„tagesschau.de“: Gelöschte Dokumente wieder verfügbar

Anonyme Netzaktivisten retten gebührenfinanzierte Inhalte

Michael Brandes – 18.09.2010

"tagesschau.de": Gelöschte Dokumente wieder verfügbar – Anonyme Netzaktivisten retten gebührenfinanzierte Inhalte – Bild: NDR/ARD aktuell

Die in großem Umfang gelöschten Inhalte der ARD-Seite tagesschau.de sind mittlerweile im Internet wieder aufgetaucht. Die anonymen Betreiber von depub.org machen Inhalte aus den vergangenen zehn Jahren wieder zugänglich, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben gelöscht werden mussten.

Hintergrund ist der vom Gesetzgeber auferlegte Dreistufentest, mit dem die öffentlich-rechtlichen Sender ihre zukünftigen und bereits bestehenden Online-Angebote im Zeitraum von Juni 2009 bis August 2010 einer Prüfung unterziehen mussten. Private Verbände wie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sehen im öffentlich-rechtlichen Online-Angebot einen wirtschaftlichen Konkurrenzfaktor und fordern starke inhaltliche Einschränkungen.

In einer Art Selbstzensur mussten die ARD-Sender mehrere 100.000 Dokumente aus dem Internet entfernen. Betroffen ist ein breites Spektrum an Inhalten, das von Kochrezepten bis hin zu Dokumenten der ARD-Politmagazine und weiteren journalistisch anspruchsvollen Dokumenten reicht (fernsehserien.de berichtete). Auf Begeisterung trifft der Dreistufentest, der allein schon aufgrund des enormen finanziellen und bürokratischen Aufwands sehr umstritten ist, weder bei den öffentlich-rechtlichen noch den privaten Medien. Letzteren gehen die Selbstregulierungsmaßnahmen wegen des gefühlten Wettbewerbdrucks noch nicht weit genug.

Über die laut NDR-Recherche in Toronto registrierte Domain depub.org wurden bislang etwa 200.000 gelöschte Dateien von tagesschau.de wieder zugänglich gemacht. Die gelöschten Inhalte weiterer öffentlich-rechtlicher Medien sollen folgen: „Wir sind zuversichtlich, dass auch in den anderen Redaktionen Leute sitzen die nicht wollen, dass die Artikel aus dem Netz verschwinden“, heißt es in einer Stellungnahme der Betreiber. Die mit der Veröffentlichung verbundenen Urheberrechtsverletzungen seien in Kauf zu nehmen: „Wir sind uns bewusst, dass die Urheber- und Nutzungsrechte für die Artikel und für die Mediatheken beim jeweiligen Autor bzw. bei tagesschau.de liegen. Für uns ist die freie Verfügbarkeit gebührenfinanzierter Inhalte allerdings wichtiger.“

Die Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates, Dagmar Gräfin Kerssenbrock, begrüßt die Aktivitäten indirekt: „Depub.org ist ein Beispiel für die kreative Anarchie im Internet, das zeigt, wie unsinnig kleinteilige Regulierungsversuche im Netz sind. Es besteht offenkundig großes Interesse an den Inhalten informativer Webseiten wie tagesschau.de. Solange das so ist, wird es immer Menschen geben, die einen Weg finden, diese Inhalte auch verfügbar zu machen“. Die Webseite sei ein „Beleg für die Fragwürdigkeit des bürokratischen Monstrums Drei-Stufen-Test“.

Wie die Betreiber von depub.org an die Inhalte gekommen sind, entzieht sich der Kenntnis der „Tagesschau“-Redaktion: „Da es sich um bereits veröffentlichte Inhalte handelte und es technisch ohne größeren Aufwand zu bewerkstelligen ist, Webseiten zu speichern, geht tagesschau.de davon aus, dass dies geschehen ist, als die Inhalte noch öffentlich waren“, heißt es in einer NDR-Mitteilung.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Irgend ein paar Leute haben das senderintern gemacht, weil ihnen das entsprechende Gerichtsurteil weltfremd erschien!
    Hoffentlich werden sie nicht haftbar gemacht!
    • am via tvforen.de

      Bravo! Das dürfte den Zeitungsverleger-Lobbyisten wohl sauer aufstossen.
      • am via tvforen.de

        Finde ich gut, dass diese Dateien gerettet wurden / werden konnten.

        Unsinnig finde ich allerdings diese ganze Aktion. Als wäre da illegales Material gesammelt worden. Da gäbe es viel wichtigere Dinge im Web zu überprüfen.
        • am via tvforen.de

          SallySpectra schrieb:
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          > Finde ich gut, dass diese Dateien gerettet wurden
          > / werden konnten.
          >
          > Unsinnig finde ich allerdings diese ganze Aktion.
          > Als wäre da illegales Material gesammelt worden.
          > Da gäbe es viel wichtigere Dinge im Web zu
          > überprüfen.

          Du findest es gut und unsinng zu gleich? Bitte erkläre mir diesen Widerspruch oder kläre das Missverständnis auf. Danke.

          Ich finde es gut und wichtig und vor allem aber auch mutig. Wie anonym kann man denn im Netz wirklich sein? Man sollte die Medienlobby nicht unterschätzen. Dennoch begrüße ich das Ganze und wünsche viel Glück und Durchhaltungsvermögen.

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