2023, Folge 1100–1123

  • Folge 1100 (20 Min.)
    Nicholas Müller ist als Frontmann der Band Jupiter Jones erfolgreich, gibt Konzerte und gewinnt Preise. Bis die Panik und die Angst sein Leben bestimmen und ihn zum Ausstieg zwingen. Innerhalb kürzester Zeit sterben Nicholas’ Mutter und Großmutter an Krebs. Seitdem leidet er unter Angststörungen und Panikattacken. „Wenn du dreimal am Tag eine dreiviertel Stunde lang denkst, du stirbst, dann macht das was mit dir“, erklärt er. Es folgen Therapien und Klinikaufenthalte. Nicholas Müller versucht, das Erlernte im Alltag einzusetzen. Die Auftritte mit seiner Band machen ihn glücklich – doch der Absturz kann nicht verhindert werden. Mit der Zeit macht die Panik auch seine Arbeit als Sänger unmöglich.
    Sie überfällt ihn auf der Bühne. Er muss seinen Auftritt abbrechen. Dann – zwei Tage vor einer geplanten Tour – sagt Nicholas die ganze Tour ab. Das ist sein Ende in der Band. Eine Zeit lang nimmt er Antidepressiva, denn die Angststörung kommt selten allein. Von Beruhigungsmitteln wird er abhängig. Der Entzug ist für Nicholas „das Widerlichste, was ich jemals erlebt habe“. Dennoch findet er ins Leben zurück. Er möchte ein guter Vater sein und auf seine Tochter achten. Ihr Leben soll nicht von Angst geprägt sein. Auch die Musik hilft ihm bei seinem Heilungsprozess. Heute lebt er wieder unbeschwert. Die Panikattacken sind zu Ausnahmen geworden: „Es ist mein altes Leben, aber in besser.“ (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.01.2023ZDF
  • Folge 1101 (15 Min.)
    „Fußball, Kickboxen – ich habe viel ausprobiert, doch nichts hat mich so geflasht wie das Breaken.“ Für Serhat ist es etwas ganz Großes, in das er sein ganzes Herz stecken will. Serhat hat es in den deutschen Bundeskader für Breakdance geschafft. Als Kind uigurischer Eltern möchte er die Chance nutzen, um die unterdrückte Kultur der Heimat seiner Eltern sichtbar zu machen. Sein Ziel: die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Schon als Kind hat Serhat das Breaken für sich entdeckt. Seit 2008 ist er Mitglied der „Sankofa Crew“. Für Serhat bedeutet Breakdance Freiheit – und, wie er sagt, die Möglichkeit, die Geschichte seiner Familie zu erzählen: Er ist Uigure. Die Familie stammt aus dem Nordwesten Chinas, aus Xinjiang, und floh über Kasachstan nach Deutschland.
    Serhat wurde in München geboren. Er sagt, dass er seine Kraft und Entschlossenheit von seiner Mutter habe. Der Wunsch, ihre unterdrückte Kultur sichtbar zu machen, liegt Serhat am Herzen. Im deutschen Bundeskader für Olympia trainieren zu können, bedeutet ihm und seiner Familie viel. Vor allem seine Mutter ist sehr stolz auf ihn: „Er schreibt Geschichte. Das ist sehr schön.“ Breakdance ist in der südlichen Bronx der frühen 1970er-Jahre entstanden und wurde früher nur auf den Straßen getanzt. Im Laufe der Zeit hat sich Breakdance auch international verbreitet und wird nun als weltweit erster Tanzsport eine Disziplin bei den Olympischen Spielen 2024. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.01.2023ZDF
  • Folge 1102 (30 Min.)
    2016 hat Ruby erstmals ihre leibliche Mutter in Nepal getroffen. Jetzt möchte sie wieder dorthin – zusammen mit ihrer deutschen Adoptivmutter. Warum will sie dieses Treffen so unbedingt? Ruby ist drei Jahre alt, als sie 2002 von einem deutschen Paar in Nepal adoptiert wird. Heute lebt die 23-Jährige im Hunsrück. Mit ihrer Adoptivmutter Birgit reist sie jetzt nach Nepal – vielleicht, um ihre so unterschiedlichen Lebensanteile zusammenzubringen. Sie begegnet ihrer leiblichen Mutter in Nepal 2016 zum ersten Mal, begleitet von einem „37°“-Kamerateam. Was Ruby schon immer gespürt hat – ihre Mutter in Nepal wollte sie gar nicht zur Adoption freigeben, hatte sie, wie in Nepal durchaus üblich, für eine begrenzte Zeit in einem Waisenhaus untergebracht, um in der Zeit Geld für die Familie zu verdienen.
    Seit die Tochter damals verschwunden war, hatte sie sie gesucht. Mutter und Tochter lernen sich kennen, bauen behutsam Nähe auf, und Ruby freut sich besonders über ihre vier nepalesischen Geschwister. Zurück in Deutschland macht Ruby Abitur und betreut danach zwei Jahre lang eine alte Dame, die im Sommer 2022 stirbt. Eine Ausbildung oder ein Studium will sie noch nicht beginnen. Emotional fühlt sie sich hin- und hergerissen.
    Wie will sie künftig leben – und vor allem: wo? Rubys großer Wunsch ist es, dass sich ihre beiden Mütter endlich kennenlernen. Davon erhofft sich die junge Frau eine wie auch immer geartete Klarheit über sich selbst, darüber, wie ihr Leben weitergehen soll. Ihre 64-jährige Adoptivmutter Birgit versteht, dass die Reise für ihre Tochter wichtig ist, doch die Angst davor ist groß. Was wird sie erwarten? Wie soll sie mit Rubys leiblicher Mutter kommunizieren? Ihre Englischkenntnisse sind nicht die besten, sodass Ruby ständig übersetzen müsste. Wie kommt sie mit der fremden Kultur und den schlechten hygienischen Bedingungen zurecht? Was wird emotional in ihr vorgehen, wenn sie die Frau kennenlernt, die ihre Tochter zur Welt gebracht hat? Wird es sie in große Selbstzweifel stürzen? Ohnehin hat sie große Schuldgefühle, seit sie weiß, dass Ruby von ihrer Mutter nie zur Adoption freigegeben wurde.
    „37°“ ist dabei, wenn sich die beiden Frauen zum ersten Mal begegnen. Vor sechs Jahren war es für Ruby die Reise ihres Lebens. Nun ist sie es für ihre Adoptivmutter Birgit, die noch nicht ahnt, dass sie mit einer überraschenden und unerwarteten Entscheidung Rubys konfrontiert werden wird. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 03.01.2023ZDF
  • Folge 1103 (30 Min.)
    Sara (l.) ist zurückgekehrt nach Sizilien, um sich um ihre Mutter Accursia (r.) zu kümmern. Jetzt hat sie Heimweh nach Deutschland.
    Viele Gastarbeiter wollen als Rentner zurückkehren in ihre Heimat. Das jahrzehntelange Heimweh soll ein Ende haben. Aber Kinder und Freunde leben in Deutschland. – Bleiben oder gehen? Für die Gastarbeiter der ersten Generation waren die Jahrzehnte in Deutschland immer eine Durchgangsphase. Ihre Kinder, die Gastarbeiter der zweiten Generation, sind dort aufgewachsen, haben Freunde und eigene Kinder. Ist da ihr Herkunftsland noch ihre Heimat? Sarah (62) ist vor 50 Jahren ihren Eltern aus Sizilien ins schwäbische Singen gefolgt.
    Die Anfänge in Deutschland waren schwer. Die Eltern arbeiteten rund um die Uhr, Sarah und ihre Geschwister waren auf sich gestellt. Weder die kalten Winter noch die fremde Sprache machten ihnen das Ankommen leicht. Für Sarahs Eltern war immer klar: Sie verdienen in Deutschland Geld und leben im Alter dann wieder in „ihrem Dorf“, im sizilianischen Ribera. Nach über 30 Jahren in der Fabrik, in denen sie neben der Schichtarbeit und ihren Kindern kaum Zeit für das Erlernen der deutschen Sprache und wenig Sinn für Integration hatte, folgte Sarahs Mutter Accursia ihrem Plan und verbringt ihr Alter nun in Sizilien.
    Deutschland, das war für sie eine Jahrzehnte währende Übergangsstation. Mehr nicht. Auch für Sarah schien es lange selbstverständlich, genau wie die Mutter – der Vater hatte bald nach der Ankunft in Deutschland eine neue Familie gegründet – Grund und Boden in Italien zu kaufen, um später dort zu leben. Doch sowohl für Sarah als auch für ihren Bruder Franco änderte sich mit der Zeit die Perspektive.
    Ihre Kinder sind in Deutschland geboren, dort verwurzelt. Für sie, die dritte Generation, ist Italien nicht mehr „Heimat“. Dort wären sie die Fremden, die mit deutschem Akzent Italienisch sprechen. Von 14 Millionen Gastarbeitern, die im Rahmen des deutschen Anwerbeabkommens zwischen 1955 und 1970 nach Deutschland kamen, sind circa elf Millionen wieder zurückgekehrt. Lange folgten die Kinder der zweiten Generation dem Vorbild der Eltern, wohnten bescheiden zur Miete in Deutschland und steckten ihre Ersparnisse in die Immobilien in der Heimat.
    Auch Sarahs Bruder Franco (56) hat lange so gelebt. Er ist Vater zweier Kinder, arbeitet als Hausmeister in einem Altenheim und ist seit Jahrzehnten ehrenamtlicher Fußballtrainer für jugendliche Migranten. „Wir haben in Sizilien ein Häuschen gekauft und dachten, die Kinder leben ihr Leben hier in Deutschland. Aber dann sind Enkelkinder gekommen, und jetzt glauben wir nicht mehr, dass wir noch nach Sizilien gehen.“ Ribera, ein Urlaubsort, wo Accursia, die alte Mutter, jetzt lebt.
    Alle verstorbenen Verwandten liegen dort auf dem Friedhof in der Familiengruft. Einmal im Jahr, wenn alle in den Sommerfreien dorthin kommen, werden die Fensterläden der kleinen Stadthäuser geöffnet, herrscht wieder Leben in den Gassen. Auch Sarah kennt dieses Gefühl, dass man dort sein möchte, wo die Enkel aufwachsen, dass man bei seiner Familie zu Hause ist. Aber sie folgte ihrem Verantwortungsgefühl für die alleinlebende Mutter, die inzwischen über 80 ist und keines der Kinder in der Nähe hat.
