Dokumentation in 2 Teilen, Folge 1–2

  • Folge 1 (45 Min.)
    Frau Holle ist im Märchen der Brüder Grimm eine weise und auch mächtige Frau. Tugendhaftes Verhalten belohnt sie, Ungehorsam und Faulheit bestraft sie. – Bild: ZDF und Sabine Finger./​Sabine Finger
    Frau Holle ist im Märchen der Brüder Grimm eine weise und auch mächtige Frau. Tugendhaftes Verhalten belohnt sie, Ungehorsam und Faulheit bestraft sie.
    Die Autoren betreten die mythische Welt der Frau Holle und decken auf, wie die germanische Sagenfigur ins Märchen kam. Der Brunnen als Tor in die fantastische Welt der Frau Holle. Sie belohnt die Fleißigen, bestraft die Faulen. Wie kein anderes Märchen offenbart die Erzählung, wie nachhaltig die bürgerliche Moralvorstellung des 19. Jahrhunderts das Frauenbild damals geprägt hat. Frau Holle lässt es schneien, wenn sie die Betten aufschüttelt – das haben wohl viele schon einmal gehört und sich gewundert, wie das sein kann. In dem Märchen stecken aber noch mehr Geheimnisse, die nicht auf den ersten Blick zu entschlüsseln sind.
    Eines davon ist der Brunnen – ein mit vielfachen Bedeutungen aufgeladener Ort. Am Brunnen sitzen in der germanischen Mythologie die Nornen, die für die Menschen den Schicksalsfaden spinnen. Im Märchen der Brüder Grimm ist er das Durchgangstor in eine andersartige, fantastische Welt. Doch auch in der realen Welt spielt der Brunnen eine zentrale Rolle. Brunnen sorgen seit jeher für das lebensnotwendige Wasser. Und über Jahrhunderte trafen sich am Brunnen vor allem die jungen Frauen.
    Der Ort war eine Börse für Gerüchte und ein Fokus des sozialen Lebens. „Frau Holle“ ist vor allem eine Geschichte über zwei junge Frauen, die Goldmarie und die Pechmarie. Es ist das einzige bekannte Märchen, in dem nur Frauen auftreten. Wie sahen ihre Lebenswelten aus, ihre Lebensentwürfe und Optionen? Darum geht es auch in dieser Dokumentation. Das Märchen entstand in der Form, wie wir es kennen, in der Biedermeierzeit. Die Geschichte von der fleißigen Goldmarie und der faulen Pechmarie sollte eine Art „moralische Leitlinie“ für die „sittsame Frau“ sein.
    Für Dienstmädchen gab es später sogar ein Handbuch mit präzisen Verhaltensregeln. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Bürgertums landeten immer mehr junge Frauen vom Land in den Haushalten der wohlhabenden Städter. Im Märchen ist der Schauplatz das magische Reich von Frau Holle. Dort treffen zwei Welten aufeinander – die von der übermächtigen Frau Holle und die von zwei ganz normalen Mädchen, die auf die Probe gestellt werden. Frau Holle selbst hat ihren ersten Auftritt erst ziemlich spät in dem Märchen.
    Sie ist eine rätselhafte Figur. Wer eigentlich dahintersteckt, darüber streiten sich schon seit Langem die Forscher. Einigkeit besteht nur darin, dass sie mit uralten weiblichen Gottheiten zusammenhängt. Die altrömische Diana, die germanische Freya – viel spricht dafür, dass Frau Holle mit diesen und anderen in eine Reihe zu stellen ist. Und eine Erklärung gibt es selbst dafür, dass die Erinnerung an diese mythische Figur sonst weitgehend verschwunden ist: Die Mönche, die vor mehr als tausend Jahren im heutigen Deutschland das Christentum verbreiteten, haben gründliche Arbeit geleistet.
    Auch in der damals neuen Religion gibt es eine weibliche Figur, die im Volk bald große Verehrung genießt: die Mutter Maria. Im fränkischen Amorbach und in Würzburg kann man sehen, wie Stätten der Anbetung heidnischer Göttinnen umgewidmet und an ihrer Stelle Kapellen für die Muttergottes gebaut wurden. Nur im Alpenland hat eine späte Ausprägung des heidnischen Kultes überlebt: im „Perchtenlauf“, der bis heute immer zum Jahreswechsel große Zahlen von Besuchern anzieht. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.10.2020ZDFDeutsche Online-PremiereMi 30.09.2020ZDFmediathek
  • Folge 2 (45 Min.)
    „Hänsel und Gretel“ ist das bekannteste und schockierendste aller Grimm-Märchen. Zwei kleine Kinder irren im Wald umher. Ihre Eltern haben sie einfach ausgesetzt.
