4 Folgen, Folge 1–4

  • Folge 1 (45 Min.)
    Heino erinnert sich an die Zeit in den 60ern. – Bild: WDR/​Claus Langer
    Heino erinnert sich an die Zeit in den 60ern.
    1960 – der Aufbruch in ein neues Jahrzehnt, in dem Nordrhein-Westfalen nur eine Richtung kannte: Volle Kraft voraus! Das Wirtschaftswunder machte es möglich. „Wir sind wieder wer!“ das wollten wir auch zeigen. Immer mehr Menschen konnten sich nun ein Auto leisten. Mit dem Straßenbaufinanzierungsgesetz fiel 1960 der Startschuss für den groß angelegten Ausbau der Autobahnen und Bundesstraßen. Jetzt konnte man richtig „Strecke machen“. Eines der Fahrzeuge damals: das Motocoupé „Isetta“.
    Das Modell von Jutta Beyer-Vollprecht ist Baujahr 1961. Die 150 D-Mark, die die Bonnerin seinerzeit für das Gefährt bezahlte, haben sich gelohnt, denn bis heute ist sie mit dem Motocoupé unterwegs. Knapp 500.000 Kilometer hat ihre Isetta inzwischen auf dem Blechbuckel, mit Reisen quer durch ganz Europa – vom Nordkap bis nach Griechenland.
    Auch für die „Tina Scarlett“ sollte es über den Rhein in die große, weite Welt gehen. Doch bei der Überfahrt von Köln Richtung Nordsee kollidierte die Hochseefähre vor Emmerich mit einem Tanklaster. Es kam zu einer Explosion. Insgesamt elf Schiffe gerieten in Brand. Der Rhein stand tagelang in Flammen. Der ehemalige Feuerwehrmann Michael Thissen, selbst Jahrgang 1960, hat das Ereignis aufgearbeitet. Mit zwei Feuerwehrleuten, die damals gegen die Flammen gekämpft haben, berichtet er über die Katastrophe.
    In Düsseldorf ging Anfang der 60er Jahre ein musikalischer Stern auf, den heute jeder kennt. Eigentlich war Heinz Georg Kramm Bäcker, doch nach Feierabend packte er hinter der Backstube regelmäßig sein Akkordeon aus. Als schließlich eine Düsseldorfer Kapelle anfragte, ob er für einen erkrankten Musiker einspringen könnte, war das der Wendepunkt. Bei einem fulminanten Auftritt wurde „Heino“ als Solo-Sänger gefeiert. Groß machte ihn ein paar Jahre später ausgerechnet der Mann, der 1961 selbst einen der größten Hits des Jahres lieferte: Ralf Bendix.
    Im selben Jahr blickte man mit Sorge nach Berlin, wo plötzlich die Mauer die Stadt teilte. Kein Bundesland nahm damals mehr DDR-Flüchtlinge auf als NRW – und die meisten der Menschen kamen in die Aufnahmestelle nach Unna-Massen. Auch Familie Deterling. Harry Deterling war Lokführer in der DDR, und er wollte mit seiner Familie in den Westen. Am Nikolausabend 1961 durchbrach er mit einer Lokomotive die Absperrung der letzten bestehenden Gleisverbindung zwischen der DDR und West-Berlin. An Bord des Zuges: seine Frau, seine vier Söhne und weitere Familienmitglieder. Die Flucht gelang, aber die DDR wollte „ihren“ Mann zurück und schickte einen Agenten, der einen der Söhne entführen sollte, um die Familie zur Rückkehr zu zwingen. Aber der Versuch scheiterte. Ingrid Deterling und ihr Sohn Manfred berichten von ihrer spektakulären Flucht und der aufreibenden Zeit danach.
    Es war auch eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs: Mit Elisabeth Schwarzhaupt nahm 1961 die erste Frau den Platz an der Spitze eines Bundesministeriums ein – gegen den Willen von Bundeskanzler Konrad Adenauer. Deutschland wurde weltoffener und begrüßte die ersten „Gastarbeiter“ aus Spanien, Griechenland und der Türkei. Die Wirtschaft brummte, und von den Zuwanderern aus Italien übernahmen wir die kulinarischen Spezialitäten.
    Beim Städtebau orientierte man sich an den Vereinigten Staaten. Es entstanden Hochhäuser nach dem Vorbild amerikanischer Wolkenkratzer. Allen voran: das Dreischeibenhaus, das das Gesicht der Landeshauptstadt bis heute prägt. Aber auch musikalisch gaben die USA den Ton an. Der Clou: Viele internationale Hits wurden einfach „eingedeutscht“. Und so stürmten „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strand-Bikini“ und der „Babysitter-Boogie“ hierzulande nicht nur im englischen Original, sondern auch in der deutschen Version die Charts. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 13.11.2020WDR
  • Folge 2 (45 Min.)
