Stopp für WDR-Film über Contergan-Skandal

Realität und Fiktion ‚unzulässig‘ vermischt

Jutta Zniva – 28.07.2006

Das Hamburger Landesgericht hat heute gegen eine Ausstrahlung des WDR-Zweiteilers „Eine einzige Tablette“ entschieden. Klage hatte ein Anwalt des Pharmaerzeugers Grünenthal erhoben. Der Film verfremde die aus der Wirklichkeit entlehnten Vorgänge (die Contergan-Affäre) nicht ausreichend.

„Eine einzige Tablette“ verfälsche die historischen Tatsachen, hatte der Pharmakonzern argumentiert und den WDR verklagt (fernsehserien.de berichtete). Man könne „einen Unterhaltungsfilm nicht akzeptieren, der Realität und Fiktion in unzulässiger Weise vermischt und Falschaussagen verbreitet“, sagte Grünenthal-Geschäftsführer Sebastian Wirtz.

Der damalige Anwalt der contergangeschädigten Kinder, Karl-Hermann Schulte-Hillen, an den eine im Film von Benjamin Sadler dargestellte Figur angelehnt ist, hatte ebenfalls Klage erhoben. Das Hamburger Landgericht bestätigte heute, dass dessen Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien. Bei der Abwägung der kollidierenden Grundrechte habe sich das Persönlichkeitsrecht gegenüber der Kunstfreiheit durchgesetzt, begründete Richter Andreas Buske das Urteil. Der Film verfremde die aus der Wirklichkeit entlehnten Vorgänge nicht ausreichend, sodass das Publikum nicht zwischen Wahrheit und Erdichtetem unterscheiden könne.

WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf kündigte Rechtsmittel gegen das Urteil an. Es sei „kein gutes Signal“ für die fiktionale Aufarbeitung von Zeitgeschichte.

Das Schlafmittel Contergan war in den 50er und auch 60er Jahren gegen Schwangerschaftsübelkeit verschrieben worden und hatte zu schweren Missbildung bei Kindern geführt.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Der Film verfremde die aus der Wirklichkeit entlehnten Vorgänge nicht ausreichend, sodass das Publikum nicht zwischen Wahrheit und Erdichtetem unterscheiden könne.

    .... das gibts doch nicht ....

    Vielleicht sollte man besser ein Fernsehspiel im Reportagestil draus machen und sich haarklein an die Realität halten ....
    • am via tvforen.de

      ... ich halte diese Entscheidung auch für sehr fragwürdig, die meisten großen Fernsehfilme der letzten Zeit sind eine Mischung aus Realität und Fiktion, mich wundert, dass Altkanzler Kohl nicht gegen die Ausstrahlung des Films "Das Staatsgeheimnis" (Wdh. am letzten Donnerstag, 20.15 auf Pro7) geklagt hat.
      Wenn das zum Präzedenzfall wird, wird wohl kaum noch ein Sender bzw. eine Produktionsfirma derartige Filme vorfinanzieren wollen :-( .

      mfg
      chrisquito
  • am via tvforen.de

    Wen wunderts,wenn schon die Politik vor grossen Konzernen kuscht.
    Siehe Gesundheitsreform.

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