Neuer Konfliktstoff: Streit um tagesschau.de

ARD und Zeitungsverleger gehen in die nächste Runde

Michael Brandes – 17.02.2010

Neuer Konfliktstoff: Streit um tagesschau.de – ARD und Zeitungsverleger gehen in die nächste Runde

Seit etlichen Wochen befindet sich die ARD im Dauerstreit mit den privaten Zeitungsverlegern. Stets geht es um die Frage, welche Mediendienste der Senderverbund außerhalb des TV-Bildschirms anbieten darf. Private Verbände, allen voran der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), sehen in den öffentlich-rechtlichen Bemühungen einen wirtschaftlichen Konkurrenzfaktor. Was bei „Bild“ & Co. zum Teil Geld kostet, gibt es bei der ARD umsonst (bzw. gebührenfinanziert).

Stress gab es zuletzt unter anderem nach der Ankündigung, eine „Tagesschau“-Applikation („App“) für das iPhone kostenfrei auf den Markt zu bringen (fernsehserien.de berichtete). Einige Medien nahmen jüngst einen KEF-Bericht, in dem die ARD zu weiteren Sparmaßnahmen aufgefordert wurde, zum Anlass, eine Generalabrechnung zu starten: „So werden unsere TV-Gebühren verpulvert“, titelte die „Bild“-Zeitung als Vorreiter. Die ARD hat sich der Schärfe der Diskussion mittlerweile angepasst und spricht von einer „interessensgesteuerten Skandalisierung“ (fernsehserien.de berichtete).

Neuer Streitpunkt in dieser Woche ist die Internetseite tagesschau.de, die nach einem Zwischenbericht zum aktuell laufenden Dreistufentest offenbar keinerlei Einschränkungen unterliegen soll. „Nach Abwägung aller Argumente neigt der NDR-Rundfunkrat der Auffassung zu, dass der qualitative publizistische Beitrag von Tagesschau.de die negativen Auswirkungen auf die Wettbewerber deutlich überwiegt“, zitierte „Spiegel Online“ aus einer Vorlage des Rats für andere ARD-Gremien. Die Internetseite soll demnach als „nichtsendungsbezogenes Telemedium“ genehmigt werden, wodurch einige im neuen Rundfunkstaatsvertrag vorgesehene Einschränkungen für öffentlich-rechtliche Internetangebote möglicherweise ausgeklammert werden. Nun hagelt es tägliche Pressemitteilungen aus beiden Lagern.

BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff sieht einen „absolut unglaublichen Vorgang“: „Wenn der NDR sich die Regulierungsvorschriften nach Lust und Laune zurechtbiegt, bis sie passen, ist dies auch eine Verhöhnung des Gesetzgebers“, so Wolff. Die Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates, Dagmar Gräfin Kerssenbrock, wies die Kritik zurück. Es handele sich nur um ein erstes Meinungsbild, das unter Beteiligung eines unabhängigen Gutachters erstellt worden sei. Erst im Laufe des Frühjahrs werde ausgewertet und eine abschließende Entscheidung des NDR-Rundfunkrates erfolgen. „Stellungnahmen, Bewertungen und Interpretationen zu internen Papieren des Rundfunkrates des NDR, die ausschließlich für die Beratungen in den anderen Rundfunkräten der ARD-Anstalten erstellt wurden, verurteile ich ausdrücklich“, so die Vorsitzende. Wer zu diesem Zeitpunkt interne Papiere kommentiere, „will Stimmung machen und muss sich nach seinen Motiven fragen lassen“.

Zu Wort meldete sich inzwischen auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), naturgemäß in Form scharfer Kritik. Das NDR-Positionspapier sei, so VPRT-Präsident Jürgen Doetz, „ein Relikt des kalten Medienkrieges“ und gehöre „ins Reich öffentlich-rechtlicher Wunschträume und Fantasien“. Er apellierte an die übrigen ARD-Gremien und deren Rechtsaufsicht, „diesen medienpolitischen Irrläufer aus dem Norden zu stoppen.“

Einen Appell richtete nun auch NDR-Intendant Lutz Marmor an die Gegenseite: Die Verbände sollen bei der Diskussion „ein Mindestmaß an Sachlichkeit und Fairness“ walten lassen: „Wir halten uns strikt an das von dem Gesetzgeber vorgesehene Verfahren, das derzeit läuft. Mir steht es nicht zu, irgendetwas zu kommentieren, das der Rundfunkrat gerade behandelt“. Das Angebot tagesschau.de habe in den 14 Jahren seiner Existenz keineswegs die Erfolge privater Anbieter verhindert. Das Gegenteil sei der Fall: „Der Markt hat sich da durchaus entwickelt.“ Die Kundschaft sieht Marmor ohnehin auf der ARD-Seite: „Ich glaube, dass die Gebührenzahler alles andere als erfreut wären, wenn wir erhebliche Teile dieses Angebots aus dem Netz nehmen müssten.“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Na der VPRT würde die öffentlich-rechtlichen ja am liebsten abschaffen
    • am via tvforen.de

      Bevor es jetzt wieder losgeht mit den Vorwürfen es würden Milliarden verprasst und die arme Privatwirtschaft die heldenhaft trotz ÖRR überlebt pathetisch überhöht wird und bevor hier die Idee aufkommt Grundversorgung bedeute heutzutage außer für die Tagesschau den Sendebetrieb einzustellen im Ersten überlegt doch mal wie eindeutig die Interessen der Privaten sind, die wollen auch nur Geld, allerdings sind die Summen des ÖRR ein Witz dagegen, denn für HD, "Apps", Abos und Spartenkanäle zahlt man bei den Privaten deutlich mehr, letzlich träumen diese Sender auch nur von einer Art Zwangsabo, was sie so durch die Hintertür durchsetzen wollen, zusätzlich zu ihren Werbeeinnahmen.
      • am via tvforen.de

        Immer wieder erstaunlich, wie erleichternd Satzzeichen sein können - wenn man sie verwendet.

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