Eckart von Hirschhausen: „Die nächsten zehn Jahre entscheiden darüber, wie die nächsten 10.000 Jahre für unsere Zivilisation werden“

Interview über Klimakrise, öffentlich-rechtliche Unterhaltung und Depression als Tabuthema

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 06.05.2022, 11:00 Uhr

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(v. l.) Smudo, Judith Williams und Samuel Koch sind am Samstag bei „Hirschhausens Quiz des Menschen“ dabei. WDR/​Ben Knabe

fernsehserien.de: Derzeit steht in der Kritik, inwiefern der öffentlich-rechtliche Auftrag auch Unterhaltungsformate beinhalten soll. Weshalb sind Ihrer Ansicht nach Shows wie „Hirschhausens Quiz des Menschen“ und „Frag doch mal die Maus“ wertvoll für das Angebot?

Eckart von Hirschhausen: Viele Unterhaltungsshows sind Lizenzformate aus dem Ausland. Die beiden Sendungen, die ich moderieren darf, sind echte Eigengewächse. „Hirschhausens Quiz des Menschen“ beruht im Kern auf meinem Bühnenprogramm und den Bestsellern, womit ich seit 25 Jahren zeige, dass Medizin unterhaltsam vermittelt werden kann. Meines Wissens gibt es so ein Format nirgendwo sonst auf der Welt in der Primetime am Samstagabend. Ich würde mir wünschen, dass wir uns in der ARD selbstbewusster für den Beitrag zur Gesundheitskompetenz und den großen Fragen des Lebens aufstellen, statt nur auf Quoten zu starren. Deshalb freue ich mich, dass mit „Wissen vor acht – Erde“ jetzt vor der „Tagesschau“ ein Format entstanden ist, in dem ich jeden Mittwoch zeigen darf, wie eng unsere menschliche Gesundheit von der Gesundheit des Planeten abhängt.

In den vergangenen Jahren haben Sie für die ARD auch diverse „Hirschhausen …“-Reportagen gedreht. Sie waren schon im Altenheim, im Hospiz und im Knast – und während der Corona-Pandemie haben Sie eine Intensivstation besucht und über Impfstoffe aufgeklärt. Warum war es Ihnen wichtig, auch diese reportageartigen Produktionen zu drehen, die einen deutlich ernsteren Ton anschlagen als Ihre Showformate?

Eckart von Hirschhausen: Seit 30 Jahren mache ich Medizin und Unterhaltung. Die Welt ist nicht mehr wie vor 30 Jahren, warum sollte ich mich nicht auch weiterentwickeln? Auf die letzte Doku über Long-Covid haben wir unfassbar viel positive Resonanz bekommen. Gerade weil ich das Gesundheitswesen von innen kenne, kann und will ich zu den aktuellen Themen auch ernsthafte Beiträge liefern. Das Leid der Menschen, die eben nicht wieder genesen, sondern dauerhaft geschädigt sind durch die Pandemie, ist groß und viel zu selten Thema. Deshalb drehen wir gerade eine zweite Doku über die Behandlungserfolge bei Long-Covid, die hoffentlich ebenfalls positive Impulse setzen kann, für die Patient:innen, die Angehörigen wie auch für die Wissenschaft und Politik.

Für die Reportage „Hirschhausen – Corona ohne Ende?“ verbrachte Eckart von Hirschhausen zwei Tage in einer spezialisierten Corona-Reha-Klinik in Heiligendamm. WDR/​Bilderfest

Sie engagieren sich aktiv für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik, sind Teil der Bewegung „Scientists for Future“ und haben 2020 die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Schritte, um der Klimakrise richtig zu begegnen? Wie kann jeder Einzelne seinen Beitrag dazu leisten?

