Fahrten ins Ungewisse Folge 3: 31 Stunden Hölle auf der „Deutschland“
Folge 3
3. 31 Stunden Hölle auf der „Deutschland“
Folge 3 (45 Min.)
Am 4. Dezember 1875 legt der deutsche Dampfsegler „Deutschland“ in Bremerhaven ab und nimmt Kurs auf New York. Mit an Bord sind zahlreiche Auswanderer, amerikanische Touristen und Kaufleute mit Waren für die Weltausstellung in Baltimore. Das Kommando führt der erfahrene Kapitän Eduard Brickenstein, der das Schiff erst wenige Tage zuvor übernommen hat. Schon 48 Stunden später, am 6. Dezember, gerät die „Deutschland“ vor der Ostküste Englands in einen Sturm der Windstärke 10. Heftiges Schneetreiben und die aufgepeitschte See behindern die Sicht. Brickenstein lässt umgehend den Ausguck verdoppeln und per Lotblei die Meerestiefe messen. Als plötzlich an Backbord aus dem Dunkel ein Licht aufblitzt, befiehlt der Kapitän halbe Kraft voraus und korrigiert den Kurs. Eine fatale Entscheidung, denn in diesem Moment läuft der Dampfer in der Höhe des Themse-Deltas auf eine Sandbank. Der Kapitän unternimmt verzweifelte Manöver, das Schlimmste abzuwenden, doch die Aktionen bleiben ohne Erfolg. Von den 230 Menschen an Bord lassen 57 ihr Leben in den eisigen Fluten des Atlantiks. Erst am 7. Dezember 1875 kann ein Radschlepper die 173 Überlebenden in Sicherheit bringen, die schwer beschädigte „Deutschland“ versinkt im Meer. In Ermangelung einer
deutschen Seegerichtsbarkeit wird Kapitän Eduard Brickenstein von der königlichen Admiralität in England der Prozess gemacht. Nach Paragraph 326 lautet die Anklage auf fahrlässige, beziehungsweise vorsätzliche Tötung in 57 Fällen. Das Verfahren löst im Deutschen Reich Empörung aus. Die Presse mutmaßt über die späte Rettungsaktion und behauptet, dass die englische Küstenbevölkerung das Schiff ungestört plündern wollte. Es kommt zu Spannungen und sogar Kriegsdrohungen, die erst mit dem Freispruch Brickensteins enden. Obwohl dem Kapitän keine Schuld nachgewiesen werden kann und die Norddeutsche Lloyd Reederei den routinierten Seemann erneut einsetzt, zieht sich Eduard Brickenstein aus dem Geschäft zurück. Statt die Meere zu bereisen, handelt er fortan mit Kohlen. 130 Jahre nach der Katastrophe bemüht sich ein Team aus Unterwasser-Archäologen, das Wrack der „Deutschland“ in den Untiefen des Ärmelkanals zu orten. Die Forscher wollen dem Fall auf den Grund gehen und die Ereignisse jener Dezembernacht rekonstruieren. Die Dokumentation erzählt in einem ausgewogenen Verhältnis von Reenactments, historischen Bildern und aktuellen Aufnahmen die dramatische Geschichte eines Untergangs, der eine einschneidende Veränderung in der deutschen Seefahrt bewirkte. (Text: zdf_neo)