Fran Drescher („Die Nanny“) vor Wiederwahl zu Gewerkschaftspräsidentin

Hollywood-Streik nähert sich erster Schicksalsstunde

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 28.06.2023, 13:50 Uhr

Fran Drescher im Fernsehfilm „Verliebt in meinen Weihnachtsschwarm“ – Bild: Lifetime/2020
Fran Drescher im Fernsehfilm „Verliebt in meinen Weihnachtsschwarm“

Neuigkeiten aus dem streikgeplagten Hollywood: „Die Nanny“-Star Fran Drescher steht vor der Wiederwahl zur Präsidentin der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA: Sie wird wohl ohne wesentliche Gegenkandidaten antreten.

Denn aktuell herrscht bei SAG-AFTRA seltene Einigkeit zwischen den beiden über lange Jahre zerstrittenen „politischen“ Parteien, Unite for Strength und MembershipFirst. Beide stellen in der Regel jeweils eigene Kandidaten(-listen) zu einer Kampfabstimmng zur Wahl – wie eben 2021, als sich Drescher (Unite for Strength) gegen Matthew Modine (MembershipFirst) durchsetzen konnte, aber „ihr“ Schatzmeister-Kandidat Anthony Rapp („Star Trek: Discovery“) gegen Joely Fisher („Ehe ist …“) unterlag. Nun haben sich beide Parteiungen darauf geeinigt, bei der im August anstehenden Wahl gemeinsam die Wiederwahl von Drescher als Präsidentin sowie Fisher als Schatzmeisterin zu empfehlen. Kandidaten, die unabhängig von den beiden großen Parteiungen antreten, sind möglich, haben bei der Gewerkschaft auf Landesebene aber nur sehr geringe Erfolgsaussichten.

Einigkeit in schwierigen Zeiten

Die Ankündigung des Schulterschlusses zwischen beiden Gruppierungen kommt in einer kritischen Phase für Hollywood und die gesamte US-amerikanische Film- und Fernsehindustrie. Seit dem 2. Mai streiken die Autoren der WGA im Kampf um einen neuen Tarifvertrag. Auch SAG-AFTRA verhandelt aktuell um einen neuen Tarifvertrag – der bisherige Vertrag läuft an diesem Freitag (30. Juni) aus. Bereits vor Verhandlungsbeginn hatte sich SAG-AFTRA bei ihren Mitgliedern die Erlaubnis geholt, im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen unmittelbar in Streik zu treten. Schon bei dieser Abstimmung hatten beide Parteiungen Einigkeit gezeigt – und mit 98 Prozent „Ja“-Stimmen einen deutlichen Rückhalt bekommen.

Für die diesjährigen Verhandlungen der drei großen Kreativ-Gewerkschaften in Hollywood – Autoren, Regisseure und Schauspieler – um neue Tarifverträge mit dem Produzentenverband AMPTP gilt die Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA als der entscheidende Faktor, als die Gruppierung mit dem größten „Gewicht“. Denn mit ihren knapp 160.000 Mitgliedern hat die Gewerkschaft mehr Einfluss als die 20.000 Autoren und die 10.000 Regisseure. Und während „die Produzenten“ trotz Autorenstreik vielfach noch fertiggestellte Drehbücher abdrehen konnten: Ohne Schauspieler liegt die Branche komplett brach.

Weiterhin überlappen sich die Forderungen von Schauspielern und Autoren stark. Beide fordern grundsätzliche Gehaltserhöhungen in Zeiten starker Inflation, maßgebliche Verbesserungen für die Vergütung/​Tantiemen bei der Verwertung von Filmen und Serien beim Streaming (als Ersatz für weggefallene Tantiemen durch Fernsehwiederholungen) und eine Regulierung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz.

Self-Taping vs. Autorenkarriere

Die Schauspieler haben als eigene Problematik auch Forderungen bezüglich des während der Pandemie aufgekommenen Trends zum self-taping: Schauspieler sehen sich mehr und mehr gezwungen, für eine erste Casting-Audition bei Film und Fernsehen selbst ein kurzes Video herzustellen (statt wie früher persönlich zu einem Vorsprechen einer Casting-Agentur zu gehen, die für diesen Prozess von den Produktionen bezahlt wurden). Dadurch werden also Kosten der Produktion auf die Schauspieler abgewälzt, wobei die Schauspieler natürlich bemüht sind, möglichst professionelle Videos einzureichen – etwa durch Anmietung eines eingerichteten, kleinen Studios. Zuletzt war ein Fall heiß diskutiert worden, bei dem eine Casting-Agentur ihr bis zur Pandemie eben für Vorsprechen genutztes Studio nun für self-tapings für über 100 US-Dollar pro Stunde vermietete. Hier will SAG-AFTRA Regeln etabliert sehen.

Derweil dreht sich die Hauptforderung der Autoren darum, den Berufsstand davor zu bewahren, in die Gig-Economy zu fallen: wo eben ein Job auf den anderen folgt, man einmalige Einnahmen erzielt und auch Aspekte der Weiterbildung wegfallen. Vieles, was einen allmählichen beruflichen Aufstieg, längerfristige finanzielle Sicherheit und somit eine „Karriere“ ermöglicht, ist im Streaming-Zeitalter mit langgezogenen Produktionszeiten gefährdet.

Weichenstellung: Streikende oder längerfristiger Arbeitskampf

Wie jeder Streik betrifft auch der aktuelle Arbeitskampf der Autoren „Unbeteiligte“ und schränkt die Verdienstmöglichkeiten von anderen ein. In dieser Woche werden also wichtige Weichen gestellt: Entweder SAG-AFTRA erzielt einen neuen Tarifvertrag (und die Autoren sind als Streikende isoliert, was ihre Postion schwächt) oder die Schauspieler schließen sich dem Streik an. Und wenn sich in der jetzigen Situation die AMPTP nicht mit den Schauspielern einig wird, deutet die Organisation an, dass sie zu einem sehr langen Arbeitskampf bereit ist.

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