid-Gegner. Das Wissen um Ungerechtigkeit, Macht- und Machtlosigkeit, um Folter und Willkür prägt bis heute Kentridges Kunst. Ausgangspunkt ist dabei immer die Zeichnung in Schwarz- Weiß, daraus entwickelt Kentridge ein ganz eigenes künstlerisches Universum aus Filmen, Installationen und Theaterstücken.
    Es geht dabei um die Geschichte Südafrikas, um Kolonialismus oder Flucht und Vertreibung. Die Deichtorhallen in Hamburg widmen dem vielseitigen Künstler eine große Retrospektive „Why should I hesitate: Putting drawings to work“. Eine opulent inszenierte Ausstellung, die selbst eine Art Gesamtkunstwerk ist. Die Schau soll bis zum 1. August gezeigt werden. Zurzeit sind die Museen in Hamburg geschlossen. Termine für spätere Besuche gibt es – je nach aktuellen Corona-Zahlen – auf der Homepage der Deichtorhallen.
    „Daheim“ von Judith Hermann – Unser Buch des Monats
    1998 debütierte Judith Hermann mit ihrem Erzählband „Sommerhaus, später“. Damals war es, als hätten die Leser*innen in Deutschland auf genau diese Stimme gewartet. Judith Hermanns Geschichten über sehnsuchtsvolle junge Menschen, verfasst in einem ganz eigenen Sound, wurden ein großer Publikumserfolg. Sogar Marcel Reich-Ranicki outete sich als Fan. 2003 folgte der Erzählband „Nichts als Gespenster“. Erst beim vierten Buch „Aller Liebe Anfang“ wagte sich Judith Hermann an die Romanform heran. Der Roman wurde weniger euphorisch aufgenommen. Die Form der Erzählung, so hieß es, sei das eigentliche Zuhause der Autorin. Jetzt legt Judith Hermann einen weiteren Roman vor: „Daheim“ heißt er (S. Fischer). (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 03.05.2021NDR
  • Folge 33 (30 Min.)
    Nie mehr leise: Frauen gegen Rassismus und Sexismus in der Kultur
    Die deutsche Kulturbranche ist sehr weiß, sehr männlich, und nicht besonders divers. Man braucht nur in die Verlagsvorschauen, in die Museen oder in die Programme von Musikfestivals zu schauen, um das zu erkennen. Frauen, die als nicht weiß, deutsch oder westlich wahrgenommen werden, müssen doppelt hart kämpfen, um sich in der Kulturszene zu behaupten. Die Schauspielerin Pegah Ferydoni wurde mit ihrer Rolle in der Comedyserie „Türkisch für Anfänger“ bekannt, sie ist als Film- und Fernsehschauspielerin erfolgreich und engagiert sich gegen Diskriminierung. Ihre Forderung: eine Diversitätsquote für die Filmbranche. Die Musikerin Celina Bostic hat mit ihrem Song „Nie wieder leise“ eine Hymne für Schwarze Menschen und People of Color geschrieben.
    Die Schriftstellerin Mithu Sanyal hat mit dem Roman „Identitti“ gerade einen Bestseller über Identitätspolitik gelandet. Sie hat Perspektiven wie ihre eigene in der deutschen Literatur lange vermisst. Für die Journalistin Seyda Kurt, die in ihren Artikeln gegen das Patriarchat und den Rassismus anschreibt, gehört die mangelnde Repräsentation nichtweißer Minderheiten in der Kultur zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem. Ihr gerade erschienenes Buch „Radikale Zärtlichkeit. Warum Liebe politisch ist“, ist eine Art Anleitung, eine gerechtere Gesellschaft zu gestalten und damit im Privaten zu beginnen.
    Die Künstlerin Moshtari Hilal positioniert sich in ihren Zeichnungen gegen westlich geprägte Schönheitsideale und will mitbestimmen, wie in Deutschland gesellschaftliche Debatten geführt werden. In einem Instagram-Livetalk prägte sie kürzlich den Begriff „Nazihintergrund“ als Gegenstück zum „Migrationshintergrund“ mit und löste damit eine heftige Debatte aus. Das „Kulturjournal“ porträtiert fünf Kulturfrauen, die für mehr
    Sichtbarkeit kämpfen.
    Zurück zur Natur: Der Filmemacher Jan Haft
    Große Reisen in die weite Welt sind wegen Corona seit über einem Jahr kaum oder gar nicht möglich. Doch wer spannende Natur entdecken will, der kann das auch vor der eigenen Haustür tun, so Filmemacher Jan Haft. Ob Wattenmeer, Wald, Heide oder Mittelgebirge: Die heimische Natur bietet einen Reichtum an Landschaften, Pflanzen, Tieren. Mit einem neuen Buch und einem Dokumentarfilm will Jan Haft den Blick auf diese faszinierende ökologische Vielfalt lenken, aber auch auf ihre Bedrohung durch den Menschen. Das Buch „Heimat Natur“ (Penguin Verlag) ist eine Reise von den Alpen an die Küste, mit Exkursen zu seltenen Tierarten und kaum bekannten Phänomen wie den „Zombiebäumen“. Der gleichnamige Dokumentarfilm soll am 10. Juni ins Kino kommen.