    Sie lässt die eigenen Kinder, den Lebenspartner und die Enkel zurück und baut sich ein neues Leben im Dorf ihrer Kindheit auf. Die Mutter, ein paar Bekannte, die Sonne und das Meer trösten nur scheinbar über ein nur allzu bekanntes Gefühl hinweg. Sarah hat Heimweh. Diesmal aber in die andere Richtung; es ist Heimweh nach Deutschland, nach ihrer Familie, nach ihrem Schrebergarten und der bescheidenen Mietwohnung am Stadtrand von Singen. Mehrmals täglich telefoniert sie mit ihren Lieben über Facetime.
    Solang die Mutter lebt, will sie in Sizilien bleiben. Für Franco ist die pflichtbewusste ältere Schwester ein Segen. Als er Großvater geworden ist, hat er sich entschieden, in Deutschland zu bleiben. Da, wo seine Familie lebt, ist seine Heimat, basta. Wäre da nicht die alte Mutter im weit entfernten Sizilien, wäre er mit sich im Reinen. So bleibt auch für Franco das Gefühl, zerrissen zu sein zwischen dem Leben hier und den Familienbanden dort; etwas zieht ihn immer zurück in das Land, das seine Heimat war. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 10.01.2023ZDF
  • Folge 1104 (30 Min.)
    „Der Tod ist die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt der 23-jährige Noah B.. Er sucht die Hilfe eines Sterbehilfevereins auf. Nach einem Unfall liegt Noah B. monatelang im Koma. Als er erwacht, muss der damals 20-Jährige erfahren, dass er sich nie wieder wird bewegen können. Er ist vom Hals abwärts gelähmt. „Wenn man mir die Frage gestellt hätte, ob ich den Unfall gerne überlebt hätte oder lieber nicht – ich hätte immer gesagt: Lieber nicht überlebt“, sagt Noah noch im Krankenhaus zu seiner Mutter, die ihn bittet, es doch wenigstens zu versuchen, so zu leben.
    Und Noah versucht es drei lange Jahre. Er beginnt ein Studium, trifft Freunde, lebt inmitten von Menschen, die ihn lieben und die er liebt. Und dennoch: Es bleibt das Gefühl, dass ihm dieses Leben nicht reicht. Gefangen im eigenen Körper, bewegungslos sein, das sei nicht er, sagt der ehemalige Profisportler. Deshalb wächst in ihm schon sehr früh der Wunsch nach Sterbehilfe. Der 23-Jährige meldet sich – nach zweieinhalb Jahren im Rollstuhl – bei einem Sterbehilfeverein an. Eine Entscheidung, die für seine Angehörigen kaum zu ertragen ist. Er weicht den Fragen nach für und wider der Sterbehilfe nicht aus, auch der Diskussion mit seinen geliebten Angehörigen nicht.
    „Noah weiß, dass es für uns unerträglich ist. Aber das ist etwas, was er mir von Anfang an gesagt hat, dass es jetzt mal um ihn geht und dass er jetzt nicht mehr auf uns Rücksicht nehmen kann. Denn er hat erkannt, dass er den Weg, den er bis hierher gegangen ist, für andere gegangen ist, also für uns“, sagt seine Mutter. Sie vertraue ihrem Sohn und würde sich nicht anmaßen wollen, zu beurteilen, wie es sei, in Noahs Haut zu stecken. Das Ende selbst bestimmen zu dürfen, gibt Noah ein Gefühl von Kontrolle und Freiheit zurück, sagt er, und die Hoffnung, ein aller letztes Mal auf Hilfe angewiesen zu sein.
    Am 5. Februar 2022 fließt der tödliche Medikamentencocktail durch seine Adern. Er hat seinen Tod in ein Zeitfenster gelegt, in dem der professionell assistierte Suizid erlaubt ist. Denn am 20. Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht in einem bahnbrechenden Urteil den umstrittenen Strafrecht-Paragrafen 217 für null und nichtig erklärt. Die „37°“-Autorin Tina Soliman und der Kameramann Torsten Lapp begegnen in ihrem Film Noah B. und seiner Entscheidung für den Tod. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 17.01.2023ZDF
  • Folge 1105 (30 Min.)
    Die Situation von Pflegekräften ist bekannt: wenig Geld, exorbitante Arbeitsbelastung. Nur wenige halten das durch. Vanessa, Michael und Mandy wollen trotzdem keinen anderen Beruf. In Deutschland fehlen mehr als 50.000 Pflegekräfte, 2030 werden es über 60.000 sein. Die Lage auf den Intensivstationen deutscher Krankenhäuser ist deshalb dramatisch schlecht. Durch die Coronapandemie wurde der Mangel an Pflegepersonal besonders deutlich. Die 31-jährige Vanessa will trotzdem in ihrem Traumberuf arbeiten – jedoch die Arbeitsbedingungen verändern.
    Vanessa hat schon vor einiger Zeit entschieden, ihr Studium abzubrechen und Pflegefachkraft zu werden. Sie hat sich von allen negativen Schlagzeilen über die Arbeitssituation in Krankenhäusern nicht abschrecken lassen und ihre Ausbildung beendet. Nun arbeitet sie im Städtischen Klinikum Braunschweig. „Ich bin total motiviert in die Ausbildung gestartet und in meinen ersten Praxiseinsatz. Und war dann ziemlich schnell enttäuscht, dass mir gefühlt jede Person von dem Beruf abgeraten hat, dass ich auf jeden Fall jetzt die Ausbildung lassen soll, nicht in diesem Beruf anfangen soll.“ In ihren Schichten auf einer „Intermediate Care“-Station versorgt und überwacht sie Kranke, die von der Intensivstation kommen und besondere medizinische Betreuung benötigen – zu viel, um auf eine normale Station verlegt zu werden.
    Vanessa hat sich die Station bewusst ausgesucht. Das prompte Reagieren-Müssen, die medizinischen Herausforderungen gefallen ihr gut, doch sie leidet wie ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Häusern unter der Mehrarbeit durch die zahlreichen Coronapatientinnen und -patienten.
    Um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und auf Missstände aufmerksam zu machen, hat Vanessa einen Instagram-Account gestartet, und sie engagiert sich in einem Berufsverband. „Wir wollen anerkannt werden, statt bemitleidet. Wir sind die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen und haben politisch so gut wie keine Stimme. Das müssen wir ändern!“ Nachwuchs für den Pflegesektor zu generieren, ist schwierig, denn immer mehr Auszubildende hören vor dem Examen auf; inzwischen sind es fast 30 Prozent.
    Dass es auch anders geht, zeigen der Kinderintensivpfleger und Pflegedozent Michael Wappler und sein Team am Deutschen Herzzentrum Berlin. In der hauseigenen Ausbildung zur Pflegefachkraft liegt die Abbruchquote bei unter vier Prozent. Mit anderen hat der 49-Jährige ein Einarbeitungsmodell konzipiert, das individuell auf die neuen Kolleginnen und Kollegen eingeht. Und wer auf der Kinderintensivstation anfangen möchte, bekommt noch eine erweiterte Einarbeitung. „Wir haben hier schwer kranke Babys und Kleinkinder mit angeborenen Herzfehlern, die nicht mit uns sprechen können.
    Da müssen wir in jeder Minute hoch konzentriert sein und zusätzlich die permanente Angst der Eltern um das Leben ihres Kindes auffangen.“ Eine Acht-Stunden-Schicht durchzuarbeiten, oft ohne sich auch nur einmal richtig hinsetzen zu können, das steckt Michael nach 23 Jahren am Deutschen Herzzentrum immer noch gut weg. Er macht Sport, hält sich fit und fühlt sich nach all den Jahren immer noch positiv gefordert. Doch auch auf seiner Station fallen Pflegekräfte krankheitsbedingt aus, müssen Betten gesperrt, Operationen verschoben werden.
    „Bevor wir nicht viel mehr Personal haben, wird es immer so auf und ab gehen. Davon kann man sich nicht runterziehen lassen. Das darf die Motivation nicht beeinträchtigen. Und es gibt auch Tage, wo wir dann sagen, dieses Kind ist so schwer krank, wir können nicht verschieben und müssen es heute operieren. Dann nehmen wir diese Mehrbelastung in Kauf.“ Seine 24-jährige Kollegin Mandy hat gerade ihre letzten Einarbeitungstage.
    Bald wird sie eigenverantwortlich arbeiten. „Ich habe großen Respekt vor der Verantwortung und kann nach der Schicht überhaupt nicht abschalten. Man arbeitet acht Stunden durchgehend, wie so eine Maschine, und dann kann ich dem Körper nicht sagen, okay, jetzt schalte ich ab und kann schlafen. Mir geht so vieles durch den Kopf. Habe ich an alles gedacht? Auch nichts vergessen?“ Der Film begleitet die drei Pflegefachkräfte durch ihren herausfordernden Alltag und zeigt Vanessas Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen und einen höheren Stellenwert der Pflege in der Gesellschaft. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 24.01.2023ZDF
  • Folge 1106 (30 Min.)
    Birte möchte Ärztin werden, doch die Migräne hindert sie am Lernen. Robert fürchtet, die Migräne könnte ein Karrierekiller sein, und verheimlicht sie. Melanie musste ihr Leben umkrempeln. Von außen ist Migränikern nichts anzusehen, doch die Erkrankung kann das Leben zur Hölle machen. Heftige Attacken mit unerträglichen Kopfschmerzen, Wahrnehmungsstörungen und starker Übelkeit können sie tagelang außer Gefecht setzen. „37°“ zeigt drei Schicksale. Migräne zählt laut WHO zu den Krankheiten weltweit, die das Leben am zweitstärksten beeinträchtigen.
    Rund neun Millionen Deutsche leiden unter dieser neurologischen Erkrankung. Doch das Schlimmste ist oft nicht die Erkrankung selbst, es sind die gesellschaftlichen Vorurteile, das Unwissen, die Ignoranz. Birte Weiss (33) aus Berlin will sich durch die Migräne nicht davon abhalten lassen, ihren Traum zu verwirklichen: Sie will Ärztin werden. Weil sie schon in der Schule mit ihrer Migräne auf Unverständnis stieß und entsprechend schlechte Noten hatte, hat sie zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und studiert jetzt Medizin – neben Arbeit und Familie.
