Anger Management – Review

Charlie Sheens neue Serie macht nicht einmal wütend – von Roger Förster

Rezension von Roger Förster – 29.06.2012, 16:30 Uhr

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Kate (Selma Blair) verbindet mit Charlie eine ganz besondere Beziehung, die aus Freundschaft, Sex und Therapiestunden besteht.

Das Ensemble

Charlie Goodson ist Charlie Harper. Er mag zwar nicht wie der dahingeschiedene „Man“ in jeder Einstellung Alkohol trinken. Sein Verhältnis zu/​mit Frauen, seine hedonistische Lebensweise, sein ganzes Auftreten ist aber eine solch dreiste Kopie des Rabenonkels, dass man Herrn Sheens schauspielerische Qualitäten auf diese eine Rolle herunterschrauben muss, die letztendlich nur wie die immer gleiche Serienvariante seines eigenen Lebens aussieht. Dass Charlie Goodson seiner besten (und intimsten) Freundin Kate an einer Stelle verspricht, sie niemals zu lieben, nimmt man ihm sofort ab – und denkt sich seinen Teil über den Menschen Charlie Sheen. Kate wiederum wird von Selma Blair gespielt, die in der kurzlebigen Sitcom „Kath & Kim“ zu sehen war und einst von Ryan Philippe in „Eiskalte Engel“ verführt wurde. Dass hier zwischen Charlie und Kate keine wirkliche Chemie aufkommt, mag an der Rollenbeschreibung liegen. Es ist aber symptomatisch für das ganze Format. Immerhin darf geschmunzelt werden, wenn Charlie der nicht lange widerstehenden Kate die Gründe erklärt, weshalb Sex und Therapie einander nicht ausschließen. Hier ist er in seinem Element, was man sofort merkt. Dann wäre da noch Ex-Frau Jennifer, deren Darstellerin Shawnee Smith als Linda in der kultigen Comedy-Serie „Becker“ auf sich aufmerksam machte. In der Pilotfolge wird ihr wenig Zeit eingeräumt, sich zu präsentieren – tatsächlich erhält Gaststar Brian Austin Green („Terminator: Sarah Connor Chronicles“) weitaus mehr Raum, sich als Jennifers unsympathischer Kurzzeitfreund zu präsentieren. Die Teilnehmer von Charlies Therapiesessions wurden indes strikt nach klar festgelegten Skizzen entwickelt: Da wären der grummelig-kauzige Vietnamveteran, der komplexbehaftete Homosexuelle, der beim anderen Geschlecht erfolglose College-Student und die zickig-aufbrausende Brünette – so weit, so wenig überraschend.


Buch und Regie

Was „Anger Management“ hätte werden können, wird in den herrlich wütenden ersten zehn Sekunden der Serie angedeutet: Hier pöbelt Charlie Sheen in die Kamera, man versteht es als Anklage an all seine Kritiker. Auch sein seltsam unspezifischer Begriff des ‚Winning‘ wird impliziert. Doch diese kurze, wütende Rede ist nur ein klar kalkuliertes Strohfeuer. Für einen Moment existiert die berühmte vierte Wand, die Figuren vom Publikum trennt, nicht. Gleich danach stellt sich heraus, dass alles nur Mogelei ist: Tatsächlich verlassen sich Drehbuch und Regie auf traditionelle Motive von Multi-Camera-Sitcoms, die zudem höchst uninspiriert umgesetzt wurden. Entwickelt wurde die Serie von Bruce Helford, der vor allem durch seine Arbeit an der „Drew Carey Show“ bekannt wurde. Potenzial für gute, erinnerungswürdige Comedy-Momente wäre also vorhanden gewesen. Allerdings wird die nicht wirklich sympathische Hauptfigur so formelhaft in den Vordergrund gestellt, dass es weh tut. Fast jede Szene dient ausschließlich als Stichwortparade für Sheen, der aber um Himmels Willen nicht von der Leine gelassen werden soll. So entsteht ein unausgegorener Mix: Wie beliebig beispielsweise die Nebenfiguren gezeichnet sind, machen Charlie Goodsons Therapiestunden daheim und im Knast nur allzu deutlich: Klischee hier, noch mehr Klischee da. Viel aufzuregen gibt es an dieser Stelle nicht, es ist nur einfach belanglos. Wenn man einen Aufreger bei den Beziehungen sucht, findet man ihn in dem schwierigen Vater-Tochter-Verhältnis: Charlie ist sich der Zwangsstörung seiner Tochter bewusst, groß zu interessieren scheint es ihn, den Therapeuten, nicht. Das wirkt dann zwar provokant. Allerdings macht es die Hauptfigur so unnahbar, dass man sich wirklich fragen muss, ob an dieser Stelle ein wenig mehr Einfühlungsvermögen dem Konzept nicht gut tun würde.

Fazit

Charlie Sheens Rückkehr hat zwei wichtige Erfolgsmerkmale von „Two and a Half Men“„ offensichtlich werden lassen: Erstens funktionierte die Serie deshalb so beständig auf hohem Quotenniveau, weil Sheen sich selbst sehr gut spielen kann und auch gern gesehen wird. Zweitens braucht der Selbstdarsteller aber einen Gegenpart wie den von Jon Cryer gespielten Alan Harper, der seinem egomanen Bruder immer wieder den Spiegel vorhält. In „Anger Management“ fehlt dieser Ausgleich, weshalb am Ende nur ein schlechter Therapeut, schlechter Vater und schlechter Frauenversteher zu sehen ist. Diese Ansammlung von wenig beneidenswerten Eigenschaften hätte sogar funktionieren können, wenn man Sheen nicht erneut in das enge Korsett einer Multi-Camera-Sitcom gesteckt hätte. So wirkt „Anger Management“ erschreckend harmlos. Und harmlos will der Mann, der einst behauptete, in seinen Adern flösse Tigerblut, wahrlich nicht wirken.

Meine Wertung: 1/​5
© Alle Bilder: FX

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