Die Liebe in mir

Zufällig läuft der Zahnarzt Alan Johnson einem alten Mitbewohner aus der früheren Wohngemeinschaft und Kommilitonen der Zahnmedizin über den Weg: Charlie Fineman . Dieser kann sich anfänglich nicht an Alan erinnern und ist selbst nicht wiederzuerkennen: Der einst gesellige, lebensfreudige Charlie wirkt verlottert und rollt ziellos auf einem motorisierten Trottinett durch die Strassen Manhattans. Mit Kopfhörern und der Musik seiner Jugend hält er sich die Aussenwelt vom Leib. Ist er einmal zu Hause, verliert Charlie sich im Videospiel «Shadow of the Colossus».

Alan wird bewusst, dass sein alter Freund selbst im Schatten eines Kolosses vegetiert, dass ihn ein erdrückendes Trauma zum Einsiedler in einer Metropole gemacht hat. Der Zahnarzt, der trotz seines beruflichen Erfolges und seiner Familie selbst in einer Krise steckt, nutzt nur zu gerne die Gelegenheit, sich von seinen eigenen Sorgen abzulenken. Die alten Freunde finden zögerlich zueinander, und endlich gelingt es Charlie, begleitet von der geduldigen Psychologin Angela , über das schreckliche Ereignis zu sprechen, das sein Leben in Trümmer legte.

Ein Film zu 9/​11 mit dem Blödelkomiker Adam Sandler in der Hauptrolle – der vermeintlich geschmacklose Scherz entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als gelungener, stimmig besetzter Versuch, sich mit dem persönlichem Leid nach dem Terroranschlag in New York auseinanderzusetzen. Hatte Sandler schon in P.T. Andersons skurrilem Liebesfilm «Punch-Drunk Love» unerwartete Facetten gezeigt, so glänzt er in dem nach einem Song von The Who benannten Drama «Reign Over Me» in einer Rolle, die man ihm nicht zugetraut hätte. Autor und Regisseur Mike Binder («The Upside of Anger») verschafft seiner starken Besetzung den Raum, ihre Figuren zu entwickeln und deren Geheimnisse bedachtsam preiszugeben. Nach dem Überlebenskampf in Oliver Stones «World Trade Center» und dem Doku-Thriller «United 93» nähert Mike Binder sich dem Terroranschlag mit den Mitteln des Dramas, einem sorgfältig inszenierten Film um die heilende Kraft der Freundschaft. (Text: SRF)