    Wenn sie Migräne hat, kann sie sich kaum konzentrieren. Das bedeutet: Die Anwesenheitspflicht an der Uni ist für sie doppelter Stress. Den Stoff muss sie dann oft abends nachholen. Was sie neben ihren gesundheitlichen Problemen aber am meisten belastet, ist das Unverständnis, auf das sie sogar unter Medizinern stößt. Laut einer Umfrage der Deutschen Kopfschmerzgesellschaft geben 60 Prozent der Hausärzte an, nicht genügend über Migräne zu wissen. Selbst unter Neurologen ist das Unwissen verbreitet. Weil sie sich zu oft „blöde Tipps“ anhören musste, redet Birte nur selten von ihrer unsichtbaren Erkrankung und versucht, sich mithilfe von Medikamenten durchzuschlagen.
    Robert (28) aus Berlin heißt in Wirklichkeit anders. Er will unerkannt bleiben. Denn er fürchtet, dass es ihm seine Karriere verbauen würde, wenn seine Chefs erfahren, wie schlimm seine Migräne in Wirklichkeit ist. Derzeit ist er im Probehalbjahr für ein renommiertes internationales Wirtschaftsprüfungsunternehmen tätig. Während er sich vier Tage im Monat offiziell krankmelden muss, schleppt er sich weitere sieben bis zehn Tage trotz Migräne durch den Arbeitsalltag.
    Dann beeinträchtigen ihn nicht nur die Schmerzen. Während einer Attacke ist die Reizweiterleitung fehlgesteuert, und er kann kaum denken. Weil er Angst hat, in einer Gesellschaft, die rund um die Uhr Einsatzfähigkeit verlangt, als nicht leistungsfähig zu gelten, versucht er, die wahren Ausmaße der Migräne für sich zu behalten. Dabei ist er alles andere als nicht leistungsfähig, seine Chefs sind sehr zufrieden mit ihm. Nachgewiesen ist, dass das Gehirn von Migränikern Reize normalerweise schneller weiterleiten kann.
    Und Robert ist insgesamt so schnell, dass er seine Arbeitsausfälle unauffällig aufholen kann. Doch wie lange wird das gut gehen? Melanie Rüsing (50) aus München, hat seit Februar 2019 chronische Migräne. Früher hat sie als Teamleiterin in der Geschäftsentwicklung eines großen weltweit agierenden Elektronikkonzerns Karriere gemacht. Jetzt ist sie in Frührente und muss lernen, ihre schwere Erkrankung zu akzeptieren. Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die angeboren ist. Die genaue Ursache kennt man zwar immer noch nicht, aber man weiß, dass diese, anders als lange angenommen, weder psychosomatisch noch psychisch ist.
    Die Attacken werden durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Trigger ausgelöst, wie zu wenig oder auch zu viel Essen, Trinken, Schlaf oder Stress, durch Alkohol sowie durch Hormon- oder Wetterschwankungen. Heilen wird Melanies Erkrankung wahrscheinlich nicht mehr, aber die 50-Jährige versucht, sie durch Medikamente oder angepasstes Verhalten besser in den Griff zu bekommen. „37°“ geht der Frage nach, wie ein gutes Leben mit Migräne angesichts der gesundheitlichen Beeinträchtigung und des gesellschaftlichen Stigmas gelingen kann. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 31.01.2023ZDF
  • Folge 1107 (30 Min.)
    Profi-Gamer wie Janik (22) verdienen jährlich zwischen 100.000 und 300.000 Euro. Aber er spielt nicht wegen des Geldes, sondern vor allem für das Prestige, den Ruhm, den Erfolg. „37°“ zeigt drei junge Männer auf dem riskanten Weg, aus ihrem Lieblingsspiel Ernst zu machen. Wenn sie nicht performen, also in der Profiliga nicht gewinnen, hagelt es böse Kommentare im Netz. Der Ruhm ist meist kurz, dann folgt schnell der Rauswurf aus dem Team. Janik, Spielername JNX, beherrscht das Onlinecomputerspiel „League of Legends“ so gut, dass er es in die Profiliga geschafft hat, in der man reich werden kann als junger Mensch mit speziellen Fähigkeiten.
    Er trainiert jeden Tag von morgens bis spätabends. Janiks tägliches Training sieht so aus: Zusammen mit seinem Team spielt er ein Spiel, bei dem sich Fantasyfiguren bekriegen. Um immer in Übung zu bleiben, gönnt er sich keine freien Wochenenden, kaum mal einen Urlaub. Die Konzentrationsleistung eines Profi-Gamers wie Janik ist vergleichbar mit der von Autorennfahrern oder Schachspielern.
    Die meisten von ihnen scheiden schon mit Mitte 20 wieder aus, weil sie die Leistung nicht mehr bringen, nicht mehr schnell genug sind und der jüngere Nachwuchs sie verdrängt. In Tausenden Jugendzimmern daddeln sich stetig Gamer ihren Weg nach oben. „Der Druck, dass auf einmal alles vorbei sein könnte, der ist durchaus da“, sagt Janik. Was er seit neun Jahren dafür opfert, ist all das, was junge Menschen normalerweise in seinem Alter machen: sich ausprobieren, feiern gehen, Freunde treffen.
    Vielversprechende Nachwuchsspieler aus ganz Deutschland hat die „esports player foundation (EPF“) zu einem „Talent Camp“ eingeladen. Zwei Tage lang sollen die jungen Männer – Mädchen sind nicht darunter – beweisen, dass sie nicht nur gut spielen können, sondern teamfähig sind und mit Kritik umgehen können. Es winken Förderprogramme, die den Gamern helfen sollen, nicht nur Karriere zu machen, sondern dabei auch gesund zu bleiben. „Im E-Sport verlaufen die Karrieren viel rasanter als im traditionellen Sport“, sagt Jörg Adami von der EPF.
    „Die Jungs werden vom Kinderzimmer auf die große Bühne geschmissen und sind viel Druck ausgesetzt. Das halten viele nicht aus.“ Burn-out und Depressionen sind häufig im E-Sport. Paul (18) ist einer von denen, die sich beim „Talent Camp“ beweisen wollen. Er hat entschieden, vor dem Abi von der Schule abzugehen und auf das Gaming zu setzen. „Es wäre mein Traum, wenn ich mein Hobby zum Beruf machen könnte“, sagt Paul.
    Ein paar Wochen später packt er in seinem Jugendzimmer in Stelle bei Hamburg einen großen Koffer und zieht nach Berlin in ein sogenanntes Gaming House. Das neu gegründete Team einer Handelskette hat ihn für ein halbes Jahr unter Vertrag genommen. Paul wird zusammen mit vier anderen Gamern, einem Coach und einem Teamleiter eine große Wohnung in Charlottenburg beziehen: zusammen gamen, kochen, wohnen und Content produzieren. Letzteres bedeutet: Die jungen Männer müssen auch auf Twitch oder Instagram gut funktionieren, denn „Reichweite“ ist der Treibstoff, der die E-Sport-Maschinerie antreibt.
    Gamer erreichen ein Millionenpublikum in einer Zielgruppe, die Werbetreibende lieben. Pauls Mutter versteht davon nicht viel, hat aber den ungewöhnlichen Plänen ihres Sohnes zugestimmt. „Er bekommt jetzt ein Sabbatjahr, aber wenn das nicht klappt mit dem E-Sport, muss er eine Lehre machen“, sagt sie. Auch Teos Mutter ist diese Welt fremd. Teo alias Techoteco (18) kommt aus einem kleinen Dorf bei Freiburg und ist ein talentierter Gamer, der aber nicht ausschließlich vor dem PC sitzt, sondern auch Klavier spielt und gern liest.
    Gerade macht er sein Abitur. „Ich möchte schon, dass er studiert und nicht nur zockt“, sagt Teos Mutter. „Aber wenn ich in einem super Team aufgenommen werde, dann lasse ich das erstmal mit dem Studium“, entgegnet Teo. Einige Monate später bekommt er ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Das Stipendium einer Privathochschule in Hannover: Internationales Management studieren und zusätzlich im neuen E-Sport-Team der Uni spielen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.02.2023ZDF
  • Folge 1108 (30 Min.)
    Als Deichgraf ist Ernst August Thams für die Entwässerung von Pellworm zuständig. Weil die Niedrigwasserzeiten kürzer werden, kann das Wasser nicht immer von der Insel abfließen.
    Der nordfriesischen Insel Pellworm droht der Untergang. „37°“ begleitet Bewohner der Insel und der dazugehörenden Hallig Süderoog, die sich für den Erhalt ihrer Heimat einsetzen. Ein steigender Meeresspiegel und häufiger auftretende Starkregenereignisse könnten das Entwässerungssystem der Insel überlasten. Was in Nordfriesland passiert, ist ein Beispiel für die Herausforderungen des Klimawandels weltweit. Die 22-jährige Sophie möchte den Biobauernhof ihrer Eltern übernehmen. Seit acht Generationen lebt die Familie auf der Edenswarf in Ostersiel.
    Immer mehr Extremwetterlagen mit Starkregen, trockenen Sommern und Sturmfluten kosten die Familie schon jetzt eine Menge Geld. Sophie, ihre drei Geschwister und die Eltern Jörg und Silke haben 2019 die Bundesregierung vor dem Berliner Verfassungsgericht verklagt, weil sie die Klimaziele nicht einhält. Die Klage wurde abgelehnt. Sophie und andere junge Umweltaktivisten reichten im April 2021 eine Verfassungsbeschwerde ein. Dieses Mal erfolgreich. Die Karlsruher Richter entschieden: Im Klimaschutzgesetz fehlten ausreichende Vorgaben, wie genau die Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 gemindert werden sollen.
    „37°“ begleitet die Studentin bei ihren Arbeiten auf dem Hof des Vaters. „Man spürt den Klimawandel zu jeder Jahreszeit“, sagt Ernst August, der als Biobauer und Deichgraf auf Pellworm die Veränderungen in der Natur täglich vor Augen hat. „Der Meeresspiegel steigt an, und gleichzeitig steigt der Niedrigwasserspiegel.“ Große Sorgen bereitet ihm deshalb das Entwässerungssystem der Insel. Wenn der Meeresspiegel ansteigt, verkürzen sich die Niederwasserzeiten. Dann staut sich das Wasser, das Sammelbecken läuft über, und die Straßen und Felder werden überschwemmt.
    Hier muss dringend eine Lösung her. Der Krabbenfischer, Kapitän und Fischereiwirtschaftsmeister Holger und seine Frau Nele leben mit ihren beiden Kindern auf der Hallig Süderoog. Zu ihren Aufgaben gehören der Küstenschutz, die Gebäudeinstandhaltung und der Naturschutz. Ihr Haus steht zum Schutz vor den Fluten auf einer Warft. Wenn eine hohe Sturmflut bevorsteht, schließen sie die Fensterläden, schichten Sandsäcke vor dem Haus auf und packen Lebensmittel.
