Staffel 1, Folge 1–6

Staffel 1 von „Deutschland-Saga“ startete am 30.11.2014 im ZDF.
  • Staffel 1, Folge 1 (45 Min.)
    Wer waren die ersten Menschen auf deutschem Boden? Welche Spuren haben sie hinterlassen und wie weit reichen diese bis in die Gegenwart?
    Die Frage nach unseren Ursprüngen führt Christopher Clark zunächst in die Schwäbische Alb, wo vor rund 14 000 Jahren steinzeitliche Jäger lebten. Im Eselsburger Tal stellte der Homo sapiens Rentieren und Bären nach, suchte Schutz in den Höhlen der Kalkfelsen und fertigte raffinierte Steinwerkzeuge an. Die „Deutschen“ jener Zeit waren durchaus schöpferisch, ihre Erfin­dungen „made in Germany“ fanden schon damals weite Verbrei­tung. Doch sind die urzeitlichen Bewohner des Schwabenlandes bei weitem nicht als erste Vorfahren der späteren Deutschen an­zusehen.
    Bei den „Ur-Deutschen“ zählt zweifellos der Neandertaler zu den prominentesten Vertretern. Lange Zeit hielt man den robusten Eiszeitmenschen mit der fliehenden Stirn, der im Jahre 1856 im Neandertal bei Düsseldorf entdeckt wurde, für den Angehörigen einer ausgestorbenen Nebenlinie der großen Menschenfamilie. Inzwischen weiß man aber: der rätselhafte Urzeitjäger, der vor 30 000 Jahren scheinbar spurlos von der Erde verschwand, lebt in Wirklichkeit weiter – nämlich in uns. Bis zu vier Prozent Nean­dertaler-Gene tragen Menschen von heute in sich. Irgendwann einmal müssen also der Homo sapiens und Neandertaler Sex mit­einander gehabt haben – vermutlich vor etwa 50 000 Jahren.
    Christopher Clarks Reise in die deutsche Frühzeit führt auch nach Niederdorla, heutiger Mittelpunkt Deutschlands. Vor über 2500 Jahren siedelten hier Angehörige von Stämmen, die in ihrer Ge­samtheit sogar namensgebend für die Deutschen wurde – zumin­dest in der englischsprachigen Welt: The Germans. In Niederdorla hatten sie eine Kultstätte angelegt und brachten ihren Gottheiten Menschenopfer dar. Doch wer waren diese Germanen eigentlich? Ein einheitliches Volk, das sich so nannte, hat nie existiert. Statt­dessen gab es Cherusker, Chatten, Markomannen und viele an­dere, die eine ähnliche Kultur und Lebensweise aufwiesen und sich innerhalb der großen Gruppen sprachlich verständigen konnten. Den Namen „Germanen“ verdanken sie dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus, der „Germanien“ selbst nie betreten hat.
    Weil es den Römern nicht gelang, die wilden Waldbewohner zu unterwerfen, wurde der größere Teil des späteren Deutschland nicht romanisiert. Und noch etwas gehört zum Erbe jener Epoche, die bis zur Völkerwanderung andauert: das spätere Deutschland blieb ein Land der Stämme, der Alemannen, Franken, Bajuwaren, Hessen, Friesen, Sachsen und anderer, die immer wieder auf ihre Eigenständigkeit pochten – und das gelegentlich auch heute noch. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 30.11.2014ZDF
  • Staffel 1, Folge 2 (45 Min.)
    Warum haben Wälder, Ritterburgen, Märchen, Mythen und Sagen eine so große Bedeutung im Reigen der Befindlichkeiten, die man den Deutschen immer wieder zuschreibt? Warum nehmen Dra­men wie das Nibelungenlied einen so hohen Rang in der kultu­rellen Selbstwahrnehmung ein? In der dritten Folge der Deutsch­land-Saga macht sich Christopher Clark auf die Suche danach, was Deutsche zum Schwärmen bringt.