Eckart von Hirschhausen: Die nächsten zehn Jahre entscheiden darüber, wie die nächsten 10.000 Jahre für unsere Zivilisation werden. Wir haben alles zu verlieren. Und deshalb ganz viel zu gewinnen. Wir können es schöner haben als jetzt – und gesünder! Rad statt Auto, Zug statt Flugzeug und Gemüse statt Fleisch. Und vor allem Geld fair anlegen, Gebäude energetisch bauen und sanieren und sich in die Politik einmischen. Aber: Der Einzelne hat die größte Wirkung, wenn er kein Einzelner bleibt! Kollektives Handeln führt eher zu Ergebnissen. Heißt: Machen Sie sich schlau, finden Sie Verbündete. In meinem Buch „Mensch, Erde!“ beschreibe ich die „Wen bewegst du“-Challenge. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt. Die konkrete Frage, die sich jeder stellen kann, lautet also: An wen komme ich heran, der ein bisschen mehr Möglichkeiten hat, etwas zu ändern, als ich es mir selbst gerade zutraue? Mit meiner Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ zeigen wir in positiven Zukunftsentwürfen auf, wie wir mit nachhaltigeren Lebensmodellen Erde und Menschen gesund halten können. Denn: Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.

Ihre Karriere verlief sehr außergewöhnlich. Sie sind promovierter Arzt und hätten auch weiter praktizieren können. Stattdessen zog es Sie in die Unterhaltungswelt, zunächst als Zauberkünstler, anschließend als Kabarettist und schließlich als Fernsehmoderator. War die Bühne schon früh ein heimlicher Traum von Ihnen?

Eckart von Hirschhausen: Lange habe ich ja beide Welten parallel bedient: Tagsüber war ich in der Klinik, abends stand ich auf der Bühne. Beides hat mir viel Freude gemacht, aber je mehr ich über die Defizite im Gesundheitswesen lernte, merkte ich: Den größten Hebel habe ich durch humorvolle Weiterbildung und die Kombination meiner Stärken. Wenn ich an einem Abend 2.000 Menschen etwas hoffentlich Substantielles über Medizin und Psychologie näherbringe, hätte ich dafür in der Klinik über zehn Jahre gebraucht. So gesehen habe ich nie den Beruf gewechselt, sondern nur den Spielort.

Seit 2010 moderiert Eckart von Hirschhausen „Frag doch mal die Maus“. WDR/​Ben Knabe/​Trickstudio Lutterbeck

Anfang des Jahres wurden Sie zum Honorarprofessor an der Universität in Marburg ernannt. Welche Bedeutung hat diese neue Aufgabe für Sie und auf welche Themengebiete spezialisieren Sie sich?

Eckart von Hirschhausen: Die Honorarprofessur an der Uni Marburg ist mir eine sehr große Ehre. An die Medizinstudierenden möchte ich in meinen Vorlesungen gerne das weitergeben, was ich selber dort nie gehört habe. Meine Themen sind „Sprache in der Medizin“ und „Klimawandel und Medizin“. Die Klimakrise ist die größte Gesundheitsgefahr, die wir im 21. Jahrhundert haben. Sie bedroht massiv unsere Gesundheit, weltweit und eben auch in Deutschland. Hier erleben wir ja gerade die letzten drei Jahre enorme Hitzewellen, das Hitzejahr 2018 forderte 20.000 Tote in Deutschland – eine Dürre, wie es sie nachweislich seit über 2.000 Jahren nicht gab. Und die Erderwärmung bringt noch weitere gesundheitliche Probleme mit sich: Mücken kommen als blinde Passagiere mit Autos und Lastwagen aus dem Süden – und sie können Viren und Krankheiten übertragen, die wir bei uns noch nicht hatten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Und gegen die Hitze. In meiner Ausbildung zum Arzt spielte das Thema Klimawandel überhaupt keine Rolle. Wir lernten etwas über Tropenkrankheiten wie das West-Nil-Fieber, aber keiner hat uns darauf vorbereitet, dass wir das jemals in echt diagnostizieren würden – vor unserer Haustür. Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns!