    A Black Jesus“: Ein beeindruckender Dokumentarfilm über Vorurteile und Ausgrenzung
    Im Dorf Siculiana auf Sizilien hängt in einer Kirche eine schwarze Jesusfigur. Es gibt hier auch ein Zentrum für Geflüchtete mit vielen schwarzen Migranten. „Das Komische ist, dass die Einheimischen keine Schwarzen mögen, aber sie lieben diesen schwarzen Jesus. Sie lieben ein schwarzes Stück Holz, aber keine Schwarzen aus Fleisch und Blut“, heißt es im Dokumentarfilm „A Black Jesus“ von Regisseur Luca Lucchesi, dessen Vater aus Siculiana stammt. Der 19-jährige Edward aus Ghana, Bewohner des Zentrums für Geflüchtete, bittet darum, gemeinsam mit den Einheimischen die Jesusstatue in der großen jährlichen Prozession durch den Ort tragen zu dürfen, die an den Leidensweg Christi erinnert. Der Film zieht die Parallele zum Leidensweg der Asylsuchenden, zeigt die Widersprüche im Dorf stellvertretend für die in der Gesellschaft (digitaler Filmstart im Kino-Stream am 20. Mai). (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 10.05.2021NDR
  • Folge 34 (30 Min.)
    Ausgebremst und einsam: Jugendliche in der Coronazeit
    Keine Treffen mit Freund*innen, kein regelmäßiger Schulunterricht. Kein Sporttraining, keine Musikproben. Die Einschränkungen durch die Coronapandemie treffen Jugendliche hart. Wie sehr viele von ihnen darunter leiden, wurde lange in der öffentlichen Diskussion kaum berücksichtigt. Dabei hat eine Studie der Bertelsmann-Stiftung erforscht, dass 61 Prozent der befragten jungen Menschen „sich teilweise oder dauerhaft einsam fühlen“. 64 Prozent gaben an „zum Teil oder voll“ psychisch belastet zu sein. Zwei Hamburger Projekte wollen deshalb auf die Lage der Jugendlichen aufmerksam machen, auf Einsamkeit, Ängste oder Frustration: Die Fotografin Rebecca Hoppé hat das Projekt Jugend im Lockdown initiiert. Die Lehrerin Hanne-Katrin Schade von der Max-Brauer-Schule Hamburg hat mit Schüler*innen Gedichte geschrieben und Videos gedreht. Das „Kulturjournal“ hat die beiden Frauen und Jugendliche, die mitgemacht haben, getroffen. Offen sprechen sie über ihre Gefühle und Sorgen in der Coronazeit.
    Männer, macht Platz! Für mehr Gleichberechtigung im Musikbusiness
    Von wegen Gleichberechtigung! Die Musikbranche ist ein Herrenclub: Die Charts werden von Männern dominiert, auf Festivals treten fast nur Männer auf, in den Vorstandsetagen der großen Label sitzen ausschließlich Männer, ein Großteil der Kulturgelder, die vom Staat vergeben werden, gehen in männliche Hände. Frauen sind in allen Bereichen des Musikbusiness unterrepräsentiert. Wieso haben wir diese Ungerechtigkeiten im Jahre 2021 nicht schon längst überwunden? Das „Kulturjournal“ spricht unter anderem mit der Frauenband 24/​7 Diva Heaven, der Singer-Songwriterin Alin Coen, der Rapperin KeKe, der Sängerin Onejiru und mit Andrea Rothaug von Music Women Germany über den langen Weg zur Gleichberechtigung von Frauen in der Musikbranche: Männer, macht Platz! Girlpower im Musikbusiness.
    Grenzen überwinden: Ulrike Folkerts schreibt ihre Autobiografie
    Clever, lässig, unkonventionell: Lena Odenthal ist seit über 30 Jahren als Kommissarin im „Tatort“-Einsatz, eine der dienstältesten und erfolgreichsten Ermittlerinnen der deutschen Fernsehgeschichte. Schauspielerin Ulrike Folkerts hat es mit dieser Rolle geschafft, das Frauenbild im TV-Krimi zu verändern. Die „taz“ schrieb sogar, sie habe „mehr für die Frauenrollen im deutschen Fernsehen getan als irgendein Intendant“. Jetzt hat Ulrike Folkerts zu ihrem 60. Geburtstag am 14. Mai ihre Autobiografie veröffentlicht: „Ich muss raus“.