    Auf der Gefühlsskala rangiert der Wald ganz oben. Diese Vorliebe hat eine lange Tradition. Schon der römische Geschichtsschreiber Tacitus beschrieb „Germanien“ als ein Land unendlicher Wälder. Eigenartig wirkte auf die Römer, dass es keine Tempelbauten in „Germanien“ gab, vielmehr Haine und Bäume, die als Heiligtümer verehrt wurden. Tatsächlich haben sich die Deutschen ihre innige Beziehung zu den Pflanzenriesen bewahrt. So markierten Bäume über die Jahrhunderte den Gerichtsplatz und den Mittelpunkt ei­nes Dorfes. Unter der Linde feierte man die Feste des Jahreskrei­ses, in ihre Rinde schnitzte man die Initialen von Liebenden. Bäume sind Symbole des Beständigen und Erhaltenswerten. Vielleicht entlud sich der Zorn der Schwaben gegen das umstrit­tene Bauvorhaben „Stuttgart 21“ gerade deshalb in dem Moment, als die Bäume des Schlossgartens gefällt werden sollten.
    Eng verbunden mit dem Wald sind viele deutsche Märchen, wie etwa Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen und der Wolf. Sie und andere Figuren entstammen der „Kinder- und Hausmärchen“ der Gebrüder Grimm, die – gleich nach der Lutherbibel – das weltweit meistverbreitete Buch der deutschen Kulturgeschichte sind. Die Welt der Märchen hat das Bild Deutschlands bis heute geprägt. Und noch 200 Jahre nach der ersten Ausgabe der Sammlung der Gebrüder Grimm wachsen Kinder – nicht nur in Deutschland – mit Schneewittchen, Dornröschen und Rapunzel auf.
    Christopher Clarks Reise führt auch am Rhein entlang. Schon zu Zeiten der Römer war dieser Fluss die große Verbindungsachse in Europa. Kaufleute, Pilger und auch Kriegsheere nutzten den prominenten Wasserweg. Doch bis jemand fragte „Warum ist es am Rhein so schön?“, sollte es noch eine Weile dauern. Eher lief den Rhein-Reisenden ein kalter Schauer über den Rücken, wenn am Loreley-Felsen oder am Binger Loch Gefahr durch Untiefen und Strudel drohte.
    Die Romantik machte den Rhein zum Mythos. Heinrich Heines Loreley-Lied brachte es zu einer Art deutscher Hymne. Die Dich­ter jener Epoche schwärmten für ursprüngliche Landschaften, sahen in der beginnenden Industrialisierung und Verstädterung eine Gefahr, warfen dem modernen Zeitalter vor, die Welt allein unter dem Aspekt der Nützlichkeit und Verwertbarkeit zu be­trachten. Eine Denktradition, die bis ins Heute reicht.
    Natürlich will Clark auch die Liebe der Deutschen zum Fußball ergründen, hierzulande die beliebteste Sportart. Die Fakten sprechen für sich: Sechseinhalb Millionen Menschen – das sind über acht Prozent der Bevölkerung – sind in über 27 000 Fußball­vereinen aktiv. Das zahlt sich in vielen Meistertiteln aus, und nicht nur bei den Herren. Die deutschen Fußballerinnen haben die letzten fünf Europameisterschaften hintereinander gewonnen.
    Beim Einblick in die Seele der Fußballnation entdeckt Christopher Clark noch ein weiteres Phänomen: Als Gastgeber der WM 2006 zeigten die Deutschen einen erfrischend fröhlichen Patriotismus. Danach stellte sich heraus: Die Deutschen werden anderswo viel sympathischer wahrgenommen, als sie sich selbst oft sehen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 02.12.2014ZDF
  • Staffel 1, Folge 3 (45 Min.)
    Jene bewegenden Szenen, die um die Welt gingen, von Wende, Mauerfall und Einigung, sind inzwischen ein Vierteljahrhundert alt. Noch immer zeugen eindrucksvolle Filmaufnahmen, Bilder und ein Musikhit davon, wie der „Wind des Wandels“ um sich griff und die Menschen mit sich nahm. Was sich damals ereignete, zählt ohne Übertreibung zu den historischen Glücksfällen der deutschen Geschichte: Zum ersten Mal wurde die deutsche Ein­heit in Freiheit und in Frieden Wirklichkeit, eine Premiere.
