Bildernot und Expertenmangel
TV-Sender weisen Kritik zurück
RüM – 27.12.2004

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat gut reden. Wenn auf der Welt etwas schreckliches passiert, dann setzen sich ihre Schreiberlinge an den News-Ticker und basteln eine eigene Meldung daraus. Das Foto dazu kommt per DFÜ über eine Bildagentur. Der Aufwand hält sich in Grenzen, Business as usual. Beim Fernsehen ist das ein bisschen komplizierter. Der Zuschauer verlangt aktuelle Schreckensbilder und den Reporter vor Ort – auch wenn der überhaupt keinen Überblick haben kann.
So wehrten sich denn auch die TV-Verantwortlichen gegen die Kritik eben dieser Zeitung, die Berichterstattung über die Flutkatastrophe in Südasien sei nur zögerlich angelaufen und wäre dem Ausmaß der Katastrophe nicht angemessen gewesen. Thomas Pütsch, Sendersprecher von N24, räumte ein, dass „es schwierig gewesen sei, Sondersendungen zu bestücken, da es nur wenig Material und wenige Aktualisierungen des Materials gegeben habe“. Bernhard Möllmann von der ARD-Programmdirektion betonte, das Erste habe ab 12:45 Uhr die Nachrichtensendungen verlängert und ab dem Nachmittag auch Extras der „Tagesschau“ angesetzt. Über das Korsett der Nachrichtensendungen habe man das Thema aufgefangen und regelmäßig eingestreut
Nun, wenn das ZDF keinen Korrespondeten vor Ort hat, dann braucht es eben etwas Zeit, einen dorthin zu verschicken. Und wenn die ARD keinen kompetenten Experten erreicht, weil Feiertag ist, dann kann sie keinen aus dem Zylinder zaubern. Das ist eben die Schattenseite moderner TV-Berichterstattung. Hat man nix, worauf man die Kamera halten kann, steht man dumm da. Das sollte eigentlich auch die „Süddeutsche“ nachvollziehen können – und sich eher darüber freuen, dass in der Panik keine journalistischen Luftnummern über den Äther gehen, nur um das eigene Sendungsbewußtsein zu kitzeln und dem Zuschauer irgendwas zum anschauen zu bieten.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Heinz (draussen) am via tvforen.de
Mir geht nun nicht mehr mein Gedanke aus dem Kopf, den ich beim Lesen des Spiegel-Jahresrückblicks 2004 hatte (und den ich im Grunde jedes Jahr habe, wenn ich Anfang bis Mitte Dezember eines Jahres die Jahresabschlüsse sehe, ob nun im TV oder gedruckt), WARUM es so sein muss, dass man fast einen kompletten Monat aussen vor lässt und das Produkt dann betitelt mit Sprüchen wie "Bilder, Menschen, Emotionen eines Jahres" (etc.)
Sorry liebe Rückblicker. Auch wenn es liebe Gewohnheit ist "zwischen den Jahren" Rückschau zu betreiben. Aber eine Sendung oder eine Zeitung, Zeitschrift, die ein komplettes Jahr umfassen will (laut Titel) und dann solche Tragödien, wie diese nicht dokumentieren kann, weil es eben nach Redaktionsschluss geschah ist ein ziemlich wertloses Dokument. Papierkorb oder wegschalten :(
In welchem Jahresrückblick wird das laufen? Und wann lief eigentlich die Katastrophe von Bam?
Und hat die SZ auch schon Jahresrückblicke verhökert? Respektive ihr Verlag...?Andreas am via tvforen.de
Was ich zumindest nicht verstehe, ist die Vielzahl der Korrespondenten vor Ort.
Gut - bei politischen Großereignissen sind vielleicht verschiedene Blickwinkel und Interpretationen möglich - und so richtig gut war es damals auch nicht, daß nur Peter Arnett in Bagdad rumgestanden hat.