    10 bis 40 Mal im Jahr heißt es für sie: „Land unter“. Dann wird ihre kleine Marschinsel bei einer starken Flut überschwemmt. Und das ist so gewollt. Durch die Fluten werden Sedimente auf der kleinen Insel abgelegt, sie wächst. Die Frage ist nur, wächst sie schneller als das Wasser steigt? Um die Halligen zu retten, gibt es viele Vorschläge: Deiche, die Häuser auf hydraulische „Tische“ zu stellen, Sandaufspülungen oder sie einfach mehr überschwemmen zu lassen, damit sie natürlich in die Höhe wachsen können. Aber all diese Maßnahmen reichen nicht, um dem Anstieg des Meeresspiegels entgegenzutreten. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.02.2023ZDF
  • Folge 1109 (30 Min.)
    Rund 8500 schwer kranke Patientinnen und Patienten aus Deutschland stehen derzeit auf der Warteliste für ein Organ. Sie hoffen zum Beispiel auf eine Niere, ein Herz oder eine Lunge. Was bedeutet es, wenn man weiß, nur ein Spenderorgan kann das eigene Leben retten? „37°“ hat drei Menschen begleitet, deren einzige Chance auf ein Weiterleben verknüpft ist mit dem erlösenden Anruf: „Wir haben ein Organ für Sie.“ 2016 wurde dem ehemaligen Flugbegleiter Dirk ein Kunstherz implantiert. Eine verschleppte Grippe und eine Lungenentzündung hatten sein Herz stark angegriffen.
    „Irgendwann konnte ich keine 200 Meter mehr laufen“, so der dreifache Familienvater. Statistisch gesehen kann man mit einem Kunstherz acht bis zehn Jahre problemlos leben. „Man sagt, dass in fünf Prozent der Fälle sich das Herz sogar ganz erholt, darauf habe ich natürlich gehofft, jetzt ist es ganz anders gekommen.“ Der 48-Jährige kam mit starken Bandscheibenbeschwerden in die Klinik, und eine Blutuntersuchung ergab, dass sein Körper eine hohe Bakterienbelastung aufweist. Sofort wurde er in das Herzzentrum in Berlin überstellt und „HU“ gelistet („High Urgency“).
    Nur ein Spenderherz wird seine Situation verbessern können. Das nächste passende könnte für ihn sein. Doch bis zu einem Jahr kann die Wartezeit auf ein Herz in Deutschland betragen. Eine zermürbende Zeit für ihn und seine Familie beginnt, bis es schneller als gedacht heißt: „Wir haben ein passendes Spenderherz für Sie.“ Wie die große Mehrheit auf der Warteliste hofft auch Anita auf eine neue Niere. 2019 wurde bei der 24-Jährigen eine seltene Erberkrankung festgestellt. Die Nachricht war ein Schock für sie und ihre Familie. Die Erkrankung, von der auch der Vater betroffen war, hatte der Familie viel abverlangt.
    Er wurde inzwischen zwar erfolgreich transplantiert, die Familie ist aber auseinandergebrochen. Anita versucht jetzt, vieles anders zu machen. So hat sie sich für die tägliche Bauchfelldialyse entschieden. Die ermöglicht es ihr zum Beispiel, arbeiten zu gehen. Der Nachteil: Diese Methode ist auf ein paar Jahre befristet. Anitas ganzes Leben ist von der Krankheit beeinträchtigt, ein Leben wie es andere in ihrem Alter führen, ist für sie unmöglich. Tagtäglich wird sie von ihrer Erkrankung in die Schranken gewiesen.
    Seit 2021 steht Anita auf der Transplantationswarteliste, die durchschnittliche Wartezeit für eine Niere beträgt acht bis zehn Jahre. Eine Alternative könnte eine Lebendspende von Familienmitgliedern sein. Ein sensibles Thema zwischen Anita und ihrer Familie. Für Robert kam 2021 der lebensverändernde Anruf: „Es gibt ein Organ für Sie.“ Der 33-Jährige brauchte nach einer jahrelangen chronischen Erkrankung eine neue Leber. Er litt unter einer Gelbsucht und musste immer wieder stationär ins Krankenhaus. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend, und er wurde gelistet.
    Dann kam der Anruf. Auch wenn die Operation erfolgreich verlief, ist es noch ein langer Weg bis zur Genesung. Aber jetzt hat Robert die besten Chancen, seine kleinen Kinder aufwachsen zu sehen. In einer Vitrine bewahrt er zwei Steine auf, die ihm während der Zeit Kraft gegeben haben. Die will er zusammen mit einem Dankesbrief der Familie des Spenders zukommen lassen. In Deutschland ist die Organspendenbereitschaft sehr gering. Was müsste sich ändern, dass mehr Leben gerettet werden können? „37°“ begleitet drei Einzelschicksale, die für Tausende Menschen stehen, deren Leben von einem Spenderorgan abhängen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.02.2023ZDF
  • Folge 1110 (30 Min.)
    Von einem auf den anderen Moment dreht sich das Leben. Eine Diagnose, ein Unfall, ein Schicksalsschlag – und plötzlich scheint der vorher geplante Lebensweg versperrt zu sein. Wie geht man damit um, wenn plötzlich alle Wünsche und Vorstellungen, wie das zukünftige Leben aussehen soll, unklar und unsicher werden? „37°“ begleitet zwei Frauen, für die sich das Leben mit einem Schlag veränderte. Als Lena 2018 ihr Abitur in Bonn macht, hat sie große Pläne. Sie ist politisch aktiv, sie hat einen Studienplatz für Biomedizin, alles scheint in Ordnung.
    Vor ihrem Studium möchte sie einen Freiwilligendienst machen. Sie geht nach einem sechsmonatigen Freiwilligen Sozialen Jahr an einer Förderschule in Bonn im April 2019 für einen Freiwilligendienst nach Bolivien. Doch nach gerade einmal drei Wochen, am 22. April 2019, ändert sich ihr Leben für immer. Beim Wäscheaufhängen wird sie von einem „verirrten“ Trockenblitz getroffen. Andere Freiwillige müssen sie reanimieren, sie wird ins künstliche Koma versetzt und acht Tage später vom Roten Kreuz nach Deutschland ausgeflogen.
    Es steht schlecht um sie, die deutschen Ärzte sagen ihren Eltern, sie sollen sich von ihr verabschieden. Lena überlebt, doch nach dem Unfall ist alles anders. Sie hat Mobilitätseinschränkungen und Hörschäden, kämpft neben ihren Traumata auch mit Depression und Magersucht. Plötzlich merkt sie, wie Menschen mit Behinderung benachteiligt werden, wie viel Kraft sie immer wieder aufbringen muss, um für sich zu kämpfen. Schwierig ist es zum Beispiel, ein Gutachten zur Fahrtüchtigkeit erstellen zu lassen.
    Sie will selbst wieder ohne Sorge Auto fahren können, damit ihre Eltern sie nicht ständig zu ihren zahlreichen Arztterminen bringen müssen. Kraft schöpfen kann Lena aus ihrem Aktivismus. Sie schreibt an einem Buch zum Thema Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung), sie ist die Vorsitzende der Bonner GRÜNEN JUGEND, setzt sich für behindertenpolitische, queere und feministische Themen ein. Mit zwei Freunden aus der GRÜNEN JUGEND fährt sie im Sommer, zum ersten Mal seit ihrem Unfall, weg. Früher ist sie sehr gern gereist, nun macht sie es endlich wieder.
    Und noch etwas aus ihrem „alten Leben“ hat sie wieder für sich gefunden: das Schwimmen. Lenas Ziel: Mit einem paralympischen Schwimmteam zu trainieren und an Wettkämpfen teilzunehmen. Der erste Anfall kam kurz nach ihrem 50. Geburtstag. Ingrid ist gerade mit dem Fahrrad auf dem Rückweg von einer Tagung, als sie merkt, dass sie nicht mehr gut sieht. Kurze Zeit später wacht sie im Krankenhaus auf. Sie kann sich nicht erinnern, wie sie dort gelandet ist. Ihr Mann sitzt neben ihr, als der Arzt kommt und ihr die Diagnose unterbreitet: Epilepsie.
    Zunächst bedeutet diese Diagnose keinen großen Einschnitt für Ingrid. Dann kommt anderthalb Jahre später der zweite Anfall. Nun ist es sicher, dass sie Epilepsie hat. Bei Ingrid kommen die epileptischen Anfälle selten, dafür dann aber immer so heftig, dass sie sich an nichts erinnern kann. Als sie im November 2019 ihren vorerst letzten Anfall bekommt, gerät ihre Welt ins Wanken. Das Jugendamt entzieht ihr die Erlaubnis, weiter in ihrem Beruf als Tagesmutter zu arbeiten.
    Es war ihr Traumberuf, den sie eigentlich bis zur Rente ausüben wollte. So beginnt mit Mitte 50 plötzlich das Suchen nach einer neuen Perspektive. Lena und Ingrid sind sehr unterschiedlich, haben jedoch eines gemeinsam: Für beide kam ihr lebensveränderndes Ereignis völlig unerwartet und ohne jegliche Vorwarnung. Sie müssen ihr Leben neu ausrichten, sich beruflich neu orientieren. Akzeptieren, dass nun einige Dinge nicht mehr so gehen wie früher, und dafür Neues finden, das ihnen Spaß und Freude bereitet. „37°“ hat die beiden ein Jahr lang bei diesem Prozess begleitet. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.02.2023ZDF
  • Folge 1111 (30 Min.)
    Wanderschäferinnen und Wanderschäfer – kaum Freizeit, wenig Geld, immer auf Achse. Uta bangt um ihre Existenz, Klaus kämpft gegen neue Wolfsrudel, und Marthe will ihren Meister machen. Mit 24 ist sie die jüngste Wanderschäferin Deutschlands. Uta (50) hofft, dass sie mit ihren Schafen auf Sylt bleiben darf. Klaus (62) bildet Hunde aus, um seine Herden vor Wolfsrudeln zu schützen: Drei Generationen von Wanderschäfern kämpfen für ihre Zukunft. Uta Wree (50) ist seit 2015 die einzige Wanderschäferin auf Sylt. Im Sommerhalbjahr zieht die gelernte Tierärztin mit 530 Schafen über Deutschlands beliebteste Ferieninsel.