    1200 Jahre vorher waren es andere, die sich um die Einheit im Herzen Europas bemühten – freilich unter ganz anderen Prämis­sen. Christopher Clark reist in seinem VW Käfer nach Aachen, dem Lieblingsort Karls des Großen. Der mächtige Frankenherr­scher, den bereits Zeitgenossen als „Vater Europas“ bezeichne­ten, war getrieben von der Idee, ein im christlichen Glauben ge­eintes Imperium zu errichten. Schritt für Schritt dehnte er seinen Herrschaftsraum nach Osten aus, verleibte seinem Reich auch die Gebiete der Bayern und der Sachsen ein und führte dafür grausame Kriege. Es gelang ihm erstmals die germanischen Festlandsstämme unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen – ob es ihnen gefiel oder nicht. Karl verlieh dem europäischen Viel­völkergebilde eine politische Struktur und schuf damit auch eine Grundlage für das spätere Reich der Deutschen.
    An dessen Anfang steht Otto I.: Unter seiner Herrschaft entwi­ckelte sich das Reichsgebiet zu einer Art „Dachverband der Deutschsprachigen.“ Von deutscher Einheit und Nation konnte noch lange nicht die Rede sein. „Heiliges Römisches Reich“ nannte sich das Imperium fortan, dessen Krone deutsche Kaiser fast 900 Jahre lang trugen. Die Menschen in der Mitte Europas konnten sich als Angehörige dieses Reiches fühlen – oder auch einfach als Bayern, Sachsen, Franken oder Schwaben.
    Clarks Suche nach dem, was die Nation eint, führt ihn schließlich auf die Spur jenes Mannes, der den Deutschen eine gemeinsame Sprache gab: Martin Luther wurde zur Identifikationsfigur, zu ei­ner Art „Popstar“ seiner Zeit. Er wetterte gegen das päpstliche Rom und appellierte an nationale Gefühle. Doch Luthers Refor­mation spaltete zugleich. Der Glaubensstreit führte später in den Dreißigjährigen Krieg, der das Land verwüstete und Deutschland zum Schlachtfeld Europas machte.
    Anders als zum Beispiel Briten und Franzosen gelang es den Deutschen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht, in einem geeinten Staat zu leben. Und ausgerechnet Napoleon katapultierte sie in ihr nationales Zeitalter, daran erinnert Christopher Clark am Brandenburger Tor, durch das auch der französische Kaiser marschierte. Der Versuch, auf deutschem Boden Einheit und Freiheit zu erreichen, scheiterte in der Revo­lution von 1848/​49. Clark setzt dies in Beziehung zur deutschen Einigung 1871, die schließlich von „oben“ kam, von den Mächti­gen, aber auch Zustimmung beim Volk fand.
    Wenige Jahrzehnte nach der Staatsgründung setzten kaiserliche Eliten das Einigungswerk wieder aufs Spiel. 1914 begann das militärische Ringen um die Vorherrschaft in Europa, in das die Mächte, so Clark, wie Schlafwandler hineintaumelten.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland von den Siegern geteilt. Nie wieder sollten von deutschem Boden Massenmord und Krieg ausgehen. Erst nach Jahrzehnten kam die Wiedervereini­gung – in der Erkenntnis, dass Deutschland und Europa nur in enger Bindung zueinander bestehen können. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.12.2014ZDF
  • Staffel 1, Folge 4 (45 Min.)
    „Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.“ Die ewige Suche nach den letzten Gründen, nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ – Goethes Faust brachte es als Symbolfigur für deutsches Streben nach dem Absoluten zu inter­nationalem Ruhm. Wäre da nicht der Pakt mit dem Teufel, die Verführbarkeit, wenn es darum geht, höchste Früchte vom Baum der Erkenntnis zu ernten.
    Warum gilt die Romantik als Wegbegleiter der Deutschen? Wa­rum haben letztlich Dichter und Denker die Nation der Deutschen erfunden? Und was ist dran am Begriff der Kulturnation? Diese Fragen begleiten Christopher Clark auf seiner Reise in der vierten Folge der „Deutschland-Saga“.
    An Schöpfergeist hat es hierzulande nie gemangelt. Deutschland brachte Komponisten hervor, die zeitlose Klangwelten schufen wie Bach, Beethoven oder Wagner. Forscher und Gelehrte wie die Brüder Humboldt wollten nicht nur die Welt erkunden, sondern den Menschen durch Bildung zu einem besseren Wesen machen. Was hat Philosophen wie Kant, Marx oder Nietzsche oder Adorno bewegt bei ihrer Reflexion und Kritik gesellschaftlicher Zustände?