Gibt es im Fernsehen noch einen unerfüllten Wunsch, den Sie sich gerne noch erfüllen möchten – irgendein Projekt, das Ihnen am Herzen liegt?

Eckart von Hirschhausen: Als ich den „Tagesthemen“-Kommentar zum Bericht des Weltklimarates sprechen durfte, war ich für 59 Sekunden schon sehr nah dran (lacht).

Vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute!

WDR/​Max Kohr

Am kommenden Samstag, 7. Mai, steht die nächste Ausgabe von „Hirschhausens Quiz des Menschen“ auf dem Programm, 20:15 Uhr, WDR für Das Erste.

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Schon interessant, wie man sich alles schön reden kann! (s.Kommentare unten)
    Nur, um nicht zugeben zu müssen, dass wir jahrzehntelang auf Kosten des Planeten gelebt haben...
    • (geb. 1980) am

      Dann spare Strom und schalt Dein Internet ab.
      Btw. dadurch das wir „auf Kosten des Planeten gelebt haben“ wurden viele Krankheiten ausgerottet, der Hunger weiter verringert und vielen geht es auch in Teilen der Welt besser, die vor 50 Jahren noch von Wasser und Dreck lebten.
  • (geb. 1980) am

    Wir müssen Energie sparen. Ok, fangen wir an. ÖR auf 10 Stunden am Tag reduzieren. Das Quiz von Hr. Hirschhausen entfällt ersatzlos. Somit auch diese Einnahmequelle für ihn.
    Ahh, ok. Ich verstehe, nur der Pöbel soll sich einschränken…
    • am via tvforen.de

      A) Hirschhausen erklärt, warum

      '"Hirschhausens Quiz des Menschen" wertvoll für das öffentlich-rechtliche Angebot sind.'

      Aha... na, dann gibts ja wenigstens einen, der das weiß...


      B) "Die nächsten zehn Jahre entscheiden darüber, wie die nächsten 10.000 Jahre für unsere Zivilisation werden"...????????????

      Eckart, ich kenn dich nicht persönlich, aber egal was es ist - nimm es nicht mehr! Setz es ab - sofort!
      • am via tvforen.de

        Plumpaquatsch schrieb:
        -------------------------------------------------------
        > B) "Die nächsten zehn Jahre entscheiden darüber,
        > wie die nächsten 10.000 Jahre für unsere
        > Zivilisation werden"...????????????
        >
        > Eckart, ich kenn dich nicht persönlich, aber egal
        > was es ist - nimm es nicht mehr! Setz es ab -
        > sofort!

        Nun ja, eigentlich ist das nichts anderes als der Schmetterlingseffekt. Kleine Entscheidungen können Kettenreaktionen auslösen, die dann in der Zukunft zu den unterschiedlichsten Ereignissen führen. Nur dass dies nicht nur für die nächsten 10 Jahre gilt, sondern stetig.

        Wesentlich interessanter fand ich aber den Abschnitt über Depressionen.
    • am

      Es ist schon viel zu spät, vor 30 Jahren hätte man reagieren müssen. Und zwar jeder einzelne hätte sein Verhalten ändern können.
      Immer noch fliegen viel zu viele Leute in der Welt herum, man will ja Spaß im Urlaub. SUVs in der Stadt, überhaupt viel zu viele Autos, mit 18 muß der Führerschein sein.Alle 2 Jahre ein neues Smartphone usw
      Es gibt viel zu viele Beispiele für umweltschädliches Verhalten...
      Aber man kann natürlich auch weiterhin den Kopf in den Sand stecken aus Egoismus ....
      Ich habe übrigens am 31.12. in meinem Garten Himbeeren geerntet, gleichzeitig auch einige Blüten .... aber es gibt keinen Klimawandel.....
      • am

        Bei uns spielten die Kinder an Silvester im T-Shirt Fußball im Park. Ganz normal?
    • (geb. 1969) am

      Dieser Beitrag wurde redaktionell entfernt.

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