Die Ästhetik von Leichen: Honoré Fragonard

Neben seiner Arbeit als Chirurg betätigte sich Honoré Fragonard (1732–1799) auch als Anatomieprofessor und Tierpräparator. Zusammen mit dem Enzyklopädisten Claude Bourgelat, der 1761 in Lyon die erste Veterinärhochschule gründete, zählt er zu den Wegbereitern des Lehrfachs Tierheilkunde. Erst in der Französischen Revolution taucht der geniale, unentwegt sezierende und präparierende Mann aus dem Dunkel der Geschichte auf. Als einziges Schriftdokument ist eine öffentliche Rede erhalten, die er am 4. Juli 1792 in der französischen Nationalversammlung gehalten hat. Darin setzt er sich eindringlich für ein zentrales staatliches Anatomiekabinett ein, um der medizinischen und chirurgischen Ausbildung eine solide anatomische Grundlage zu geben.

1774 wird Honoré Fragonard zum Leiter der anatomischen Abteilung der neu gegründeten Ecole de Santé in Paris berufen. Berühmt wird er vor allem durch seine wie durch ein Wunder bis heute in Einzelexponaten erhaltene Ecorché-Sammlung – präparierte Körper von Menschen und Tieren ohne Haut. Ihr einzigartiges Äußeres erreicht Fragonard, indem er koloriertes Wachs in die Gefäße injiziert. Das restliche Gewebe am Präparat vertrocknet, lediglich Skelett und Sehnen bleiben übrig. Fragonards wohl berühmteste Kuriosität ist ein Reiter (1766–1771), von dem jeder Strang des Körpers ebenso zu erkennen ist wie von seinem galoppierenden Pferd. (Text: arte)