    In dieser Folge der „Deutschland-Saga“ begegnet Christopher Clark so manchem großen Geist, auch solchen, die von „außen“ auf die Deutschen blickten, wie Mark Twain und Madame de Staël. Die französische Schriftstellerin, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts Deutschland bereiste und das Bild vom „Land der Dichter und Denker“ prägte, fiel zunächst das provinzielle Element des deutschen Genies auf. Schrullige Junggesellen waren darunter, die in ungeheizten Dachzimmern einer Kleinstadt die Welt aus den Angeln heben wollten. Carl Spitzweg und Wilhelm Busch haben solch kauzige Typen aus der deutschen Provinz später ironisch-bissige Bilder und Texte gewidmet.
    Ganz anders als in Frankreich, wo alles Bedeutende aus Paris kam, gab es in Deutschland eben kein kulturelles Zentrum, son­dern viele kleine. Ein Ergebnis der jahrhundertelangen politischen Zersplitterung Deutschlands, in der viele adlige Dynastien im Wettstreit standen. Daher die vielen Theater, Opernhäuser und Universitäten, von denen es hierzulande mehr gibt als anderswo in Europa.
    Dass viele Wege nach Weimar führen, weiß auch Christopher Clark. Es ist die Stadt der Dichter-Genies. Den einen, Friedrich Schiller, liebten die Deutschen schon zu Lebzeiten, den anderen, Johann Wolfgang von Goethe, achteten sie als Dichterfürsten. Mit seinem „Faust“ schuf Goethe einen literarischen Helden, der noch immer fasziniert. Am „Faustischen“, das rastlos nach dem Höchsten und Tiefsten im Menschen strebt, haben sich viele Au­toren bis hin zu Thomas Mann abgearbeitet. Die Nationalsozia­listen bedienten sich bei „Faust“ ebenso wie die marxistischen Vordenker der DDR. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.03.2015ZDF
  • Staffel 1, Folge 5 (45 Min.)
    Deutschland gilt als Land der Forscher, Tüftler und Erfinder, und wie eine Berufsempfehlung klingt immer noch der alte Spruch: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwer“. Auch Christopher Clark stellt in der fünften Folge der „Deutschland-Saga“ fest: Die Nachfolger Leonardo da Vincis müssen sich eindeutig weiter nördlich von dessen Heimat angesiedelt haben. Zumindest dieje­nigen, die dem Universalgelehrten der Renaissance auf dem Feld der „technischen Erfindungen“ nacheiferten. Schon der florentini­sche Alleskönner trug den Titel „Ingenarius“ und es sind vor allem Leistungen dieses Standes, die heute noch den Wirtschaftsstand­ort Deutschland prägen.
    Bei den Patenten teilen sich deutsche Wissenschaftler gegenwär­tig die ersten Plätze mit der Konkurrenz aus den USA und Japan. Hat das etwas mit Disziplin, Gründlichkeit und Präzision zu tun? Oder entwickelten sich im industriell einst etwas verspäteten Deutschland Strukturen, die das Handwerkliche begünstigten so­wie das Forschen um seiner selbst willen?
    Bei einem Streifzug durch die Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen führt Clark vor Augen, was die Welt deutschen „Superhirnen“ zu verdanken hat: ob Fahrrad, Auto, Dynamo oder Flugzeug. Mancher Pionier endete jedoch tragisch, wie Otto Lilienthal, der seinen Traum vom Fliegen mit dem Leben bezahlte.
    Deutschland – einig Autoland. Christopher Clark bereist es mit einem nostalgischen VW-Käfer-Cabrio. Karossen „Made in Ger­many“ haben den Weltmarkt erobert. Neben dem Volkswagen auch BMW, Audi und Daimler.
    Doch wo liegen die Anfänge? Christopher Clark wandelt auch auf den Spuren der Mobilität, die nicht erst mit Carl Friedrich Benz, dem Erfinder des modernen Automobils oder Ottos gleichnamigen Motor begann. 1813 baute Karl Drais seine erste vierrädrige Fahrmaschine, angetrieben mit den Füßen. In Erinnerung aber blieb der badische Forstmeister und passionierte Erfinder durch die von ihm entwickelte Laufmaschine, die als Draisine Berühmt­heit erlangte.