    Karl-Heinz Thielen, ehemaliger Fußballer und Manager des 1 FC Köln im Rhein-Energie-Stadion, Köln. Im Film erinnert er sich an seine Zeit in den 60ern.
    Bezahlter Urlaub – das war neu! Zu Beginn des Jahres 1963 trat das „Bundesurlaubsgesetz“ in Kraft. Auf einmal durften Arbeitnehmer 24 Tage im Jahr verreisen – bei voller Lohnfortzahlung. Die Menschen in NRW packte das Fernweh und sie reisten nach „Bella Italia“. Schnell bekam der Küstenort Rimini den Spitznamen „Teutonengrill“, denn hier sonnten sich vor allem Deutsche. Wer sich nicht über den Brenner traute, der machte Urlaub in NRW. Beliebtes Ziel: Der Teutoburger Wald mit seinem sagenumwobenen Hermannsdenkmal. Ganz in der Nähe wuchs Wilfried Mellies auf und erlebte mit, wie seine Heimat zur Touristenhochburg wurde. Seine Eltern vermieteten Gästezimmer und der damalige Teenager aus dem kleinen Örtchen Hiddesen zählte mit seinen Freunden Autos, die vor „dem Hermann“ einen Parkplatz suchten.
    Hergestellt wurden viele dieser Autos in Bochum: General Motors eröffnete 1962 auf dem ehemaligen Gelände der Zeche Dannenbaum ein neues Opel-Werk. Hier bauten rund 11.000 Arbeiter einen ganz neuen Autotyp: den Opel Kadett A. Ein Kleinwagen für die ganze Familie, der dem VW-Käfer Konkurrenz machen sollte. Genauso einen Wagen besitzt Georg Simon aus Dorsten noch heute. Der Münsterländer hat das Auto von seinem Opa geerbt und wieder fit gemacht. Noch immer braust er damit über die Landstraßen, manchmal sogar bis nach Italien.
    Mit dem Auto fuhren die Nordrhein-Westfalen in den 60ern nicht nur in den Urlaub, sondern vor allem zum Einkaufen – zum Beispiel in den neueröffneten Ruhrpark nach Bochum. Die Parkplatzsuche in der Innenstadt war eine Tortur, doch das neue Einkaufszentrum bot sie kostenfrei für 2500 Kleinwagen. Dazu stolze vierzig Geschäfte, da lohnte sich der Wocheneinkauf.
    Ihr eigenes Geld ausgeben durften in den 60ern schließlich auch die Frauen. Seit 1962 konnten sie ein eigenes Konto eröffnen. Geld gaben sie natürlich auch für Mode aus: Der Bikini erlebte Anfang der 60er ein Revival und auch der Minirock stand bei modebewussten Damen hoch im Kurs. Freizügigkeit bei den Outfits – aber noch immer Engstirnigkeit bei der Rollenverteilung: Der Mann verdiente das Geld, die Frauen blieben zuhause und kümmerten sich um Haushalt und Kinder. Mit über 1,3 Millionen Babys erreichten die Geburtenzahlen 1964 ihren Höhepunkt. Einen feministischen Lichtblick gab es in der Politik: Else Zimmermann aus Bielefeld wurde die erste Landrätin der BRD.
    Aber in der Landespolitik hatten nach wie vor Männer das Sagen: Bundeskanzler Konrad Adenauer empfing internationale Staatschefs wie den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und den jungen US-Präsidenten John F. Kennedy. Beim Besuch Kennedys stand NRW Kopf: Zehntausende hielten Spalier am Wegesrand und feierten den jungen Hoffnungsträger aus Amerika. Deutschland war ein wichtiger Bündnispartner. Es war die Zeit des Kalten Krieges und die Bundesrepublik NATO-Mitglied. Um für den Ernstfall gewappnet zu sein, kaufte Außenminister Franz-Josef Strauß beim US-Rüstungskonzern Lockheed den „Starfighter“.