    Märchen sind weit mehr als versponnene Geschichten. Die Dokumentation nimmt das Märchen „Hänsel und Gretel“ unter die Lupe und entschlüsselt seinen historischen Kern. „Hänsel und Gretel“ gilt als das deutscheste und bekannteste aller Grimm-Märchen. Der Film folgt den mutigen Kindern auf ihrem gefährlichen Weg durch den Wald und spürt auf, welche Alltags-, Tatsachen- und Geschichtskerne in dem Märchen verborgen sind. Die Geschichte von „Hänsel und Gretel“ beginnt mit einem Schock: Zwei Kinder werden von ihren Eltern im Wald ausgesetzt.
    Es herrscht große Not, eine große Teuerung und als Folge eine Hungersnot. Erfahrungen, die sich den Menschen tief ins Gedächtnis eingeprägt und sich im Märchen niedergeschlagen haben. Das Märchen erzählt von einer Holzhackerfamilie – arm und missachtet wie viele andere in diesem einst weitverbreiteten Beruf. Menschen vom unteren Ende der sozialen Stufenleiter haben Krisen und Notzeiten naturgemäß am härtesten erfahren. Die Kinder von Holzfällern mussten mitarbeiten.
    Sie wussten alles über den Wald, aber Aufstieg durch Bildung – von dieser Möglichkeit waren sie weit entfernt. Überall herrschte Mangel. Das Märchen erzählt von den verzweifelten Versuchen, diesem Mangel zu entkommen. So enthält jedes der Märchen-Motive Nachrichten aus der Wirklichkeit. Mit wenigen Strichen wird die Lebenswelt der Kinder skizziert. Der Wald, in den sie gehen, steht für alles Bedrohliche. Dort gibt es wilde Tiere und unbekannte Gefahren. Aber der Wald kann auch zum Zufluchtsort werden.
    Und in der Zeit der Romantik, die auch Jacob und Wilhelm Grimm geprägt hat, wird der Wald idealisiert zum Reich der Fantasie. Das Hexenhäuschen aus Kuchen und Zucker, die Hexe selbst und ihre Hinterlist, all das kann jedes Kind mühelos verstehen. Spannend wird es, wenn der Film herausfindet, was die konkrete Bedeutung der Hexen ist: einsame, alte Frauen, die am Waldrand wohnten und zum Opfer von Hexenverfolgungen wurden, die erst kurz vor der Lebenszeit der Brüder Grimm ein Ende fanden. Und dann gibt es im Märchen noch einen Schock: Die Hexe will Hänsel fressen.
    Gab es so etwas wirklich? Die meisten Berichte über Kannibalismus, die in den Archiven liegen, sind übertrieben, sind Fake News, die zum Beispiel während des Dreißigjährigen Krieges verbreitet wurden, um den Gegner zu verleumden oder um das eigene Elend deutlich zu machen. Aber die Angst, dass es wirklich passieren könnte, reichte oft schon aus, um die Menschen in Atem zu halten. „Terra X“ rekonstruiert, wie es wirklich war. Ist dieses Thema zu brutal für Kinder, also ganz unangebracht im Märchen? Nein, denn Kinder können das Geschehen im Märchen aus sicherer Distanz beobachten und nacherleben.
    Sie lernen dabei, wie andere Kinder große Gefahren und höchste Not meistern. Am Ende gewinnen sie – wie Hänsel und Gretel – Selbstvertrauen und Sicherheit. Auch diese Art von Ermutigung gehört zur Magie der Märchen. Die Märchen-Forscherin Sabine Wienker-Piepho sagt: „Märchen sind keine Ponyhof-Geschichten. Märchen gehen richtig zur Sache, da geht es wirklich um das Allerschlimmste.
    Aber – und das macht einen Großteil ihres Erfolges aus – in aller Regel finden sie ein gutes Ende.“ Der Film ist ab Mittwoch, 7. Oktober 2020, in der ZDFmediathek unter terra-x.zdf.de abrufbar. Zu diesem zweiten Teil der Reihe gibt es auch ein Webvideo, das am Samstag, 10. Oktober, um 10:00 Uhr in der ZDFmediathek und am Sonntag, 11. Oktober 2020, auf dem YouTube-Kanal „Terra X: Natur & Geschichte“ veröffentlicht wird. Alle Filme in der ZDFmediathek und bei YouTube sind zum Embedding mit Verweis auf „Terra X“ für alle Interessierten freigegeben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.10.2020ZDFDeutsche Online-PremiereMi 07.10.2020ZDFmediathek

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