Warum „Star Trek: Discovery“ weiterhin keine großartige Serie ist – es aber noch werden könnte – Review

Rückblick auf die zweite Staffel der Netflix-Serie

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 19.04.2019, 16:44 Uhr

„Star Trek: Discovery“ in der zweiten Staffel – Bild: CBS All Access
„Star Trek: Discovery“ in der zweiten Staffel

Achtung! Der folgende Artikel ist ein Rückblick auf die ZWEITE STAFFEL der Serie „STAR TREK: DISCOVERY“ und enthält entsprechend Handlungsinformationen/​Spoiler. Lesen auf eigene Gefahr!

Der Anstieg ist sanft, der Blick von der Spitze ist atemberaubend. Bevor man ihn jedoch allzu ausgiebig genießen kann, verliert man jeden Halt und stürzt schreiend ins Bodenlose. Nun gut, schreiend nicht. Dennoch kam die zweite Staffel von „Star Trek: Discovery“ in vielerlei Hinsicht der reinsten Achtbahnfahrt gleich. Wie konnte uns dieser Sternenflotten-Rollercoaster am Ende praktisch wieder genau dort ausspucken, wo wir vor 14 Wochen eingestiegen waren? Nun gut, nicht genau dort, zumindest nicht inhaltlich.

Am Ende des Staffelfinales beendet der Rote Engel in der Gestalt von Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) seine Mission und führt die U.S.S. Discovery 950 Jahre in die Zukunft und in den weitgehend unerforschten Beta-Quadranten unserer Galaxie. Das Schicksal des Schiffs und seiner Crew wird zur Geheimsache erklärt. „Star Trek: Discovery“ erhält so erstmals einen von vergangenen Serien praktisch unberührten Spielplatz, um sich auszutoben – ein Luxus im Vergleich zu dem äußerst engen Handlungskorsett von Serienschöpfer Bryan Fuller, der die neue Serie zehn Jahre vor den Ereignissen um Captain Kirk und Mr. Spock in der Originalserie verortete.

Canon-Liebhaber, die so manche inhaltliche und visuelle Neuerung bei „Discovery“ sicher mit mehr als nur einer hochgezogenen Vulkanier-Augenbraue betrachteten, dürften mit diesem Ausgang also zufrieden sein. Inhaltlich bietet das neue Setting für Staffel drei großartige Möglichkeiten und doch wird dies das eigentliche Problem dieser Serie kaum lösen. Der Anschluss an die „Star Trek“-Vergangenheit und Zukunft ist das Eine. Am meisten leidet „Star Trek: Discovery“ jedoch noch immer unter handwerklichen Fehlern im Storytelling, unter einer Schieflage zwischen emotionalen Charaktermomenten und Action-Inferno sowie unter ausgeprägter Hetzerei, der nicht nur konsequente Figuren-Entwicklung, sondern immer wieder auch der ordentliche, sinnvolle Aufbau einzelner Szenen geopfert werden.

Action wird in „Star Trek: Discovery“ groß geschrieben.

Erneut durchlebte Michael Burnham persönliche Traumata, die ihren Handlungsbogen im zweiten Jahr stärker bestimmten als ihre Fähigkeiten als Sternenflotten-Offizier. Während ihre Wiedervereinigung und die daraus resultierenden Konflikte mit ihrem Adoptivbruder Spock (Ethan Peck) fraglos ein Highlight waren, so unausgegoren wirkte die Offenbarung, dass sich hinter dem zeitreisenden Roten Engel tatsächlich Burnhams Mutter Dr. Gabrielle Burnham (Sonja Sohn) verbirgt. Auch hier war nicht die Enthüllung selbst, sondern die Handhabung mit schlechten Blockbuster-Dialogen und urplötzlicher Versöhnung das Ärgernis.

Erst zum zweiten Mal in der Geschichte von „Star Trek“ steht durch „Discovery“ eine weibliche Hauptfigur im Zentrum, zum ersten Mal jemand, der nicht auf dem verantwortungsvollsten Stuhl in der Mitte der Brücke sitzt. Doch anstatt wirkungsvoll zu erforschen, wie sich eine solche Position auf einen noch derart jungen Offizier auswirkt, jagten und jagen die Macher Burnham von einem Trauma durch das nächste. Inzwischen hat man fast vergessen, warum sie überhaupt eine Karriere in Starfleet angestrebt hat, was ihre Fähigkeiten in alltäglichen Situationen als Offizier sind – denn es gibt kaum alltägliche Situationen. Stattdessen ist Weltretten à la Wesley Crusher an der Tagesordnung. Zumindest hier könnte das neue Setting für Staffel drei endlich die lang ersehnte Wende bringen – denn Michael wird kaum persönliche Beziehungen zu Bewohnern des Beta-Quatranten im Jahr 3200 haben.

Doug Jones als Saru

Auch Sarus (Doug Jones) Charakter-Bogen zeichnete sich vor allem durch verschenktes Potential aus. Das Schicksal der Kelpianer und das Ablegen der ureigenen Furcht hätte als reizvoller Storybogen die gesamte Staffel bereichern können, wurde stattdessen aber in nur zwei mittelmäßigen Episoden (2x04 und 2x06) verfeuert. Ironischerweise stellten die Ba’ul, die herrschende Rasse auf Sarus Heimatplaneten Kaminar, einen faszinierenden Gegenspieler dar – der auch optisch durchaus reizvoller ausfiel als der eigentliche Big Bad von Staffel zwei.

Control, die künstliche Intelligenz aus der Zukunft, war vor allem mit zahlreichen Logik-Löchern und nicht klar umrissener Motivation für die Vernichtung allen Lebens ausgestattet. Besonders ärgerlich war hier nicht nur das Gefühl eines blassen, modernisierten Abklatsches der Borg, sondern vor allem der Umgang mit künstlicher Intelligenz selbst. Bei jedem technischen Evolutionsschritt warten beachtliche, gesellschaftliche Herausforderungen auf die Menschheit, im Zeitalter der Digitalisierung sowieso. Aber künstliche Intelligenz auf derart simplistische Art und Weise als Feind zu dämonisieren, widerspricht im Grunde allem, wofür „Star Trek“ stehen sollte – und in der Vergangenheit mit Commander Data oder selbst unbedeutenderen Nebenfiguren wie Professor Moriarty und den Naniten in „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“ bereits gestanden hat.

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