    Einen Abfangjäger, der bei der Verteidigung der Bundesrepublik gegen die Feinde aus Russland helfen sollte. Die ersten Starfighter wurden im Fliegerhorst Nörvenich im Kreis Düren bei Köln stationiert. Ganz in der Nähe – im kleinen Dorf Oberbolheim – lebte auch damals schon Gertrud Kremer. Täglich musste sie den ohrenbetäubenden Lärm ertragen und kämpfte gemeinsam mit den anderen Einwohnern für die Umsiedlung ihres Dorfes. Als 1962 ein Starfighter bei einem Absturz in eine Fabrik in Oberbolheim raste, stimmte der Bund endlich der Umsiedlung zu. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 20.11.2020WDR
  • Folge 3 (45 Min.)
    Der Tod von Altbundeskanzler Konrad Adenauer am 19. April 1967 markiert endgültig das Ende der Nachkriegszeit. (Archivfoto, Köln nahm Abschied von Konrad Adenauer Blick auf das Südportal des Kölner Doms am 25.04.1967, als Offiziere der Bundeswehr Kränze heraustragen. Mit einem Pontifikal-Requiem im Hohen Dom zu Köln nahmen an diesem Tag hohe Politiker und Staatsmänner aus aller Welt, sowie eine sehr große Trauergemeinde Abschied von Konrad Adenauer. Nach den Trauerfeierlichkeiten brachte ein Schnellboot der Bundesmarine den Sarg Adenauers nach Rhöndorf, wo er auf dem Waldfriedhof im engen Familienkreis beigesetzt wurde.)
    Mitte der 60er – zuerst kam die Queen und im Sommer 1966 reisten sogar die Beatles nach NRW – zu ihrem legendären Konzert in Essen. Das Leben im Westen nahm Fahrt auf. Die Röcke wurden kürzer, die Haare länger und die Bilder farbig – nicht nur im Fernsehen, sondern auch zu Hause auf der Super-8-Leinwand. Beschleunigung war angesagt. Die Städte wurden Auto fit gemacht. Brücken, Autobahnen und Einkaufsmeilen gebaut, die NRW bis heute prägen. Ein Aufklärungsfilm sorgte für Aufregung und rappelvolle Kinos.
    In der dritten Folge der neuen vierteiligen WDR Reihe „Unser Land in den 60ern“ stehen die Jahre 1965 bis 1967 im Fokus – eine Zeit des Umbruchs: In Düsseldorf beendete die SPD die bis dato ungebrochene Macht der CDU. Heinz Kühn wurde Ministerpräsident. Die Zeit des ungebremsten Wachstums war vorbei. Im Ruhrgebiet machte das billige Erdöl der Kohle Konkurrenz.
    Auch gesellschaftlich lag ein Wandel in der Luft: Viele junge Frauen wollten sich nicht mehr mit einer „Karriere“ als Hausfrau und Mutter begnügen. Sie strebten nach mehr Selbstbestimmung auch in der Sexualität. Die Zeit war reif für „Helga“, einen Aufklärungsfilm im Auftrag von Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel. Der Kinofilm sollte Schluss machen mit der Ahnungslosigkeit in Sachen Sex. „Helga“ wurde zum Megaseller mit mehr als 40 Millionen Besuchern in der ganzen Welt.
    Im WDR wurde zur gleichen Zeit ein „Märchen von übermorgen“ zum Kult. Am 17.09.1966 startete Commander Cliff Allister McLane in seiner Orion zum Weltraumabenteuer – mit Badezimmerarmaturen und Bügeleisen als berühmteste Requisiten der deutschen Fernsehgeschichte.
    Der Tod von Altbundeskanzler Konrad Adenauer am 19. April 1967 markiert endgültig das Ende der Nachkriegszeit. Es stand etwas Neues bevor. In Köln liefen Studenten und Schüler in tagelangen Protesten gegen die Fahrpreiserhöhungen der KVB Sturm. Es war der Anfang von Protesten gegen die alten Machtstrukturen und für mehr Demokratie. Sie sollten bald das ganze Land erschüttern.
    Die Filmemacher haben nicht nur beeindruckendes und zum Teil noch nie gezeigtes Bildmaterial aus den Sechzigern aufgespürt, sondern auch Menschen getroffen, die ihre ganz persönliche Geschichte aus dieser Zeit erzählen. So erinnert sich Ulrich Wickert an seine Studentenzeit in Bonn – als er zuerst die Queen und kurz darauf Rudi Dutschke traf.
    Frank Becker berichtet von seinen ersten Erfahrungen mit der neuen Super-8-Kamera, die ihn zum Chronisten seiner Familie und später zum Besitzer des größten privaten Filmarchivs Deutschlands machte. Und Gevinon Gräfin von dem Bussche-Kessell erzählt, wie sie als Blumenmädchen den königlichen Empfang in Bonn rettete. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 27.11.2020WDR
  • Folge 4 (45 Min.)