Aber im Falle einer Katastrophe diesen Ausmasses gibt es nicht viel zu interpretieren. Jeder Korrepondent bindet Manpower (die wird nun wahrlich für anderes benötigt), benutzt Kommunikationsinfrastrukturen (die werden nun wahrlich für anderes benötigt), benötigt - knappgewordene -Elektrizität (die wird nun wahrlich für anderes benötigt) und steht im Weg rum.
Lieber sollten die Sender mal ins Portemonnaie greifen und sagen " Wir verzichten auf Liveberichte, sondern schicken stattdessen einen medizinischen Stab von 30 Leuten runter".
Damit wäre den Betroffenen mehr geholfen. Wir würden die Bilder vielleicht etwas später sehen - aber unter humanitären Gesichtspunkten wäre das durchaus positiver.Pippi am via tvforen.de
Ich gebe dir vollkommen Recht. Es ist nicht einzusehen, dass jeder popelige TV-Sender dieser Welt seine Reporter da hin schicken darf, die dort nur im Weg stehen. Die knappen Ressourcen, die noch vorhanden sind (Essen, Trinken, Strom, Telefonleitungen, Flugplätze etc.), sollten allein den Opfern und Helfern zur Verfügung stehen.
Wir haben genug schlimme Bilder gesehen.
Und der Gedanke mit Julis "perfekter Welle" ist zwar schaurig, aber gar nicht sooo abwegig. Schließlich gab es auch bald nach 9/11 Bin-Laden-Püppchen und PC-Spiele. Irgendein Idiot wird diese Idee schon aufgreifen und bald kann man dann so ein Video im Netz betrachten. Eine kranke Welt ist das!
Meine uneingeschränkte Hochachtung gilt jedenfalls all jenen, die nun vor Ort sind und helfen!dietmar am via tvforen.de
Die Zuschauer haben ein Recht auf ausführliche Bericht-
erstattung, auch durch Live-Korrespondenten vor Ort, sowohl
bei lokalen wie nationalen und internationalen Ereignissen.
Das ist doch der eigentliche Sinn von FERN-Sehen, und nicht
der Verdummungs-Mist wie bei SAT1, 9Live etc.Balibang am via tvforen.de
Es nervt einfach nur, wenn man immer und immer wieder die gleichen schrecklichen Bilder vorgesetzt bekommt. Die Tagesschau um 20h hat 10 minuten nur Berichte über die Katastrophe,dann noch 3 andere Meldungen und das Wetter. Sofort danach kommt ein Brennpunkt der uns alle nochmal ohne Änderung zeigt. so schlimm diese Katastrophe auch ist, was macht DAS für einen Sinn??? Und ARD und ZDF könnten eine Menge Gebühren sparen, wenn sie ein gemeinsames Korrespondenten Netz betreiben würden anstatt 2 getrennte ...Werderaner am via tvforen.de
Ich frage mich wirklich, wie die TAGESSCHAU-Redaktion manchmal drauf ist.
Eben wurde eine jammernde Deutsche gezeigt. Als ich dann genau hinhörte, glaubte ich, meinen Ohren nicht trauen zu können. Die Dame (ca. 50) beklagte sich darüber, das alles so "schleppend ablaufe".
Ein paar Bilder weiter erzählten Einheimische scheinbar emotionslos, dass sie Wasser aus dem Fluss(!!!) trinken müsste.
Da hätte man sich die sächselnde Frau (irgendwoher kam mir das Jammern doch gleich bekannt vor...), die erschöpft, aber sonst bei bester Gesundheit schein, doch gut weglassen können!
afn am via tvforen.de
Jetzt mal halblang, alle PISA-Analphabeten hier (sorry, aber das musste mal sein):
Was wollt ihr eigentlich?! "der zuschauer verlangt nach bildern der katastrophe?" und wenn er keine bekommt, ist er sauer, rülpst, kratzt sich am bauch und schmeißt genervt seine chipstüte in die ecke, weil er um punkt 18.45 Uhr bei RTL keine INDEPENDENCE DAY- oder THE DAY AFTER TOMORROW-mäßigen 5.1-Surroundsequenzen der herannahenden Welle vorgesetzt bekommt? "Was, da hat nicht mal jemand mitgefilmt? Ey, Scheiße, Mann, wofür zahl ich eigentlich Gebühren?!"