    Denn auch privat hat die Schauspielerin sich gegen Stereotypen gewehrt: Von klein auf war sie frech, unangepasst, sie wollte Grenzen sprengen, raus aus gängigen Kästchen und Klischees. In ihrem Buch schreibt sie offen über ihr Leben, auch über ihr Outing und über Sexismus in der Schauspielbranche. Das „Kulturjournal“ stellt die Autobiografie von Ulrike Folkerts anlässlich des Deutschen Diversity-Tags am 18. Mai vor, bei dem es um Vielfalt und Gleichstellung geht.
    Was ist an Wilhelm Busch modern? Ein NDR Abend mit Poetry-Slammer*innen und Zeichner*innen
    Wilhelm Busch ist bis heute der bekannteste und beliebteste Comic-Autor der Deutschen. Wie Goethes „Faust“ und Gretchen gehören „Max und Moritz“, „Die Fromme Helene“, Witwe Bolte und Lehrer Lämpel zum Kulturgut. Die Wirkung der Verse und Bildergeschichten von Wilhelm Busch reicht von tagesaktuellen Karikaturen bis hin zum Poetry-Slam. Der NDR hat im Rahmen der Programmreihe „Zeit für Kultur“ Künstler*innen eingeladen, mit Bildern, Texten und Musik ihr Echo auf Wilhelm Busch zu gestalten: als Hommage, Persiflage, Neuinterpretation oder Kritik.
    Mit dabei: Comic-Zeichner Mawil, Träger des Wilhelm-Busch-Preises 2021, die Comic-Zeichnerin und Illustratorin Line Hoven, die Beatboxcrew 4xSample, sechs Poetry-Slammer*innen und die „alten“ Wilhelm-Busch-Fans Wigald Boning und Jürgen Becker. „Wilhelm Busch und seine Erben“ ist am Sonnabend, 22. Mai, 20:15 Uhr, im NDR Fernsehen zu sehen. Im Anschluss wird die Dokumentation „Deutsche Lebensläufe – Wilhelm Busch“ gesendet und ab 22:30 Uhr die Graphic Opera „Weiße Rose“ (zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl). (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 17.05.2021NDR
  • Folge 35 (35 Min.)
    Stadt, Land, Ende: Wo können wir uns das Wohnen noch leisten?
    Das Thema Wohnen ist zum gesellschaftlichen Krisengebiet geworden. Viele Städte wachsen, vor allem über ihre Grenzen hinaus ins Umland. Die Folge sind steigende Grundstückspreise im Speckgürtel. Um Kosten zu sparen, bauen immer mehr Menschen immer weiter von der Großstadt entfernt und nehmen dabei große Distanzen in Kauf. Denn viele haben den Traum vom Eigenheim im Grünen, besonders wenn es darum geht, eine Familie zu gründen und Platz für sich und die Kinder zu haben. Doch das Problem sind nicht nur die steigenden Kosten, sondern auch der Ressourcenverbrauch: immer größere Flächen werden versiegelt.
    Früher hatte ein Einfamilienhaus im Schnitt 80 Quadratmeter Wohnfläche, die Neubauten von heute haben rund 150. Und wenn das Bauland billiger ist, wird gerne größer gebaut. Das verbraucht noch mehr Ressourcen, der Weg in die Stadt wird noch länger. Ökologisch ein Desaster. Was also tun? Das „Kulturjournal“ spricht mit einem jungen Paar, das gerade in der Nordheide baut, Politiker*innen aus Hamburg und dem Klimaökonom Gernot Wagner, einem bekennenden Stadtbewohner.
    „Wem gehört mein Dorf?“ – Dokumentarfilm über Göhren auf Rügen
    Ein Haus direkt am Meer, Klassiker unter den Wohnträumen. Doch wie ist es, dort zu wohnen, wo andere nur Urlaub machen? Was passiert hinter den Kulissen von Strandkorb, Imbiss und Hafenpromenade, wenn die Touristen weg sind? Der Dokumentarfilm „Wem gehört mein Dorf?“ porträtiert das Ostseedorf Göhren auf Rügen. Er zeigt ein Dorf im Umbruch. Aus den einst grauen Häusern sind inzwischen Ferienwohnungen geworden. Aus dem verschlafenen Nest ein Strandbad mit eigenem Parkhaus. Nicht alle finden das gut. Schon gar nicht, dass ein westdeutscher Großinvestor die Fäden in der Hand zu halten scheint. Allmählich regt sich der Widerstand. Das „Kulturjournal“ stellt den Dokumentarfilm vor und trifft den Regisseur Christoph Eder. Er stammt aus Göhren und weiß, was es bedeutet, wenn die Heimat zur Hotelanlage wird. (Voraussichtlicher Kinostart: 12. August 2021)
    Bedrohter Schatz: Was passiert mit unserem fotografischen Erbe?