    21. Juli 1969 hält die Mondlandung die Welt in Atem. Auch hier fieberten die Menschen mit, als der Neil Armstrong, der erste Mensch, den Mond betrat.
    Ende der 60er Jahre liegt Veränderung in der Luft: Junge begehren gegen Alte auf, Frauen drängen auf mehr Gleichberechtigung, die Jugend will raus aus den angepassten Strukturen. Es knirscht an vielen Stellen. Zechen müssen schließen. Das Ruhrgebiet ist nicht mehr nur Arbeiter-, sondern zunehmend auch Akademiker-Revier.
    In der letzten Folge der neuen vierteiligen WDR Reihe „Unser Land in den 60ern“ stehen 1968 und 1969 im Fokus: Frauen zeigen, dass sie auch anders können. Eine Rennfahrerin fährt den Männern davon und Geseke feiert „seine“ Olympiasiegerin der Spiele in Mexiko. Willy Brandt wird der erste Bundeskanzler der SPD und die Amerikaner landen auf dem Mond.
    Das Land im Umbruch. Menschen aus der Türkei, Spanien, Griechenland oder Italien, die für die Arbeit unter Tage angeworben wurden, bauen sich neue Existenzen auf. Mittendrin eine Pizzeria in Oberhausen. Rosetta Leones Onkel Salvatore ist 1968 einer der ersten im Revier. Rosetta verlässt ihr Dorf in Kalabrien und macht sich als junges Mädchen auf nach Oberhausen. Aus dem Ferienjob wird eine Lebensentscheidung. Sie bringen die Pizza nach Oberhausen und damit ins Revier. Noch heute betreibt Rosetta Leone das Restaurant.
    Zur gleichen Zeit starten ein paar Kilometer weiter die Internationalen Essener Songtage – eine Art Woodstock im Revier, ein Jahr vor dem legendären Festival in den USA. Politische Diskussionen gehören in Essen dazu. In allen größeren Städten Nordrhein-Westfalens demonstrieren Menschen für mehr Freiheiten und Mitbestimmung. Proteste gegen einen für sie altbackenen und konservativen Staat. Sie wehren sich gegen schlechte Studienbedingungen und Professoren, die schon währen der Nazi-Diktatur lehrten.
    Hannelore Werner zeigt es den Männern auf der Rennstrecke. Die 26-jährige Zahntechnikerin aus Hürth fährt in der Formel V und in der Formel 3 und 2. Unter anderem gewinnt sie den Vorläufer des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring. Ingrid Becker aus Geseke sorgt in Mexico City 1968 für Furore. Sie holt das erste Gold dieser Olympischen Spiele für die Bundesrepublik und zwar im Fünfkampf.
    Den coolsten Werbespot des Jahrzehnts schafft ein Mann, der am liebsten gelbe Overalls trägt: Charles Wilp aus Witten. Er kreiert den legendären Afri-Cola-Spot: Lasziv blickende Models in Nonnentracht schlürfen Cola. Der Spot ist so revolutionär, dass er später sogar zur documenta eingeladen wird.
    1969 wird Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt. Er steht für eine vor allem von den Jüngeren geforderte neue Politik. Die sozial-liberale Koalition im Bund hat ihr Vorbild in Düsseldorf mit Ministerpräsident Heinz Kühn und Innenminister Willi Weyer.
    1969 bringt Ford den Capri auf den Markt. Ein Auto für die jungen Wilden. Walter Winkler ist sofort hin und weg. Der Capri wird sein erstes Auto. Und es folgen noch viele. Für ihn verkörpert das Fahrzeug ein Gefühl von Freiheit und ‚anders sein‘ in einer Zeit der Käfer und Kadetts. Er schwärmt noch heute: „Sobald ich mich in den Capri setze, ist das ein Gefühl wie als wäre ich 18. Das ist wie Zeitblende, wie ein Schalter, den man umlegt.“
    Im Juli 1969 hält die Mondlandung die Welt in Atem. Auch hier fiebern die Menschen mit. Drei Monate nach ihrer Landung sind die Astronauten in Köln zu Gast. Und beim Empfang im Rathaus kommt es zur Begegnung von Neil Armstrong mit einem entfernt verwandten Onkel aus dem Münsterland. Was kann da noch schief gehen, auf dem Weg ins neue Jahrzehnt? Der erste Mensch, der eine Fahne in die Oberfläche des Mondes rammt, hat seine Wurzeln, ganz großzügig betrachtet, in Nordrhein-Westfalen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 04.12.2020WDR

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