Schwulenparagraph §175 Geschichte einer Verfolgung

D 2019 (44 Min.)
  • Dokumentation
Verbrechergruppe: § 175. Erst 1994 wurde der Paragraph 175 im vereinten Deutschland endgültig abgeschafft. – Bild: HR
Verbrechergruppe: § 175. Erst 1994 wurde der Paragraph 175 im vereinten Deutschland endgültig abgeschafft.

Man nannte sie „die 175er“. Verhaftet wurden diese Männer schon mal direkt beim Liebesspiel, nicht selten am Arbeitsplatz, oder die Polizei holte sie von zu Hause ab. Ein paar Stunden später saßen sie oft schon in Haft, die Kündigung vom Arbeitgeber ließ meist nicht lange auf sich warten. Ihr begangenes Verbrechen: einvernehmlicher Sex unter erwachsenen Männern. Damit verstießen sie gegen den Paragrafen 175. „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts“ begangen werde, sei mit Gefängnis zu bestrafen.

So stand es zur Einführung des Paragrafen 1871 im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches. Die Nazis verschärften ihn, erhöhten die Strafen. Viele landeten im Konzentrationslager. Frei aber waren sie auch nach dem Krieg nicht. Die junge Bundesrepublik übernahm den Paragrafen 175 in seiner verschärften Form eins zu eins von den Nazis. Wer das KZ überlebt hatte, musste damit rechnen, erneut ins Gefängnis gesteckt zu werden, um die Reststrafe abzusitzen. Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigte 1957, dass der Paragraf 175 mit dem Grundgesetz im Einklang stehe: Männer, die mit Männern Sex hatten, wurden in der Bundesrepublik weiter verfolgt.

Nach Schätzungen des Justizministeriums wurde gegen 100.000 Männer ermittelt, 64.000 hat man verurteilt. Der Paragraf hat Leben zerstört, Existenzen vernichtet. In diesem Film berichten Zeitzeugen davon – wie der 80-jährige Hermann Landschreiber aus Gelnhausen, den die Polizei 1966 vom Postamt abgeführt hat, weil die Mutter seines Ex-Freundes ihn angeschwärzt hatte. Oder Günter Werner, der im katholischen Franken mit einem amerikanischen Soldaten inflagranti erwischt wurde und deshalb im Jugendarrest landete.

Sie alle sprechen über ihre Verhaftung, den Knast, ihre Angst, erwischt zu werden oder erpressbar zu sein, aber auch über ihren Wunsch, trotzdem ein selbstbewusstes schwules Leben zu führen. Sie lassen verstehen, wie lang und beschwerlich der Weg war von der damals verbotenen Sexualität und Heimlichkeit bis hin zur Schwulenehe heute. Wie sieht jemand wie Klaus Beer diese Entwicklung? Sechs Männer hat er als Richter wegen Verstoßes gegen Paragraf 175 verurteilt.

Er setzt sich offen mit seiner beruflichen Vergangenheit auseinander. Wie dachte er damals, wie denkt er heute über diese Urteile? Der Film führt auch in die ehemalige DDR, wo der Paragraf viel früher außer Kraft gesetzt und bereits 1988 abgeschafft wurde. Lebten Männer liebende Männer oder lesbische Frauen in der DDR wirklich angstfrei, weil ihr Sex nicht mehr strafbar war? Wann kamen sie trotzdem ins Visier der Staatsmacht? Wolfgang Schmidt war Leiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe in der Hauptabteilung XX des Ministeriums für Staatssicherheit.

Er gibt offen Auskunft, warum man sich dort mit den Schwulen- und Lesbengruppen beschäftigte. Die lesbische Aktivistin Karin Dauenheimer wurde Anfang der 1980er Jahre observiert. Für den Film öffnet sie ihre Stasi-Akte. Frauen, die Frauen liebten, fielen nicht unter den Paragrafen 175, ihnen drohte also auch im Westen keine Strafverfolgung. Hatten sie deshalb wirklich ein sorgenfreieres Leben? Auch darauf findet der Film Antworten.

Filmautor Marco Giacopuzzi geht mit großer Sensibilität auf seine Zeitzeugen zu. Sein Film zeigt eindrucksvoll, wie ein Menschen verachtender Paragraf und brutale Diskriminierung das Leben zahlreicher Männer und auch Frauen zerstörte und warum es so lange dauerte, bis der Paragraf 175 aus der bundesdeutschen Rechtsprechung endlich verschwand. Erst 2017 beschloss die Bundesrepublik ein Gesetz zur Rehabilitierung aller Opfer des Paragrafen. Doch nur wenige trauten sich, einen Antrag zu stellen, und die meisten waren ohnehin verstorben. (Text: hr-fernsehen)

Deutsche TV-Premiere27.05.2019Das Erste

Sendetermine

Do 12.10.2023
23:30–00:15
23:30–
Do 30.03.2023
23:15–00:00
23:15–
So 10.07.2022
00:10–00:55
00:10–
Sa 09.07.2022
20:15–21:00
20:15–
Sa 09.07.2022
12:15–13:00
12:15–
Do 21.04.2022
23:00–23:45
23:00–
So 01.08.2021
07:15–08:00
07:15–
Do 29.07.2021
22:40–23:25
22:40–
Mi 16.06.2021
23:40–00:25
23:40–
Mi 19.05.2021
14:15–15:00
14:15–
Di 18.05.2021
21:45–22:30
21:45–
Do 11.03.2021
23:00–23:45
23:00–
Mo 13.07.2020
09:15–10:00
09:15–
Do 10.10.2019
23:15–00:00
23:15–
Mo 08.07.2019
01:15–02:00
01:15–
So 07.07.2019
20:15–21:00
20:15–
Do 06.06.2019
19:15–20:00
19:15–
Sa 01.06.2019
13:15–14:00
13:15–
Fr 31.05.2019
21:17–22:00
21:17–
Di 28.05.2019
03:25–04:10
03:25–
Mo 27.05.2019
23:30–00:15
23:30–

Cast & Crew

Reviews & Kommentare

    Erinnerungs-Service per E-Mail

    TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Schwulenparagraph §175 online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.