    Doch alle drei Jahre schreiben die zuständigen Behörden ihren Job neu aus. Uta kämpft mit Bürokratie, Dumpinganbietern und permanenter Ungewissheit. „Wenn ich diesen neuen Vertrag nicht bald bekomme, geht eine ganze Herde in die Wurst!“ Zwischen Romantik und Existenzangst: Auf der einen Seite sind Uta und ihre Herde beliebte Aushängeschilder von Sylt, drehten dort schon Werbespots mit Fußball-Kulttrainer Jürgen Klopp. Auf der anderen Seite findet die Schleswigerin kaum geeignetes Personal.
    Sie arbeitet rund um die Uhr – und weit unter Mindestlohn. Das Durchschnittsalter in der Branche beträgt knapp 60 Jahre. Marthe Lohse (24) ist die jüngste Wanderschäferin Deutschlands. Die Schwerinerin gilt als Exotin in dieser Männerdomäne. Mit ihren rund 1000 Tieren wandert Marthe bis zu 20 Kilometer pro Tag. Zudem wuchtet sie täglich schwere Wassertröge, zieht kilometerlange Zäune und ist eigentlich immer für ihre Schafe da. Und nun will sie neben ihrer Arbeit noch ihren Meister machen, um irgendwann einmal einen eigenen Betrieb führen zu können.
    In den vergangenen 20 Jahren schmissen geschätzt rund 70 Prozent der verbliebenen Wanderschäferinnen und Wanderschäfer hin. Marthe hingegen will jetzt erst recht durchstarten. Bereits zu Schulzeiten stand für sie fest, dass sie eine Herde anführen will: „Ich bin schon immer ganz froh, wenn ich – weit weg von der Stadt – mit den Tieren alleine sein kann.“ Der Sommer ist für die festangestellte Schäferin die „stressigste Zeit“. Dann kommen Hunderte Lämmer auf die Welt und halten sie und ihren Chef Klaus Seebürger (62) auf Trab.
    Dieser fühlt sich manchmal mehr als Manager denn als Wanderschäfer. Der Hildesheimer führt im niedersächsischen Preten eine der größten Schäfereien des Landes. Er ist nicht nur für fast 7000 Tiere verantwortlich, sondern auch für seine Mitarbeitenden. Die Budgets werden knapper, die behördlichen Auflagen immer größer. Und nun siedeln auch noch immer mehr Wölfe in Klaus’ Revier an: „Der Wolf war mein edelster Feind, hat sich mittlerweile zu einer echten Plage entwickelt und wird, wenn wir nicht aufpassen, bald für uns Schäfer zu einer regelrechten Pest.“ 44 Wolfsrudel sind mittlerweile wieder in Niedersachsen ansässig.
    Hirten beklagen beinahe täglich einen Schafsriss. Deshalb bildet Klaus nun auf seinem Hof junge Herdenschutzhunde aus. Diese leben Tag und Nacht mit den Schafen zusammen und sollen umherstreunende Wölfe von der Herde fernhalten. Einer der ältesten Berufe der Welt ist vom Aussterben bedroht. Nach aktuellen Schätzungen gibt es hierzulande nur noch etwa 60 Wanderschäferinnen und Wanderschäfer. Ein „37°“-Film über Menschen, die leidenschaftlich für den Erhalt ihres Traumberufs kämpfen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.03.2023ZDF
  • Folge 1112 (30 Min.)
    Deutschlands Kinderkliniken sind überlastet. Der Hauptgrund: zu wenig Pflegekräfte. „37°“ begleitet Pflegerinnen auf Kinderstationen vor dem Kollaps. Betten können nicht belegt werden, weil es nicht genug Personal gibt, um die Kinder versorgen zu können. Operationen müssen verschoben, Kinder in weiter entfernte Kliniken verlegt werden. Pflegerinnen und Pfleger arbeiten am Rand der Belastungsgrenze. Auf der neonatologischen Intensivstation der Medizinischen Hochschule in Hannover liegen die kleinsten Patientinnen und Patienten – und die kränksten.
    Martina ist Pflegerin auf der Früh- und Neugeborenenstation. An diesem Tag betreut sie den kleinen Raman. Er ist zu früh geboren, hat Probleme mit der Lunge und eine Hirnblutung. Ein so schwer krankes Kind wie er sollte eigentlich immer eine sogenannte Eins-zu-eins-Betreuung bekommen. Das heißt: eine Pflegekraft nur für dieses Kind. Doch immer häufiger ist das nicht mehr zu realisieren, es sind einfach zu wenig Pflegerinnen und Pfleger pro Schicht. Es gibt 24 Betten auf der Neonatologie, doch gut ein Drittel davon ist leer – es gibt kein Personal, das die Patientinnen und Patienten versorgen könnte.
    Auf der Neonatologie sind zurzeit 16 Vollzeitstellen unbesetzt. So steht die Station immer wieder vor der Wahl: die Pflegekräfte mit zu vielen Kindern überlasten oder kranke Kinder abweisen. So wie in der Medizinischen Hochschule Hannover ist die Lage in den meisten Kliniken in Deutschland. Pflegeexpertinnen und -experten schätzen, dass schon jetzt circa 100.000 Pflegekräfte an deutschen Krankenhäusern fehlen.
    Der Grund: Schichtdienst, zu schlechte Bezahlung, zu wenig Wertschätzung. Kinderkliniken sind noch mal besonders betroffen, denn Kindermedizin ist schlichtweg weniger lukrativ als andere Bereiche. Bezahlt wird eine Fallpauschale, also ein Durchschnittswert aller „Fälle“, in dem Diagnostik, Behandlung und Pflege enthalten ist. Doch Kinder zu behandeln, braucht mehr Zeit, Aufmerksamkeit, Ansprache und Zuspruch. Auch sind ihre Fälle vielfältiger und daher schwieriger standardisiert abzubilden. Die Notfallquote ist höher als bei Erwachsenen.
    Zudem ist seit einigen Jahren die Pflegeausbildung generalisiert, dadurch entscheiden sich weniger Pflegende für die Kindermedizin, meint Chefarzt Dr. Omran vom Uniklinikum Münster. Auch hier, in der Kinderklinik am Universitätsklinikum Münster, ist die Lage angespannt. Jede Frühbesprechung beginnt mit den Fragen: „Wo ist ein Bett frei, wen können wir entlassen oder verlegen, können wir heute ein Kind aufnehmen, wenn eine Anfrage kommt?“ Auch hier ist das fehlende Pflegepersonal der begrenzende Faktor.
    Franziska arbeitet auf der „Intermediate Care Station“, eine Zwischenstufe zwischen Intensiv- und Normalstation. Dort liegen viele chronisch kranke Kinder, aber auch akute Notfälle. 16 Betten haben sie theoretisch, meistens können sie gerade einmal neun davon belegen. Erschwert wird die Lage im Winter 2022/​23 durch RSV und andere Viruserkrankungen, mehr Kinder als gewöhnlich bräuchten einen Platz, die Isolierungsmaßnahmen kosten zusätzlich Zeit. Milow ist mit seinem Vater zu einem geplanten Eingriff dort, sie müssen allerdings erst einmal auf dem Flur warten, bis ein anderes Kind verlegt werden kann und ein Platz für sie frei wird.
    Enno hat diesmal Glück gehabt, er hat direkt ein Bett bekommen. Er hat das Kabuki-Syndrom, einen seltenen Gendefekt. Deshalb muss er regelmäßig in die Klinik. „Das macht einem schon Angst, ob die Versorgung auch in Zukunft noch gewährleistet ist“, sagt Ennos Mutter Esther. Der ständige Druck und der ständige Zeitmangel machen sich auch bei Franziska bemerkbar.
    „Manchmal hat man schon sechs Tage durchgearbeitet, und dann kommt am freien Tag der Anruf, ob man nicht doch einspringen könnte, manchmal sogar für mehrere Schichten am gleichen Tag. Da fragt man sich schon, wie soll das funktionieren?“ „37°“ begleitet Pflegekräfte in Hannover und Münster durch ihre stressigen Schichten am Rande der Belastbarkeit. Der Film zeigt die schönen und traurigen Momente im Alltag in zwei der größten Kinderkliniken des Landes. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen Pflegekräfte unter Druck, für die der Beruf trotzdem immer noch eine wirkliche Berufung ist. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.03.2023ZDF
  • Folge 1113 (30 Min.)
    Als Stolpersteine vor dem Haus ihrer Großeltern lagen, suchte Bianca nach Hinweisen, was der Großvater während des Nationalsozialismus eigentlich gemacht hat.
    Die „37°-Reportage porträtiert drei Familien, die jahrelang ein Familiengeheimnis hüteten und daran fast selbst zerbrachen. Es sind Tabus, die nicht ausgesprochen wurden. Auch nahmen sie in Kauf, dass die nachfolgende Generation unter der Last der Verdrängung leiden musste. Dunkle Geheimnisse können eine Partnerschaft und Familie nachhaltig belasten und über Generationen hinweg Unheil anrichten. Brittas Eltern hüteten über 30 Jahre lang ein Geheimnis: Ihre Tochter entstand durch einen anonymen Samenspender. Erst vor Kurzem brach die Mutter das Schweigen und erklärte sich in einem Brief.
    Doch für Tochter Britta brach eine Welt zusammen. Sie fühlt sich von ihren Eltern betrogen und weiß nicht mehr, woher sie kommt. Dabei ist Brittas Mutter Professorin für Erziehungswissenschaft und weiß, wie wichtig das Wissen um die eigenen Wurzeln ist. Dennoch litt sie in all den Jahren, in denen sie die Tochter belog. Nun sucht die Familie nach Wegen, das Vertrauen zurückzugewinnen. Als Kind besuchte Bianca oft ihre Großmutter und wollte mehr vom Krieg erfahren. Aber die Oma wies alles von sich: Sie habe von den Gräueltaten der Nazis nichts gewusst, und in ihrer Gegend habe es keine Juden gegeben.
    Doch als Bianca vor Kurzem wieder an dem Familienhaus vorbeispazierte, entdeckte sie drei Stolpersteine und begann, zu recherchieren. Vor den Großeltern hatten im Haus drei Juden gelebt, die nach Theresienstadt deportiert und ermordet wurden. Was wussten die Großeltern wirklich, und war Biancas Großvater etwa ein Täter? Taner ist Moslem und schwul. Seine Homosexualität hat er zunächst auch vor sich selbst verdrängt. Lange hoffte er, Allah könnte ihn davon heilen.
