Danke „HalliGalli“! – Eine der letzten TV-Spielwiesen verabschiedet sich

Rückblick auf die Erfolgsgeschichte von Joko und Klaas

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 20.06.2017, 14:00 Uhr

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Circus HalliGalli – Angekommen im Mainstream?


ProSieben

Schon während ihrer Zeit bei ZDFneo schnupperten Joko und Klaas parallel erste Luft im großen Privatfernsehen. Bereits 2010 waren sie mit ihrer ersten gemeinsamen Sendung „Ahnungslos“ auf ProSieben zu sehen – eine relativ belanglose Versteckte-Kamera-Show und obendrein Aufguss eines früheren Mario-Barth-Formats. 2011 folgten mit „17 Meter“ und „Die Rechnung geht auf uns!“ die ersten Samstagabendshows des Duos, bevor 2012 die bis heute erfolgreiche Sendung „Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt“ an den Start ging. Am 25. Februar 2013 und somit nur einen Monat nach dem Ende von „neoParadise“ kam es schließlich zum endgültigen Wechsel und zur Bewährungsprobe: Ist der Humor von Joko und Klaas, der in der Nische funktionierte, auch massentauglich?

In den ersten Jahren der „zweitbesten Sendung der Welt“ gelang dies durchaus. Erfolgreich etablierte Rubriken wurden mit frischen Ideen zu einer originellen Show verknüpft, die nun aus einem deutlich größeren, an eine Zirkusarena erinnernden Studio mit mehreren Zuschauerblöcken kam. „Festlich inszenierter Trash“ und „substanzieller Schwachsinn“ bildeten weiterhin das Grundgerüst der Sendung. Neu eingeführt wurde der sogenannte Countdown-Moment. Hierbei handelte es sich um (teilweise böse) Überraschungen, die von dem Team der Sendung inszeniert wurden und von denen Joko und Klaas meist nichts wussten. Schon in den zweiten Ausgabe wurden die Nerven der Zuschauer strapaziert, als sie Zeuge einer absurden Performance wurden, bei der ein Künstler im Walrosskostüm und mit nacktem Hintern auf der Bühne robbte. „Aushalten“ und die wieder zurück in „Wenn ich du wäre“ umbenannte Duell-Rubrik wurden fortgeführt. Oma Violetta, Olli Schulz und Palina Rojinski, die mit „Got to Dance“, „The Big Surprise“ und „Inside – Unterwegs mit Palina“ eigene Formate bei ProSieben erhielt, bereicherten die Show mit Auftritten und Einspielfilmen. Putzfrau Sabine übernahm später den Platz von Oma Violetta, die Mitte 2015 die Show verließ.

ProSieben
Dank der größeren Reichweite des Senders ProSieben begrüßten Joko und Klaas nun immer häufiger Showgrößen aus Hollywood – sowohl auf der Couch als auch im fiktiven Showkeller (in Anlehnung an die Interviews in der Kiste bei „MTV Home“). Beibehalten wurden auch die Hausbands, die wieder ihre kurzen Auftritte vor und nach Werbepause hatten, bevor sie zurück in die „Telefonzelle“ mussten. Pro Show gab es weiterhin einen großen Musikauftritt etablierter Bands – Joko und Klaas mussten auch bei ProSieben keine Rücksicht darauf nehmen, ob die Musik dem Geschmack eines Mainstream-Publikums entsprach und verhalfen zahlreichen Independent-Gruppen zu Auftritten. Für diese Tatsache erhielt „Circus HalliGalli“ 2014 den „Echo“ als „Partner des Jahres“.

Und dennoch unterschied sich „Circus HalliGalli“ von seinen Vorgängern: Konnte man bei ZDFneo in den einzelnen Rubriken noch regelmäßig Anspielungen auf die Popkultur entdecken, wich dies bei ProSieben zunehmend anarchischem Brachialhumor, ohne dass weiter versucht wurde, den diversen Aktionen einen pseudo-intellektuellen Rahmen zu verleihen. Rubriken wie „Aushalten: Nicht lachen“ oder „Bei Anruf Udo“ waren durchaus lustig – wären aber ohne Weiteres auch in belanglosen RTL-Comedyshows denkbar gewesen. Gerade in den letzten Staffeln der Sendung griff man etwas zu häufig auf die immer gleichen Rubriken zurück, während frische Ideen Mangelware wurden. Zudem wirkten die Duelle und Wortgefechte zwischen den beiden Kontrahenten immer öfter nicht mehr authentisch, sondern inszeniert. Wohl auch aus diesem Grund kündigten Joko und Klaas Anfang 2017 an, ihre wöchentliche Show nach viereinhalb Jahren und 136 Folgen zu beenden.

