1989 – Schicksalstage im Oktober
- D 2009 (45 Min.)
- Dokumentation
- Geschichte
Wenn im Jubiläumsjahr von „1989“ die Rede ist, denkt die Mehrheit an Berlin und den 9. November, den weltberühmten Tag des Mauerfalls. Doch der 9. November hat eine Vorgeschichte, und die spielt – was nur wenige wissen – in unglaublich vielen kleinen Städten und Dörfern der untergehenden DDR. Hier zeigen die Menschen Courage, sagen plötzlich „nein“ zu den vielfachen Zumutungen durch den Staat, träumen immer lauter von Veränderungen, lassen sich mitreißen von der elektrisierenden Stimmung des Aufbegehrens und den Rufen nach Freiheit. Es sind die bislang gänzlich unerzählten Geschichten ganz einfacher, „kleiner“ Leute – Elektriker, Kassiererinnen, Lehrer -, die in diesen Schicksalstagen im Oktober 1989 Geschichte schreiben.
Jeder für sich und alle zusammen. Sie überwinden ihre Lethargie, ihre Angst, ihre Gewissenskonflikte, riskieren alles – und treten nach vorn. Hochemotionale Szenen, unbekanntes Archivmaterial. Selten in der deutschen Geschichte sind Menschen so leidenschaftlich, so mutig, so einig für ihre Bürgerrechte eingetreten wie in diesen Oktobertagen. Gegen massiven Widerstand.
5. Oktober 1989. An den Bahngleisen von Werdau in Sachsen braut sich etwas zusammen. Die Menschen sind gekommen, um die Durchfahrt eines Sonderzuges zu beobachten. Der Zug kommt aus Prag und muss durchs Vogtland in Richtung Bundesrepublik fahren, voll mit DDR-Flüchtlingen aus der Prager Botschaft, denen Außenminister Genscher sechs Tage zuvor die Genehmigung ihrer Ausreise verkündet hat. Hier bei Werdau ist eine Stelle, wo alle Züge besonders langsam fahren müssen … Die örtlichen Polizeieinheiten sind nervös. Sie sollen mögliche Ausschreitungen und das Aufspringen auf den Sonderzug verhindern.
Die Einsatzkräfte werden an den Gleisen zusammengezogen und versuchen, die Schaulustigen zu vertreiben. – Die Situation eskaliert, Hunde und Schlagstöcke kommen zum Einsatz. Eine Brutalität, die den verantwortlichen Major der Volkspolizei nicht schlafen lässt: „Ich bin dort das erste Mal gegen Teile meines eigenen Volkes vorgegangen.“ Nur zwei Tage später, der 40. Jahrestag der DDR. Viele Menschen sehen die pompösen Paraden und ausgelassenen Feiern nur noch als Farce. Auch Beate Nagel, eine robuste Bäckersfrau im thüringischen Arnstadt, will nicht mehr länger zuschauen.
Kurzerhand packt sie sich ein Betttuch ihrer Schwiegermutter, malt „wir wollen Reformen“ darauf und zieht mit ein paar Freunden zum Marktplatz der Kleinstadt. – Doch auch hier greifen die Polizeieinheiten knüppelnd ein, lösen die Ansammlung mutiger Bürger mit Gewalt auf. Für die Bäckersfrau ein Schock. Sie wird verhaftet, erniedrigt, eingesperrt. Nach Tagen erst kommt sie wieder frei – und macht sich auf die Suche nach dem nächsten Betttuch. Am gleichen Tag im sächsischen Plauen, eine Sensation: Hier versammeln sich erstmals an die 10.000 Menschen zum gemeinsamen Protest gegen die offiziellen Jubelfeiern.
Unter ihnen auch Lehrer Wolfgang Wehner und viele seiner Schüler. Am nächsten Schultag wird er zur Direktorin zitiert und angewiesen, die Demonstration in der Klasse als „staatsfeindliche Provokation aufs Äußerste zu verurteilen“. Moralisch hin und her gerissen kämpft er mit der Frage: „Musst du jetzt zum Schwein werden, zum elenden verlogenen Schwein?“ Der Weg zum Klassenzimmer wird zum schwersten Gang seines Berufslebens.
Doch Wehner schaut den Schülern in die Augen und steht zu seiner Überzeugung, sicher, dass ihn dies seinen Job kosten wird – und ungemein stolz. „An diesem Tag bin ich für mich in der Freiheit angekommen.“ Wieder zwei Tage später macht sich ein Gastwirt aus Oschatz auf nach Leipzig, in die Stadt der berühmten Montagsdemos. Es ist der heikle 9. Oktober, wo das Schicksal der ganzen friedlichen Revolution in Leipzig auf Messers Schneide steht. Heimlich und unter größtem Risiko filmt Gastwirt mit seiner kleinen Kamera und führt die Bilder dann seinen Nachbarn und Freunden daheim vor.
„Was in Leipzig möglich ist, das muss doch auch hier möglich sein“, sagen sich die Oschatzer und stellen in der Kirche zum ersten Mal die Obrigkeit zur Rede. Schicksalstage im Oktober – ohne diese Menschen, diese Geschichten, diesen „wind of change“ hätte es die Wende, den Mauerfall, die Wiedervereinigung nicht gegeben. Die Dokumentation setzt ihnen ein Denkmal. Mit mitreißenden O-Tönen, unbekannten Fotos und Filmen aus den Archiven von Stasi und Privatpersonen und Passagen anspruchsvoller und dezenter Inszenierungen. (Text: ARD)
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