    Bis heute ist es sein Geheimnis geblieben, weil er seine Familie in der Türkei nicht in Schwierigkeiten bringen will. Für einen Teil seiner Verwandtschaft gehören Homosexualität und Islam nämlich nicht zusammen. Dabei findet sich im Koran kein Verbot, und Taner hofft, dass es irgendwann zu einer sexuellen Revolution in den Köpfen der Menschen kommt. Doch bis dahin will er sich vor seiner Familie nicht outen. Die „37°“-Reportage begleitet Menschen mit Familiengeheimnissen auf dem Weg, sie zu lüften. Denn sie alle suchen den Anfang für ein befreites Leben, weil das Tabu sie belastet. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.03.2023ZDF
  • Folge 1114 (30 Min.)
    Plötzlich fehlt jede Lebensenergie, der Körper ist völlig kraftlos. Pauline, Martin und Barbara sind an ME/​CFS erkrankt, wie 17 Millionen Menschen weltweit. Ihr Leben, ein einziger Kampf. Meistens tritt die chronische Multisystemerkrankung nach einer Virusinfektion auf. Die Genesung bleibt aus. Die Betroffenen haben Schlafstörungen und dauerhaft grippeähnliche Symptome, dazu eine ausgeprägte Belastungsintoleranz und kognitive Störungen. „37°“ begleitet drei Menschen, die an ME/​CFS (die Myalgische Enzephalomyelitis/​das Chronische Fatigue-Syndrom) erkrankt und unterschiedlich stark von dieser Multisystemerkrankung betroffen sind.
    Drei Menschen, die so starke Schmerzen haben, dass sie sich fast täglich die Frage stellen: Ist das noch ein Leben? Die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben mit, was sie motiviert, weiterzukämpfen und am Leben zu bleiben, welche Hoffnungen und welche Ängste sie haben. Pauline (19) lebt mit ihrem Zwillingsbruder Emil und ihrem 13-jährigen Bruder Leo bei ihren Eltern in München. Sie ist ehrgeizig, steht kurz vor dem Abitur und spielt mehrmals die Woche Tischtennis.
    Im April 2021 bekommt sie Fieber, fühlt sich krank. Von da an ist sie ständig erschöpft, klagt über sehr starke Kopf- und Gliederschmerzen und kann kaum ihr Bett verlassen. Nach drei Monaten Ärztemarathon dann die Diagnose: ME/​CFS. Vermutlich aufgrund einer verschleppten Coronainfektion. Paulines Zukunftsträume erlöschen mit der Diagnose, ihr Leben scheint perspektivlos, sie liegt kraftlos im Bett oder sitzt im Rollstuhl. Unterstützung bekommt sie von ihrer Familie, die ihr Hoffnung gibt, obwohl sie selbst nicht weiß, wie es weitergehen soll.
    Martin (34) liegt in seinem Bett im Haus seiner Eltern in Gütersloh. Seine eigene Wohnung in Hamburg musste der ehemalige DJ und Komponist 2017 nach einem schweren Zusammenbruch aufgeben; ebenso seinen Traum, Rechtsanwalt zu werden. Bereits 2013 erkrankte er zunächst mild nach einer Virusinfektion an ME/​CFS und konnte trotz andauerndem Grippegefühl sein erstes Examen noch schreiben. Dann kam der zweite Infekt und zwang ihn, sein Leben auf eine Zwei-mal-zwei-Meter-Matratze zu verengen. Seit 2019 ist Martin bettlägerig und hat eine Magensode.
    Barbara (44) aus Kiel erkrankte 2005 an ME/​CFS. Auf die Diagnose musste die zweifache Mutter zwölf Jahre lang warten. Kein Arzt wollte ihr glauben – zu unbekannt und unerforscht ist die Erkrankung. Erst mit der COVID-19-Pandemie und ihrer Einstufung als Long-COVID-Patientin schenkten ihr Ärzte Aufmerksamkeit. Sie ist moderat betroffen und hofft, durch verschiedene neue Therapiemöglichkeiten eine Besserung zu erzielen und mehr Energie im Alltag für ihre beiden Kinder Ronja (9) und Juri (12) sowie ihren Mann Volker (52) zu haben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 04.04.2023ZDF
  • Folge 1115 (30 Min.)
    Die Kirchen in Deutschland leiden an dramatischem Mitgliederschwund: Seit 2022 sind weniger als 50 Prozent der Deutschen Mitglieder der evangelischen oder der katholischen Kirche. Pastorinnen und Pastoren wollen das nicht hinnehmen – und ihre Kirche für neue Bevölkerungsgruppen öffnen. Drei davon greifen zu ungewöhnlichen Mitteln. Mittwoch, 19:00 Uhr: Ellen und Steffi Radtke melden sich bei ihren Fans auf YouTube. Es könnte schrill werden. Ob Kinderwunschbehandlung, Sex vor der Ehe oder eine Akkuschrauber-Segnung – dem Pastorinnen-Ehepaar aus Eime in Niedersachsen scheint nichts heilig zu sein.
    Der Erfolg gibt ihnen recht: Über 25.000 Abonnenten hat ihr Kanal „Anders Amen“ mittlerweile – auch dank einer für Pastorinnen ungewöhnlichen Sprache. „Als ich jünger war, habe ich Kirche nie verstanden, also was da geredet worden ist“, erinnert sich Ellen Radtke. „Dabei hätte ich eine Kirche gebraucht, die ich kapiere und die mit meinem Leben zu tun hat.“ Genau das soll „Anders Amen“ leisten. Jetzt wollen die Radtkes einen Schritt weitergehen und eine Onlinegemeinde gründen.
    Doch so einfach ist das nicht. Viel analoger ist seit 2021 Philipp Roß unterwegs: Mit einer dreirädrigen Piaggio Ape tourt der 36-Jährige im Retro-Tempo durch das bayerische Oberland und sucht das Gespräch mit Menschen jenseits der Kirche, etwa auf Marktplätzen oder an Seen. Er fürchtet, „dass, wenn die Kirche so weitermacht wie bisher, sie als Institution ein großes Problem bekommt, weil einfach die Leute nicht mehr kommen werden“. Daher ergründet der junge Penzberger Pastor die Motive für die Kirchenflucht.
    Zwischen Slackline und Gemüseständen erfährt er, was die Menschen an Kirche heute stört: „Es ist dieses Bevormundende. Sie haben das Gefühl, sie machen vielleicht was nicht richtig und fühlen sich nicht willkommen.“ Auch deshalb feiert der Nürnberger Pfarrer Hannes Schott Gottesdienst gern jenseits seiner altehrwürdigen Kirche. Der 42-Jährige hat sich schon auf Facebook versteigert und einen Gottesdienst im Reisebus gefeiert – und taucht auch gern in Buchhandlungen auf.
    Dort liest er aus seinem Buch „Raus aus dem toten Winkel“, in dem er sich über die Zukunft der Kirche Gedanken macht. Sein Konzept: mehr Humor und Selbstkritik. Sein nächstes Projekt: ein fränkischer Gottesdienst in einer Schreinerei. So unterschiedlich die Ansätze der Pastorinnen und Pastoren sind, so ähnlich ist ihr Ziel. Sie wollen ihre Kirche diverser machen und die Hoffnung nicht aufgeben, sie wieder in der Mitte der Gesellschaft verankern zu können. „37°“ begleitet die kirchlichen „Aktivistinnen“ und „Aktivisten“ bei den Aktionen für eine andere Kirche. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 11.04.2023ZDF
  • Folge 1116 (30 Min.)
    Pflegeheime sind oft ausgerichtet auf Senioren. Wenn junge Menschen pflegebedürftig werden und nicht zu Hause bleiben können oder wollen, passt das oft nicht. „37°“ zeigt ein Positivbeispiel. Das Malteserstift in Erlangen verfügt über eine Abteilung für Junge Pflege. Dort leben Celina (23), Katarina (27) und Christoph (36). Neben der Pflege war für sie wichtig, dass es eine altersgerechte Freizeitgestaltung in dem Stift gibt. Mit seinem Rollator ist Christoph viel im angrenzenden Wald unterwegs, Heavy Metal aus dem Kopfhörer begleitet ihn.
    Der 36-Jährige war Industriemechaniker bei Siemens. Als die Erbkrankheit Chorea Huntington bei ihm ausbricht, ist er 28. Er hat eine feste Freundin und wohnt in einer Dreizimmerwohnung. Arbeit, Beziehung, Selbstständigkeit – all das hat er nun verloren, nur nicht seinen Humor. „Ich bin doch noch jung und knackig“, scherzt er. Sein Vater Robert ist stolz auf seinen Sohn und darauf, wie er sich der Erkrankung stellt. So oft wie möglich besucht er ihn.
    Die gemeinsame Zeit genießen, das ist ihm wichtig. Zehn Jahre lang hatte Robert seine Frau gepflegt, die im Alter von 44 Jahren an der gleichen Erkrankung starb. Mit 23 Jahren ist Celina derzeit die jüngste Bewohnerin des Malteserstifts. 2019 hatte die Bürokraft noch in England gearbeitet, 2021 bricht eine neurologische Erkrankung bei ihr aus, die sie innerhalb weniger Monate bewegungsunfähig macht. Miller-Fisher-Syndrom lautet die noch nicht bestätigte Diagnose. Noch immer kann sie ihre Beine nicht bewegen und ist bettlägerig.
    Im Heim versucht sie nun, ein neues Leben anzufangen. Mithilfe der dortigen Physiotherapeuten hofft sie, wieder laufen zu lernen. Ein bis vier Jahre soll das dauern. Katarina, 27, war die erste Bewohnerin der Einrichtung Anfang 2020. Als sie sechs Jahre alt ist, wird bei ihr ein gutartiger Gehirntumor diagnostiziert. Allerdings muss ein Shunt gelegt werden, um Wasser, das sich im Gehirn sammelt, in den Magen abzupumpen. Sie kann danach ein weitgehend normales Leben führen, absolviert eine Hauswirtschaftsschule und arbeitet anschließend in einer Cafeteria als Bedienung.
    Dann muss der Shunt 2019 erneuert werden. Es kommt zu Komplikationen. Katharina erleidet eine schwere Infektion, in deren Folge sie weder gehen noch sprechen kann. Inzwischen kann sie wieder sprechen und selbstständig essen. Eine weitere Operation könnte den Rollstuhl überflüssig machen – sofern alles gut geht. Die meisten der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland sind im Seniorenalter.
