Der Ladogasee im Norden Russlands ist für viele ein Ort zum Träumen. Der größte See Europas ist Rückzugsort reicher Geschäftsleute, ein Ruhepunkt für kleine Datschenbesitzer und Schauplatz sommerlicher Vergnügungen. Wenn der Frühling beginnt, entfliehen viele Städter aus dem nahen St. Petersburg ihrer engen Kommunalka, der Gemeinschaftswohnung, in der sich fünf Familien fünf Zimmer, Küche und Klo teilen. Sie ziehen dann auf ihre Datscha am Ladogasee, pflanzen Kartoffeln und Gemüse, angeln Fische, baden und genießen die Ursprünglichkeit und die Natur am See. Die reichen Russen, die „Businessmeni“, fliegen per Hubschrauber zu ihren neu gebauten Anwesen und fahren auf der Suche nach Ruhe und Erholung auf ihren Yachten hinaus auf den See. Mitten im Ladogasee liegt auf einer Insel das Kloster Walaam, wo 120
Mönche leben. Die 20-jährige Xenia fährt jeden Sommer mit dem Klosterschiff „Heiliger Nikolai“ zur Insel. Schlicht und karg sind Verpflegung und Unterkunft: eine Liege im Gemeinschaftsraum, zwei warme Mahlzeiten gegen Mitarbeit im Klostergarten, nur unterbrochen von Gottesdiensten und Gebet. Manchmal ist die Insel auch abgeschnitten vom Festland: Wenn es stürmt und die Wellen sich bis sechs Meter hoch auftürmen, dann fahren kein Schiff und kein Fischerboot mehr hinaus auf den See. Dann heizen die Datschenbesitzer ihre Sauna auf hundert Grad, schlagen sich mit Birkenzweigen, bis sie rot wie ein Krebs sind. Danach stürzen sie sich dampfend in den See, um anschließend einen salzigen Trockenfisch zu vertilgen, der mit eiskaltem Wodka heruntergespült wird. Am Ladogasee ist Platz für viele russische Sommerträume. (Text: mdr)