Letztendlich überwiegt allerdings der positive Gesamteindruck: „Circus HalliGalli“ erwies sich als Werkstatt für potenzielle neue TV-Shows. So wurde etwa die Rubrik „Mein bester Feind“ als Samstagabendshow ausgekoppelt und auch die Quizpokerrunde „Das Duell um die Geld“ feierte ihre Premiere innerhalb von „HalliGalli“. Originelle Rubriken wie die „Goodnight Show“ machten „Circus HalliGalli“ auch in der späteren Phase immer wieder sehenswert. Mit dem „Goldenen Umberto“ wurde gar ein eigener Preis ins Leben gerufen, der von Joko und Klaas für skurrile Auftritte in der Öffentlichkeit verliehen wurde. „Circus HalliGalli“ selbst gewann zahlreiche renommierte Auszeichnungen wie die Rose d’Or und den „Grimme-Preis“. Und nicht zuletzt setzte sich das Duo mit dem spektakulären Auftritt des falschen Ryan Gosling bei der „Goldenen Kamera“ endgültig ein TV-Denkmal.

Joko und Klaas machten nicht nur das Pups-Spray salonfähig, sondern etablierten von „MTV Home“ bis „Circus HalliGalli“ auch die alljährliche Weihnachtsprügelei. Bedauernswert ist, dass das Ende der Show gleichzeitig bedeutet, Abschied von einer liebgewonnenen Showfamilie zu nehmen, zu der neben Palina Rojinski, Olli Schulz, Oma Violetta und Putzfrau Sabine auch Udo Walz, Evil Jared Hasselhoff, Matthias Schweighöfer, Oliver Kalkofe, H.P. Baxxter, Sido und natürlich Frank Tonmann gehörten.

Wirklich massentauglich war „Circus HalliGalli“ zumindest aus Quotensicht übrigens nie – in seinen besten Zeiten erreichte das Format rund eine Million Zuschauer. Trotz einer großen Fanbase im Internet hatte die Show zunehmend mit Quotenverlusten zu kämpfen. Einstellige Zielgruppen-Marktanteile waren irgendwann nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Doch Quoten sind schlichtweg nicht alles: Joko und Klaas haben in den letzten Jahren bewiesen, dass es auch in Zeiten durchformatierter TV-Shows immer noch möglich ist, mit Herz und Leidenschaft Fernsehen zu machen. Das will das Duo auch Zukunft tun – nur eben nicht mehr in der bisherigen Schlagzahl. Joko und Klaas bleiben ProSieben weiterhin erhalten und dürfen sich hoffentlich weiterhin kreativ austoben. Doch bis hierhin erst einmal ein großes DANKE!

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Ich bin mit Circus Halligalli eingestiegen und habe von den Shows keine einzige verpasst. Mir hat die Sendung wahnsinnigen Spaß gemacht. Ich musste irgendwann aufhören, die aufgenommene Sendung (ich schaue kaum noch Live-TV) in der Ubahn anzugucken, weil ich andauernd laut loslachen musste. Und so etwas empfinde ich als sehr selten im Fernsehen, dass man nicht nur schmunzeln oder lächeln, sondern wirklich laut und unvermittelt lachen muss.

    Allerdings ist auch mir mit der Zeit aufgefallen, wie die Sachen in der Show immer mehr inszeniert und gefaked gewirkt haben. Lustig waren sie trotzdem, aber bei Joko und Klaas sollte man mittlerweile nie einfach blind glauben, dass das was man gerade sieht tatsächlich so ehrlich und echt ist, wie es präsentiert wird.

    Zudem ist mir aufgefallen, dass die beiden keine kompetenten Moderatoren sind, wie es frühere Showgrößen aus dem letzten Jahrhundert waren. Man merkt, dass die beiden komplett ferngesteuert sind, aus der Regie über ihren Knopf im Ohr. Die machen einfach genau dann genau das, was man von ihnen verlangt.
    Gut, das mag jetzt vielleicht weniger den beiden anzulasten sein als der generellen Entwicklung im Show-Business. Aber als vor einigen Wochen Thomas Gottschalk zu Gast war, hat man gemerkt was für ein gigantischer Unterschied da herrscht. Von Gottschalk mag man halten was man will, aber eines kann er definitiv: Spontan für Unterhaltung sorgen, eine Sendung am Laufen halten und jederzeit professionell und selbstbewusst moderieren. Ein Klaas und insbesondere ein Joko hingegen sind sofort überfordert, wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant.

    Mir wird die Sendung fehlen.
    • am via tvforen.de

      Ich werde Circus Halligalli sehr vermissen!
      Gut, man merkte schon, das ihnen langsam die Ideen ausgingen und ich hätte, statt der Absetzung, erstmal den Senderythmus verändert, vielleicht nur noch alle 2 Wochen.
      Aber Abnutzungserscheinungen waren deutlich zu bemerken.
      Es ist auch schon ein schlechtes Zeichen für eine Show, wenn der Vorspann samt Musik geändert wird und dann so pseudocool rüberkommen soll.

      Haupsache, Joko und Klaas bleiben uns erhalten mit gelegentlichen Duellen um die Welt, Mein bester Fein, der besten Show der Welt, usw.

      Snake

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