    Auch bei den großen Entwicklungen in der Kommunikationstech­nik, bei Telefon, Radio, Fernseher, Computer, standen Deutsche Pate. Physiker und Chemiker machten bahnbrechende Erfindun­gen – etwa bei der Quantenphysik oder der Kernspaltung – und waren deshalb lange führend bei der Zahl der Nobelpreise. Der Nationalsozialismus war auch hier eine Zäsur – brillante Forscher wie Albert Einstein, James Franck und Max Born wurden ins Exil getrieben. Andere fügten sich dem Willen und den Vorgaben des menschenverachtenden Regimes. Wernher von Braun baute für Hitler sogenannte „Vergeltungswaffen“, später als Staatsbürger der USA, verhalf er der Menschheit als einer der Väter der Mondrakete zu einer Sternstunde. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.03.2015ZDF
  • Staffel 1, Folge 6 (45 Min.)
    Sind es die „deutschen Tugenden“ wie Pünktlichkeit, Ordnung und Fleiß oder eher Eigenheiten wie das Abendbrot oder die Kehrwoche, die das Image der Deutschen prägen? Warum wähl­ten laut einer Umfrage der BBC im Jahr 2013 Menschen aus 25 verschiedenen Nationen Deutschland zum „beliebtesten Land der Welt“? Und wie erklärt es sich, dass nichtsdestotrotz Deutsche von Karikaturisten im Ausland immer wieder als wütender Aggressor mit Hitler-Bärtchen oder als vollbusige Germania mit Pickelhaube dargestellt werden?
    Bei der Frage nach den Selbst- und Fremdbildern trifft Christopher Clark auf viele amüsante, sehr unterschiedliche, manchmal widersprüchliche Befunde, aber auch auf Stereotype mit historischen Wurzeln. Zum Beispiel die vielzitierte „German Angst“, im Ausland häufig belächelt als Melancholie und Schwarzseherei der Deutschen. Dabei sehen Historiker und Psychologen ihre wahren Gründe in den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, die unsere Geschichte prägten – begin­nend mit dem Dreißigjährigen Krieg bis hin zu den beiden großen Weltenbränden des 20. Jahrhunderts.
    Auch andere „typisch deutsche“ Eigenschaften, wie die vielzitierte Sparsamkeit soll eine Folge von Krisenzeiten sein: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, heißt es in einem bekannten Sprichwort. Und bereits Martin Luther mahnte: „Der ersparte Pfennig ist redlicher als der erworbene!“ Christopher Clark wun­dert es daher nicht, dass viele Deutsche Zahncremetuben bis auf das letzte Milligramm ausquetschen, dass sie Lampen selten unachtsam brennen lassen, Strümpfe lieber stopfen als wegwer­fen und die Angebote der Supermarktwerbeblättchen studieren wie eine Bibel.
    Während die Landsleute im Ausland für eine stabile Wirtschaft und ein funktionierendes Steuer- und Sozialsystem bestaunt wer­den, löst ihr Eifer in Umweltdingen selbst bei Deutschlandfans wie Christopher Clark Rätselraten aus. Vor allem die Mülltrennung ist für Betrachter von außen ein Buch mit sieben Siegeln. Ein kom­pliziertes Pfandrückgabesystem macht die Verwirrung für so manchen Zeitgenossen perfekt.
    Clark begibt sich auch ins Reich der deutschen Schrebergärten, die „kleine, umzäunte Freiheit der Deutschen“, wie er es nennt. „Die Liebe der Deutschen zur Natur feiert hier fröhliche Urständ“. Doch auch hier habe „alles seine Ordnung – eben eine Garten-Ordnung: Rasen statt Wiese. Unkraut, schrecklich!“ Ein Wort übrigens, das es in anderen Sprachen so nicht gibt.
    Die Deutschen „entschlüpfen der Definition“, stellte einst der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche fest. Doch spätestens seit „die Welt“ bei der Fußball-WM 2006 „zu Gast bei Freunden“ war, hat sich das internationale Rätseln um die „unberechenbaren Deutschen“ merklich entspannt. Die Menschen hierzulande prä­sentierten sich – so manchem Vorurteil trotzend – als überaus gastfreundlich, feierlaunig und offen. „Die Deutschen von heute wollen eben in Eintracht mit ihren Nachbarn leben, nicht über und nicht unter andern Völkern“, lautet eine von Clarks Schlussfolge­rungen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.03.2015ZDF

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