Also bitte, all ihr da draußen in (fast) erdbebensicheren gebieten mitteleuropas: wenn ihr katastrophen sehen wollt, dann geht doch bitte ins kino oder in die videothek. und auf den kommentar, das, was in zeitungen steht, sei uninteressant, weil ja schon einen tag "alt", brauche ich hier ja wohl nicht zu kommentieren...afn am via tvforen.de
fehlt nur noch die einblendung unten in den bericht "musik: juli - die perfekte welle jetzt im handel oder im rtl-shop erhältlich"!
(und ich meinte natürlich "den kommentar brauche ich nicht nochmal zu kommentieren"...sorry, aber war etwas in eile...)Laie am via tvforen.de
@afn
Sehe ich genau so.
Wem die Dschungelshow nicht mehr genug Nervenkitzel bietet, der schreit eben nacht echtem Grauen )-:
holger (off) am via tvforen.de
Ehrlich gesagt: müssen Reporter zur Zeit dort sein? Die einzigen, die dorthin fliegen müssen, sind Helfer und fertig. Wenn ich mir vorstelle, was es kostet, die ganzen Leute, die ohnehin über ihre Handies kaum zu verstehen sind, dahin zu fliegen...
Und was bringt es, aller halbe Stunde informiert zu werden, wieviel zigtausend Tote es jetzt sind?Wilkie am via tvforen.de
holger (off) schrieb:
>
> Ehrlich gesagt: müssen Reporter zur Zeit dort sein? Die
> einzigen, die dorthin fliegen müssen, sind Helfer und fertig.
Und wie werden die millionenteuren Hilfsaktionen zu einem großen Teil finanziert? Durch Spenden, und diese fließen aus den reichen Industrieländern nur, wenn pausenlos die Schreckensbilder im TV zu sehen sind. Eine bloße Tagesschaumeldung tausende Tote da und dort wird die Bürger kaum zum Spenden bringen. Leider, ist aber so.
Ohne die immer wiederkehrenden entsetzlichen Bilder aus Sarajevo (zerfetzte Menschen) hätte es keinen Druck auf die US-Regierung gegeben, hätten die Amerikaner nicht Pale (Sitz von Karadzic) bombardiert, würde es vielleicht heute noch Terrorangriffe auf die Zivilbevölkerung von Sarajevo geben.
Johan Micoud #10 le chef am via tvforen.de
Ich finde es aber ziemlich enttäuschend das ZDF bringt um 19.25 Uhr nur ein 15-Minuten-Special.
Ein 15-Minuten-Special gibts zu jedem halbwegs wichtigen Thema.Die Vereinten Nationen sprechen wörtlich von der grössten humanitären Katastrophe aller Zeiten.Und das ZDF bringt eine 15-minuten-Sondersendung............mattb am via tvforen.de
Was willst Du denn noch sehen? Noch mehr Menschen, die praktisch alles verloren haben und (wenn sie Glück haben) unverletzt vor dem Nichts stehen? Noch mehr Tote und Zerstörung? Die Bilder gleichen sich irgendwann alle!
mattb am via tvforen.de
Absolut .. und gerade in dieser Region ist die medien-technische Infrastruktur bei weitem nicht so entwickelt, wie bei uns. Bilder aufnehmen ist das eine, sie überspielen was anderes!
Also solche Spüche können die Zeitungs-Leutz mal stecken lassen.Rainer11163 am via tvforen.de
Die Zeitungsfritzen haben echt gut lachen: Sitzen in ihren warmen Redaktionen, machen sich anhand von Agenturen ein Bild der Lage und haben auch noch Zeit ohne Ende, schließlich landet ihr Käseblatt erst Stunden später beim Leser. Da fällt es leicht, hämische Worte zu finden. Ich lese grundsätzlich keine Tageszeitungen mehr. Was da drin steht, ist schon alt.