Merce Cunningham

F 2000 (90 Min.)
  • Film

„Dass wir unsere Anstößigkeit nicht verloren haben, zeigt uns, dass wir noch lebendig sind“, sagt der Choreograf Merce Cunningham über seine wegweisenden und manchmal auch verstörenden Arbeiten. Die Dokumentation des amerikanischen Regisseurs Charles Atlas gibt einen lebendigen Eindruck in Merce Cunninghams Welt. Seine experimentellen Choreografien überschreiten immer wieder Grenzen und öffnen die Tanzkunst für andere künstlerische Bereiche wie Malerei, Video und Film. Merce Cunningham choreografiert seit über 50 Jahren modernes Tanztheater.

Die Dokumentation behandelt das Verhältnis von Merce Cunningham zur Informatik, seinen Begriff von Tanz, die Gemeinsamkeiten mit dem Komponisten John Cage, seine Arbeit mit Bühnenbildnern wie Jasper Johns, Mark Lancaster, Robert Rauschenberg oder Bill Anastasi und nicht zuletzt seine multimediale Arbeitsweise mit Video und Film. Außerdem geht es um Cunninghams Liebe zu Frankreich, wo er an der Pariser Oper und beim Festival d’Automne an Anerkennung gewann und schließlich um seinen maßgeblichen Einfluss auf Tanz und Theater des 20. Jahrhunderts.

Der amerikanische Regisseur Charles Atlas lässt andere Choreografen und Regisseure zu Wort kommen und nimmt damit das facettenreiche Werk Merce Cunninghams in den Blick. Charles Atlas hat zwischen 1974 und 1983 mehrfach mit Merce Cunnigham zusammengearbeitet. Die beiden haben neue künstlerische Bereiche erschlossen, in denen Tanz, Film und Video zueinander in Beziehung treten. Mit diesem Film möchten sie einen neuartigen Einblick in die Welt von Merce Cunningham ermöglichen.

Merce Cunningham wurde am 16. April 1919 im amerikanischen Bundesstaat Washington geboren, wo er schon in jungen Jahren das Step- und Gesellschaftstanzen erlernte. Zwei Jahre besuchte er die Cornish School of Fine and Applied Arts in Seattle, daneben trat er in Amateur-Shows und Nachtklubs auf. Als 20-Jähriger kam er über Martha Grahams legendäre Sommerkurse am Bennington College in die Martha Graham Dance Compagnie, der er bis 1945 angehörte.

Noch in diese Zeit fallen Cunninghams erste eigene Choreografien, zumeist kurze Soli für sich selbst, zum Teil bereits mit Musik von John Cage, der ihn am Flügel begleitete. Mit dem Komponisten John Cage verband Cunningham eine lebenslange Freunschaft. Nach der Gründung der Merce Cunningham Dance Company in den 50er Jahren wurde Cage bis an sein Lebensende Cunninghams musikalischer Direktor. Beide suchten von Anfang an den Kontakt mit anderen künstlerischen Disziplinen. Sie lebten im New Yorker Stadtteil Soho, wo sie in Malerkreisen verkehrten, so dass in den 60er und 70er Jahren zahlreiche Bühnenräume von bildenden Künstlern wie Robert Rauschenberg, Andy Warhol, Frank Stella, Jasper Johns und Robert Morris gestaltet wurden.

Cunningham hat seit Beginn seiner Karriere immer wieder ästhetische Trends ausgelöst: er hat den Tanz mit dem Happening vereint, das „Mixed-Media“- und das „Non-Ballet“ erfunden, den Tanz in die Minmal Art geführt und den Modern Dance zu einer neuen Klassik erhoben.

Bereits früh erkannte Cunningham die Möglichkeit des Videos und hat sie für seine Arbeiten genutzt. Er arbeitete zudem mit einem speziellen Softwareprogramm namens „Life Forms“ und war damit wegweisend für Generationen von jungen Choreografen und Tänzern. Seinem Pulikum machte es Cunningham nicht immer einfach, ebenso wie sich selbst. Susan Sonntag brachte das in ihrem Aufsatz „On Culture and the New Sensibility“ auf den Punkt: „Der Tanz Merce Cunninghams macht eine Schulung der der Aufnahmefähighkeit notwendig, die, was die Schwierigkeit und Langwierigkeit betrifft, mindestens vergleichbar ist mit den Schwierigkeiten, die der Beherrschung der Physik oder des Ingenieurwesens im Wege stehen.“ Zur Erklärung seiner eigenen Ästhetik hat Cunningham auch selbst die Physik bemüht: Entscheidend beeinflusst habe ihn Albert Einsteins Satz „Es gibt keine festen Punkte im Raum“.

„Wenn es keine festen Punkte gibt“, sagt Cunningham, „dann ist jeder Punkt gleich interessant und gleich beweglich.“ Infolgedessen schaffte Cunningham weitgehend die symmetrischen Formationen des Balletts und des modernen Tanzes ab.

Jeder Tänzer – auch wenn er in einer größeren Gruppe auftrat – bewegte sich in Cunninghams Arbeiten nicht parallel oder synchron, sondern individualistisch, was die Sehgewohnheiten der Zuschauer immer wieder aufs Neue herausforderte. Erst Cunninghams Arbeit am Choreografiecomputer hat in den 90er Jahren dieses künstlerische Konzept in eine klassischere Perspektive zurückverwandelt, ohne jedoch diese Theorie völlig in Frage zu stellen.

Da sich in Cunninghams Arbeiten die Bewegung nicht an der Musik orientiert, Musik und Tanz also zwei voneinander isolierte Ebenen sind, kann sich der Zuschauer auch nicht über die Musik in die romantische Illusion flüchten. Die Verstörung des Publikums kommentierte der Choreograf jedoch positiv: „Dass wir unsere Anstößigkeit nicht verloren haben, zeigt uns, dass wir noch lebendig sind.“ Quelle: Jochen Schmidt, Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts in einem Band, Berlin 2002, erschienen in der ARTE Edition (Text: arte)

Sendetermine

Mo 03.08.2009
22:40–00:10
22:40–
Sa 01.05.2004
15:15–16:45
15:15–
Do 01.03.2001
12:15–13:15
12:15–
Mi 28.02.2001
13:05–14:05
13:05–
Di 27.02.2001
22:15–23:15
22:15–
Mo 26.02.2001
11:00–12:00
11:00–
So 25.02.2001
18:45–19:45
18:45–

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