Michael Jacksons ‚Leibarzt‘ vor Gericht: Justizthriller als Quotenflop?

Der ‚Jahrhundertprozess‘ auf HLN

Jutta Zniva – 03.10.2011, 17:57 Uhr

Michael Jacksons 'Leibarzt' vor Gericht: Justizthriller als Quotenflop? – Der 'Jahrhundertprozess' auf HLN – Bild: HLN-Screenshot

Unter weltweit enormem öffentlichen Interesse hat vergangene Woche in Los Angeles der Prozess gegen Michael Jacksons „Leibarzt“ Dr. Conrad Murray begonnen. Der 58-jährige Kardiologe ist der fahrlässigen Tötung des 2009 verstorbenen King of Pop angeklagt. US-Nachrichtensender und Medienportale zeigten die ersten Live-Bilder aus dem Gerichtssaal, und der Sender HLN, der im Juni mit der Übertragung des gesamten Casey-Anthony-Mordprozesses die besten Quoten seiner immerhin 29-jährigen Geschichte einfuhr, machte den Prozess zu seinem Schwerpunkt und überträgt die Gerichtsverhandlung auch in den kommenden vier Wochen in voller Länge. Nach dem aufsehenerregenden Auftakt scheint sich der Justiz-Thriller samt dem dazugehörigen Begleitpogramm für HLN allerdings nicht zum erhofften Straßenfeger zu entwickeln. Trotz prominenter „Besetzung“.

Der Kabelsender HNL (Headline News), ein CNN-Ableger, hatte im Vorfeld von einem „Jahrhundertprozess“ gesprochen und sich mit der Übertragung des gesamten Verfahrens „People of the State of California v. Conrad Robert Murray“ wohl einen Quotenknüller wie den O.J.-Simpson-Prozess in den 90ern auf Court TV erhofft.

Die Hoffnung war nicht ganz unberechtigt: Bereits mit der Live-Übertragung des hohe Wellen schlagenden Prozesses gegen die des Mordes an ihrer zweijährigen Tochter angeklagte US-Amerikanerin Casey Anthony konnte HLN seine Quoten im Juni 2011 verdoppeln, in der Primetime sogar verdreifachen und bei der Verkündung des Urteils um satte 1700 Prozent (!) steigern: 5,2 Millionen Zuschauer schalteten ein, als die Angeklagte von den Geschworenen – zur Überraschung aller, nicht zuletzt auch jener der Kommentatoren des Senders HNL – freigesprochen wurde.

Im Gegensatz zum HLN-Quotenhit „Casey Anthony“ ist der aktuelle Gerichtsthriller sogar noch extrem prominent „besetzt“. Zwar nicht in Form des angeklagten Dr. Murray, aber umso mehr mit jener Person, die an den Folgen einer Überdosis des Narkosemittels Propofol gestorben ist: mit dem toten Michael Jackson.

Der verstorbene Pop-Gigant war es auch, der den Prozessauftakt am 27. September tatsächlich spektakulär machte: Die PowerPoint-Präsentation, mit der Staatsanwalt David Walgren die Anklagepunkte während seines Eröffnungsplädoyers hinterlegt hatte, zeigte mehrmals Michael Jacksons Leiche als Hintergrundbild. Angesichts des Fotos des Toten herrschte in dem für die Präsentation abgedunkelten Gerichtssaal spürbare Bestürzung, die sich nicht zuletzt auch auf den Gesichtern von Conrad Murrays Verteidigern widerspiegelte. Auch der zweite Überraschungs-Coup der Staatsanwaltschaft – die Audio-Aufnahme eines eindeutig unter Medikamenteneinfluss stehenden Michael Jackson – sorgte für Aufregung und wurde auf YouTube rasch zum (tragischerweise) letzten „Hit“ des King of Pop, dem wahren „This Is It“.

Trotz des spektakulären Auftaktes blieben die Quoten auf HLN in der ersten Verhandlungswoche mit durchschnittlich nur 281.000 Zuschauern (satte 40 Prozent weniger als in den ersten Tagen des bereits legendären Casey-Anthony-Prozesses) weit unter dem erhofften Schnitt: Der angekündigte Jahrhundertprozess, vom Sender als „gigantischer Deal“ eingeschätzt, entwickelt sich also, wie die „Los Angeles Times“ schreibt, im Fernsehen „nicht einmal zum Prozess des Jahres“.

Die zweite Prozesswoche beginnt heute, 3. Oktober, mit der Vernehmung von Sade Anding – jener Freundin von Dr. Conrad Murray, die gerade mit dem Arzt telefoniert hatte, als Michael Jacksons Zustand sich verschlechterte und Murray den Hörer auf den Boden fallen ließ. Der HLN-Live-Stream ist hier zu sehen: http:/​/​www.rentadrone.org/​hln-live-stream-feed/​.

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