    Aber rund 370.000 Menschen, die Pflege brauchen, sind zwischen 20 und 55 Jahren alt. Die meisten, mehr als 90 Prozent, werden zu Hause von Familienangehörigen versorgt, oft mit Unterstützung von ambulanten Pflegediensten; aber es bleiben immer noch mehr als 16.000 jüngere Menschen, die nicht häuslich versorgt werden können. Häufig kommen sie in Alten-Pflegeheimen unter, in denen sie sich meist unwohl fühlen, weil die Pflege dort nicht auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Das 2020 eröffnete Malteserstift in Erlangen verfügt über eine Abteilung für Junge Pflege.
    Neben 84 Plätzen für Senioren gibt es 18 Plätze für Menschen im Alter von 18 bis 65, die durch Unfall oder schwere Krankheit auf Pflege angewiesen sind. Sie wohnen in einem Extrabereich im Erdgeschoss. Jeder Bewohner hat dort sein eigenes Zimmer. Es gibt Gemeinschaftsräume wie Wohnzimmer, Esszimmer und eine Terrasse. Mit den jungen Bewohnern unternehmen die Pflegekräfte regelmäßig Ausflüge. Die „37°“-Sendung steht am Sendetag ab 8:00 Uhr in der ZDFmediathek zur Verfügung. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 18.04.2023ZDF
    Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 04.04.2023
  • Folge 1117 (30 Min.)
    In Gemeinschaft leben – ein Wunschtraum? Auf Burg Disternich leben 16 Erwachsene, sieben Kinder und jede Menge Haus- und Wildtiere. Da läuft es nicht immer reibungslos. Um in der Genossenschaft aufgenommen zu werden, müssen die Bewerberinnen und Bewerber ein Jahr auf Probe überstehen. Danach entscheiden die Mitglieder der Genossenschaft über ihre Aufnahme. Gibt es nur ein Veto, kann die Person nicht einziehen. In der Nähe von Köln, auf einem zehn Hektar großen Land, haben Sabine und Simon eine Genossenschaft gegründet für Menschen, die in Gemeinschaft leben wollen. David und Clara gehörten zu den Ersten, die der Genossenschaft beigetreten sind.
    Der Cellist und die Pianistin haben sich an der Musikhochschule kennen und lieben gelernt. Sie leben dort mit ihren beiden Kindern und sehen die Burg als eine Begegnungsstätte für Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit. Dawids und Evas Probejahr neigt sich dem Ende zu. Die anstehende Entscheidung über die Aufnahme in die Gemeinschaft zehrt an ihren Nerven. Eva möchte unbedingt bleiben; sie weiß aber, dass es um ihren Partner Dawid schlecht steht. Er hat in der Gruppe viele Konflikte, was auch die gemeinsame Beziehung auf eine harte Probe stellt. Wird Dawid die Gemeinschaft verlassen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereFr 21.04.2023ZDFDeutsche Online-PremiereMi 05.04.2023ZDFmediathek
  • Folge 1118 (30 Min.)
    Wer bleibt? Wer muss gehen? Wenn 16 Erwachsene und sieben Kinder in einer Gemeinschaft zusammenleben, dann müssen harte Entscheidungen getroffen werden. Aktionstage, Gefühlsrunden, Kulturfeste – volles Programm auf Burg Disternich. Die Bewohnerinnen und Bewohner machen fast alles in Gemeinschaft. Kochen, essen, arbeiten, sich um die Kinder kümmern. Betti bringt als Neue frischen Wind in die Burg. Ihr Probejahr hat gerade begonnen. Die ehemalige Kneipenbesitzerin wollte nicht mehr allein leben, auch wenn das bedeutet, dass sie Kompromisse eingehen muss. Marcel hat auf Burg Disternich die Liebe gefunden.
    Sophie kam als freiwillige Helferin und verliebte sich in den großen Mann aus Süddeutschland. Auf dem Burggelände wollen sie eine solidarische Landwirtschaft umsetzen. Dawid hat das Probejahr nicht überstanden und ist ausgezogen. Seine Freundin Eva ist mit ihrer Tochter Nouria geblieben. Die Beziehung zu Dawid hat Risse bekommen. Außerdem hat Eva einen neuen Job als Tanztherapeutin angenommen und kaum noch Zeit für die Gemeinschaft. In einer Gefühlsrunde legt sie ihre Zweifel und Ängste offen. Sie wird entscheiden müssen, ob sie in der Gemeinschaft bleiben will. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereFr 21.04.2023ZDFDeutsche Online-PremiereMi 05.04.2023ZDFmediathek
  • Folge 1119 (30 Min.)
    „Die Arbeit, die man in der Partnerschaft hat, hat man hier mit 20 Menschen.“ So beschreibt Clara die Beziehung zu den anderen „Burgis“. Es gibt Überraschungen – und eine Hausgeburt. Gemeinsam feiern, darüber reden, was für Unstimmigkeiten sorgt, und Probleme aus dem Weg räumen – das ist Alltag auf der Burg. Jeder hat seine Herausforderungen. Bei Clara und David hat sich wieder Nachwuchs angekündigt. Sie möchten ihr drittes Kind auf der Burg zur Welt bringen. Dafür dürfen keine Komplikationen auftreten.
    Claras Partner David möchte bei der Hausgeburt helfen – er fragt sich jedoch, ob er sich das wirklich zutraut. Eva zweifelt weiterhin, ob die Gemeinschaft für sie und ihre Tochter passt. Ein Konflikt über Erziehung taucht auf, als ein Kindergeburtstag auf der Burg geplant wird. Betti stellt sich ihren Themen, vor allem dem Suizid ihres Sohnes Max vor vielen Jahren. Sophie verlässt die Burggemeinschaft und die Solidarische Landwirtschaft, die sie mit Marcel aufbauen wollte. Wie wird es jetzt mit Marcel weitergehen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereFr 21.04.2023ZDFDeutsche Online-PremiereMi 05.04.2023ZDFmediathek
  • Folge 1120 (30 Min.)
    Eine Diagnose, die alles verändert: Milo hat einen Gendefekt. Wie wird das Leben werden mit einem Kind, das extrem viel Betreuung braucht? „37°“ begleitet die Familie. Als ihr zweites Kind zur Welt kommt, scheint das Glück für Nicole und Michael perfekt. Bis sie merken, dass Milo sich nicht entwickelt wie andere Kinder. Dann die Diagnose: Milo hat das Angelman-Syndrom, eine schwere physische und psychische Beeinträchtigung. Für Nicole und Michael, die Eltern, die schon vor der Diagnose einen Verdacht hegen, ist der Befund ein Schock. Konkret bedeutet Milos Behinderung: Er wird Zeit seines Lebens ein Pflegefall mit starker Beeinträchtigung sein, wird niemals richtig laufen oder sprechen können und immer auf Hilfe angewiesen sein.
    Plötzlich scheint die Zukunft wie eine nicht enden wollende Belastungsprobe ohne Hoffnung auf Besserung. Bald haben sie das Gefühl, dass das familiäre Gleichgewicht nicht mehr stimmt, und wünschen sich ein drittes Kind, um die verloren geglaubte Balance wiederherzustellen. Das Risiko wollen sie eingehen, nachdem ein Gentest ergeben hat, dass es während Nicoles Schwangerschaft mit Milo zu einer spontanen, nicht erblich bedingten Genmutation gekommen war.
    Wie kann ein Familienleben gelingen, in dem Milo als Bereicherung wahrgenommen wird? Wie reagieren Freunde und Familie? Gläsers suchen sich auch andere Formen der Unterstützung, etwa in einem Selbsthilfeverein betroffener Eltern oder durch finanzielle Hilfen, die ihnen gesetzlich zustehen. „37°“ startet die filmische Begleitung der Familie in einem noch frühen Stadium nach der Diagnose und schreibt ihre persönliche Lebensgeschichte über einen Zeitraum von etwa drei Jahren fort. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 16.05.2023ZDF
    Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 02.05.2023
  • Folge 1121 (30 Min.)
    Wer plötzlich Angehörige bei einem Unfall verliert, wacht in einem anderen Leben auf. Antonia verlor ihre Eltern und ihre Schwester, Steffen seine Frau und seinen Sohn. Mit 16 Jahren wird Antonia, 24, durch einen Raserunfall im Namibia-Urlaub zur Waise. Steffens Frau und Sohn werden auf einer Landstraße in der Pfalz totgefahren. Nur seine kleine Tochter überlebt. Antonia und Steffen kämpfen mit dem Verlust und um Gerechtigkeit. Den Weihnachtsurlaub 2014 verbringt die Berlinerin Antonia Joschko (24) mit ihrer Familie in Namibia.
    Damals ist sie 16 Jahre alt. Am 29. Dezember wollen die Joschkos eine befreundete Familie treffen. Auf der Fahrt in der namibischen Wüste rast ein Fahrzeug mit weit überhöhter Geschwindigkeit in ihr Auto. Bei dem Unfall sterben Antonias Mutter, ihr Vater und ihre ältere Schwester sowie drei weitere Personen im Auto des Unfallfahrers. Für Antonia beginnt ein schwerer Weg in ein neues Leben: „An dem Tag hat mein Leben, das ich bis dahin geführt habe, aufgehört.“ Die 16-Jährige ist nun auf sich allein gestellt.
    Sie muss sich entscheiden: aufgeben oder weitermachen. Sich zu vergraben, ist für Antonia keine Option. Verwandte und Freunde fangen Antonia in der ersten Zeit auf. Sie versucht, ihren Alltag zu bewältigen, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen. Immer wieder erlebt sie Flashbacks des Unfalls. Antonia will ihr Leben nicht vom Tod bestimmen lassen. Sie entscheidet sich für eine Therapie. Und kämpft seit 2015 um Gerechtigkeit für ihre getöteten Angehörigen.
    Vor einem Gericht in Namibia muss sich der Unfallverursacher wegen sechsfachen Mordes verantworten. Regelmäßig fliegt sie zu den Verhandlungen in das afrikanische Land – erst als Zeugin, dann als Zuhörerin und als Klägerin. Nora Kirchner ist einen Monat und sechs Tage alt, als sie im September 2020 ihre Mutter und ihren Bruder verliert. Bei einem Unfall auf einer Landstraße in der Pfalz ist sie die einzige Überlebende im Auto ihrer Mutter. Von einer Sekunde auf die andere wird Nora zur Halbwaise und ihr Vater Steffen zum Witwer und Alleinerziehenden.
