„Ich habe noch keine Sirene gesehen“, sagt der 20-jährige Fabio am Strand von Neapel, „aber wenn, dann werde ich mir bestimmt nicht die Ohren mit Wachs verstopfen wie in der Legende.“ Der Mythos der Sirenen ist immer noch lebendig am Golf von Neapel. Der Sage nach trieben die singenden Meerjungfrauen hier ihr Unwesen. Ihrem Gesang konnte kein Seefahrer widerstehen, blind vor Liebe steuerten unzählige Seeleute ihre Schiffe gegen die tückischen Felsen und versanken. Nur dem griechischen Helden Odysseus gelang es, die verführerischen Sirenen zu überlisten. Bei einer Reise rund um den Golf von Neapel stößt man immer wieder auf höchst lebendige Zeugen der Verführungskraft dieser vielleicht schönsten Küste Italiens. So auf den Inseln Capri und Ischia, vor allem aber in Neapel selbst, der Hafenmetropole am Fuße
des Vesuvs. Schließlich geht die Gründung der Stadt direkt auf die Sirenenlegende zurück. Die erste Siedlung an diesem Ort trug den Namen einer der Sirenen, Parthenope. Ob sie sich nun stolz die Sirene auf ihren Körper tätowieren lassen oder einfach von der „amore frizzante“, der „prickelnden Liebe“, schwärmen – die Menschen der Region sind restlos verliebt in ihren neapolitanischen Golf. Und das, obwohl – oder weil – sich genau in der Mitte der Bucht ein Berg erhebt, der jeden Moment explodieren kann, der Vesuv. Zwar behaupten die Wissenschaftler des Vulkanobservatoriums von Neapel – des ältesten der Welt -, dass sie in der Lage sind, den Schlaf des Riesen gut zu überwachen. Aber dann sieht man doch erschrockene Gesichter, als es beim Routinedienst vor laufender Kamera plötzlich zu rumpeln beginnt. (Text: arte)