    Unzählige Fotos lagern in Verlagshäusern, Archiven und privaten Nachlässen. Doch das fotografische Erbe in Deutschland ist bedroht, die Zeit nagt an Abzügen und Negativen. Allein das Fotoarchiv des „Spiegel“, das weit über drei Millionen Bilder verwahren soll, ruht verwaist in einer Lagerhalle am Rande Hamburgs. Die Erben großer Fotografen stehen vor Aufgaben, die sie allein kaum bewältigen können. Deshalb soll ein nationales Institut für Fotografie eingerichtet werden, das „die Vor- und Nachlässe hervorragender deutscher Fotografinnen und Fotografen“ sammelt. Doch reicht das aus, um das fotografische Kulturerbe zu bewahren? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 31.05.2021NDR
  • Folge 36 (35 Min.)
    Hässlich oder schützenswert? Giganten aus Beton
    Ob Bürobauten, Parkhäuser oder Wohnanlagen: in den 1960er- und 1970er-Jahren wurde in Norddeutschland viel mit Beton gebaut und oft sehr groß. In Hannover wurde zum Beispiel der Terrassenbau Davenstedt errichtet mit Hunderten Wohnungen, die quasi aufeinander geschachtelt wurden. Die City Nord in Hamburg ist eine eigene Bürostadt mit markanten Beton-Riesen. In Westberlin hat man sogar eine Autobahn mit einer Wohnanlage verhüllt: mit der Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße entstand ein Komplex mit ursprünglich mehr als 1700 Wohneinheiten. Damals standen solche Gebäude für gesellschaftlichen Aufbruch und eine zeitgemäße autogerechte Stadt.
    Und heute? Viele Menschen finden die Giganten aus Beton einfach nur hässlich und würden sie am liebsten abreißen. Auf der anderen Seite gibt es die Fans des sogenannten Brutalismus und Denkmalschützende wollen die wichtigsten Bauwerke dieser Epoche erhalten. Sogar einige Parkhäuser stehen bereits unter Denkmalschutz. Das „Kulturjournal“ stellt herausragende Gebäude in Hannover, Hamburg und Berlin vor und diskutiert: hässlich oder schützenswert? Es äußern sich unter anderem die Architekturhistorikerin Turit Fröbe, Architekt Christoph Mäckler und Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein Hamburg.
    Regionalzeitungen im Wandel: der Dokumentarfilm „Die letzten Reporter“
    Die regionale Zeitung am Morgen gehörte früher dazu. Doch längst haben auch Lokalzeitungen mit sinkenden Auflagen zu kämpfen. In einer neuen digitalen Nachrichtenwelt, in der keine News bis zum nächsten Tag wartet, müssen sie sich neu erfinden, Inhalte fürs Internet und für die sozialen Netzwerke liefern. Der Dokumentarfilm „Die letzten Reporter“ stellt drei unterschiedliche Zeitungsjournalist*innen vor, die den Wandel miterleben: Anna Petersen in Lüneburg hat sich bewusst für die Arbeit im Lokalen entschieden, denn sie schreibt am liebsten über soziale Themen und will nah an den Menschen sein.
    Sportreporter Thomas Willmann von der „Schweriner Volkszeitung“ begeistert sich für den ehrenamtlichen Sport rund um Schwerin. Werner Hülsmann schreibt in Osnabrück über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Filmemacher Jean Boué hat die drei ein Jahr lang bei ihrer Arbeit begleitet. Sein Dokumentarfilm erzählt von ihrem Alltag und den neuen Herausforderungen für die letzten Lokalreporter*innen (Kinostart 24. Juni).
    Erwachsenwerden und andere Katastrophen: das NDR „Buch des Monats“ von Lisa Krusche
    „Die Hölle, das sind die Eltern“, sagt Charles. Ihre Künstlereltern sind mit ihr von Berlin in eine Art Hippie-Kommune bei Hildesheim gezogen. Charles fühlt sich dort fremd und allein, völlig fehl am Platz. Auch Gwen kommt gar nicht mit ihren Eltern klar. Sie sind reich, in ihren Augen verlogen, leben in einem Villenviertel. Sie selbst prügelt sich mit den Jungs aus der Vorstadt. Als die beiden Mädchen sich treffen, ist es Freundschaft auf den ersten Blick. Die Schriftstellerin Lisa Krusche, selbst in Hildesheim geboren, schreibt in ihrem Debütroman über diese zwei jungen Frauen, die beide Außenseiterinnen sind und sich gegen übergriffige Männer und schwierige Eltern behaupten müssen. Lisa Krusche erzählt vom Erwachsenwerden und von Rebellion, von großen Gefühlen und tiefer Freundschaft. Ihr Roman „Unsere anarchistischen Herzen“ ist das NDR „Buch des Monats“ Juni. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 07.06.2021NDR

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