    Der Verlust von Frau und Sohn lässt Steffen Kirchner, 37, nicht los. Seit 2020 prägt der Unfall seinen Alltag: „An den Schmerz, an den Verlust, kann man sich nie gewöhnen. Man versucht nur, damit zu leben. Es ist schwer.“ Als Überlebende steht „die Kleine“, wie Nora von ihrem Vater genannt wird, nun an erster Stelle. Im Alltag hilft Steffens Mutter, ansonsten versucht der 37-Jährige, alles mit sich selbst auszumachen.
    Nach dem Unfall richtet sich das ganze Leben nach der kleinen Nora. Sie wird behütet wie ein Schatz. Überall im Alltag der Kirchners finden sich Andenken. Direkt am Eingang zur Wohnung erinnert ein kleiner Altar mit Fotos und Spielzeug von Finn an das einst gemeinsame Familienleben. Einmal pro Woche fährt Steffen Kirchner zur Unfallstelle. Zur Erinnerung an die Toten und als Mahnung hat er Kreuze errichtet. Im Sommer 2022 steht der Unfallverursacher vor Gericht. Der 29-Jährige war mit seinem Wagen mit weit überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen, als er in das Fahrzeug der Kirchners raste.
    Nach fünf Verhandlungstagen fällt das Urteil: dreieinhalb Jahre Haft. Steffen Kirchner ist froh, dass der junge Mann ins Gefängnis muss. Gerechtigkeit fühlt er dennoch keine. Denn das Urteil bringt ihm seine Familie nicht zurück. Eine „37°“-Langzeitbeobachtung über Menschen, die lernen müssen, mit dem Verlust und dem Schmerz nach dem Unfalltod ihrer Angehörigen zu leben, und dabei ganz unterschiedliche Wege gehen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 30.05.2023ZDF
    Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 16.05.2023
  • Folge 1122 (30 Min.)
    Hunde verändern unseren Alltag. Sie können trösten, unterstützen, sogar Leben retten. „37°“ begleitet drei Menschen, die durch ihre Assistenzhunde selbstständiger werden wollen. Jocy (15) soll es gelingen, mithilfe ihres Blindenführhundes Timmy unabhängiger zu werden. Tanja (40) hofft, dass ihre epileptischen Anfälle durch Hündin Umar rechtzeitig erkannt werden. Und Jonas (24) ist Autist. Seine Hündin Tara eröffnet ihm neue Perspektiven. Verknüpft werden die Geschichten von Jocy, Tanja und Jonas durch Dirk Kempken. Er ist Hundetrainer in Kempen bei Krefeld und bildet mit großer Leidenschaft Assistenzhunde für Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen im Alltag aus.
    Schon als Kind hat er sich „mehr für Hunde als für Jugendzeitschriften interessiert“. Geeignete Welpen, wie den schwarzgelockten Timmy, sucht er direkt bei einem Züchter aus. Dem Labradoodle-Welpen steht eine große Aufgabe bevor. Dirk Kempken wird ihn zum Blindenführhund ausbilden. Er soll der 15-jährigen Jocy im Alltag helfen, deren Gesichtsfeld, und damit ihre Sehfähigkeit, stark eingeschränkt ist.
    Normalerweise wird sie auf Schritt und Tritt von ihren Eltern Corinna und Marcus sowie von Schwester Merle begleitet. Diese Aufgabe soll Timmy künftig übernehmen. Zunächst muss die 15-Jährige lernen, ihren Hund mit richtigen Kommandos, wie: „Such Bordstein!“ oder „Such Ampel!“ korrekt zu führen und ihm zu vertrauen. Jocys Eltern sind am Anfang skeptisch. Denn schließlich „überlassen wir einem Hund die Verantwortung für unser Kind“, wie Mutter Corinna sagt. Pudel Umar bringt Dirk Kempken mit seiner neuen Besitzerin Tanja aus Delmenhorst zusammen.
    Für den Ausbilder ist diese Teambildung deutlich schwieriger. Denn ob die Hündin die epileptischen Anfälle wirklich rechtzeitig anzeigen wird, muss sich erst noch in der Praxis zeigen. Dirks jahrzehntelange Erfahrung mit Assistenzhunden und den Eigenschaften der unterschiedlichen Rassen sagt ihm aber, dass Umar die nötige Sensibilität mitbringen wird und Tanja später vor einem Anfall warnen kann. Die 40-jährige verfügt über keine sogenannte Aura mehr. Das bedeutet, ein Anfall kommt für sie so überraschend, dass sie sich nicht rechtzeitig in eine sichere und liegende Position bringen kann.
    Selbst teure Spezialmedikamente konnten ihr nicht helfen. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass Tanja mehrfach schwer stürzte und gefährliche Verletzungen erlitt. Seitdem traut sie sich kaum noch aus dem Haus. Ihre Mutter Helga lebt eine Etage über ihr, um bei einem Anfall so schnell wie möglich bei ihrer Tochter sein zu können. Auch während der Dreharbeiten erleidet Tanja einen epileptischen Anfall, nur wenige Minuten, bevor Dirk ihr Umar überbringt.
    Der Vorfall wurde auf Wunsch von Tanja mit der Kamera dokumentiert und beweist, wie wichtig es ist, dass Umar sie künftig warnt, bevor sie unkontrolliert stürzt. Ungewöhnlich ist auch die Beziehung von Bolonka-Zwetna-Hündin Tara zu ihrem Besitzer Jonas (24) aus Tönisvorst bei Krefeld. Er ist Autist, sehr begabt, aber hat große Schwierigkeiten, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten oder sich auf neue Situationen einzustellen. Wenn Fremde zur Familie kommen, dann vermittelt Tara in der Regel den Blickkontakt.
    Konkret blickt Jonas auf Tara und diese auf sein Gegenüber. Der Film dokumentiert, wie er im Verlauf von zwei Jahren zunehmend an Selbstsicherheit gewinnt – um sich immer größeren Herausforderungen im Alltag zu stellen. So fasst Jonas zum Beispiel erst mit Tara auf dem Rücksitz den Mut, Fahrstunden zu nehmen. Ohne seinen Assistenzhund undenkbar, meistert er nun zusammen mit ihm bravourös jede Fahrsituation. Die „37°“-Langzeitbeobachtung zeigt, welche besonderen Beziehungen zwischen Jocy, Tanja, Jonas und ihren Hunden entstehen – als Helfer im Alltag sowie in Notsituationen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 06.06.2023ZDF
  • Folge 1123 (30 Min.)
    Finn und Aliya führen eine Art Doppelleben: Nach außen sind sie selbstbewusste Teenager, innerlich fühlen sie sich einsam, traurig, leer. Sie kämpfen entschlossen gegen ihre Depressionen. Jede*r fünfte Jugendliche unter 18 ist psychisch schwer krank und muss behandelt werden. Mobbing, Missbrauch, krankhafter Medienkonsum, Schulangst – die Liste der Auslöser ließe sich beliebig erweitern. Die Coronapandemie hat die Situation noch verschlechtert. Finn (18) und Aliya (13) sind freundlich, schlau und eloquent. Man sieht ihnen nicht an, dass sie nur für ihre Außenwelt diese selbstbewussten Teenager sind.
    Beide Jugendlichen sind so schwerwiegend erkrankt, dass eine ambulante Therapie nicht mehr wirksam wäre. Sie verbringen viele Wochen in einer Klinik für Kinder – und Jugendpsychiatrie. „Ich bin wie in einer dichten Blase und sehe die Welt riesig und ich bin ganz klein“, sagt Finn, wenn er versucht, seine Depression zu beschreiben. Finn ist der zweitälteste von vier Geschwistern. Er wächst auf in einem Haus mit Garten. Nach der Trennung der Eltern kommt seine Mutter mit Finns Pubertät nicht zurecht. Er muss weg von zu Hause.
    Das Jugendamt stellt ihm ein Zimmer in einer Zweier-WG zur Verfügung. Dass er eigentlich Hilfe bräuchte, bemerkt keiner. Finn verkraftet den Verlust von Eltern und Geschwistern nicht. Er wird in einer Klinik stationär aufgenommen. Erst dort begreift Finn, was er braucht und wonach er sich sehnt. „Ich sitze ganz allein in einem leeren, dunklen Zimmer, aus dem ich nicht raus kann, weil es keine Türen und Fenster mehr gibt, kein Licht, das hereinfällt. Ich hocke in einer Ecke und fühle mich elend und bewegungslos“, beschreibt Aliya ihre innere Not.
    Sie lebt mit ihrer Familie in einem großen Haus im Grünen. Sie ist gut in der Schule, hat einen Zwillingsbruder, Freunde und Hobbys. Alles ist so, wie man sich ein behütetes Aufwachsen vorstellt. Doch oft überkommt sie ein innerer Schmerz mit solcher Wucht, dass sie sich nur mit selbstverletzendem Verhalten zu helfen weiß. Zu Hause erklärt sie, die Wunden stammten von einem Sturz in eine Dornenhecke. Mit elf Jahren ist sie zum ersten Mal auf der Kinderstation einer psychiatrischen Klinik. Dort geht es ihr besser, weil sie hier ihre traurige und verletzliche Seite zeigen kann.
    Im durchstrukturierten Stationsalltag entdecken Finn und Aliya in kleinen Schritten ihre Gefühle wieder und lernen, sie zu benennen. Inmitten von Gleichgesinnten und medizinischer Betreuung sollen sie vorsichtig und langwierig zurück in einen normalen Teenageralltag finden. Der Weg zurück zu seelischer Gesundheit und Unbekümmertheit ist langwierig und nicht ohne Rückschläge. Nach zwei Monaten Klinik sieht Finn klarer, weiß die Zeichen seiner Depression zu erkennen und darauf zu reagieren. Gesund ist er nicht, aber er hat Pläne, eine feste Freundin und kann nach vorne schauen.
    Mit den Eltern hat er heute keinen Kontakt mehr. Aliya hat in ihren verschiedenen, monatelangen Klinikzeiten gelernt, überhaupt erst wieder Gefühle wahrzunehmen und zuzulassen. Außerdem ihre inneren Warnsignale zu erkennen. Sie hat entschieden, dass sie nicht zurück in ihre Familie möchte, stattdessen lieber in eine therapeutische Wohngruppe – 600 Kilometer entfernt von ihrem Zuhause. „37°“ begleitet die beiden Jugendlichen Aliya und Finn auf ihrem Weg, gesünder zu werden und spürt der Frage nach, was ihre Seelen so krank gemacht hat? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 13.06.2023ZDF

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