A Gifted Man – Review

Patrick Wilson als Arzt mit toter Ex-Frau auf der Schulter – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 10.10.2011, 13:19 Uhr

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Michael weiß den Geburtstag seiner Assistentin Rita (Margo Martindale) nicht zu würdigen
Eigentlich überrascht es fast, dass ein US-Sender erst jetzt Patrick Wilson als Leading Man für eine neue Serie entdeckt hat. Der profilierte Schauspieler, der sowohl am Broadway, als auch in Filmen wie „Little Children“ und „Watchmen“ glänzen konnte, überzeugt durch starke Präsenz und macht aus dem eigentlich recht nervig geschriebenen und klischeebeladenen Michael Holt eine interessante Hauptfigur. Die Chemie, die er und Jennifer Ehle als Anna entwickeln, ist dann aber auch das Einzige, was den unausgewogenen Piloten davon abhält, ins Belanglose abzugleiten. Die Prämisse an sich ist interessant, wenn auch nicht originell – schließlich wissen wir spätestens seit Charles Dickens’ „A Christmas Carol“, dass Geister für den Neustart des eigenen Gewissens ganz nützlich sein können.

Anna bleibt ein Teil von Michael
Dennoch stellt sich hier die Frage, wohin „A Gifted Man“ gehen kann? Falls Anna Michael in jeder Folge daran erinnern muss, dass (Überraschung!) auch arme Menschen auf CTs angewiesen sind und er gefälligst seine Schwester besser behandeln soll, dann könnte das Ganze äußerst schnell langweilig werden. Dabei hat das Ausufern von Zweiklassenmedizin eigentlich genug Stoff für ein reizvolles Drama zu bieten. Vielleicht hat L.A. Times-Kritikerin Mary McNamara ja recht, wenn sie bemerkt, dass „A Gifted Man“ als halbstündige Comedy-Satire besser funktionieren würde. Dann wären sowohl Michaels Reaktionen als auch Annas Mission um einiges zugespitzter und witziger anzusehen. So könnte die Serie dann zielgerichtet die Finger in die offenen Wunden des Gesundheitswesens legen, wie es beispielsweise regelmäßig mit spielerischer Leichtigkeit bei „Nurse Jackie“ geschieht.

Diese Chance nutzt der Pilot nicht. Was ihn zusätzlich abbremst sind die Patienten Michaels, die den Zuschauern so, wie sie dargestellt werden, letztendlich vollkommen egal sind: der unvernünftige Milliardär, die weinerliche Tennis-Prinzessin … Es ist klar, dass Michael in der noblen Privatklinik vor allem solche Klientel bedient, doch nimmt ihre Betreuung viel zu viel Handlungsraum ein. Schreibt „A Gifted Man“ die reicheren Patienten Michaels weiterhin in eine derart unsympathische Ecke, könnte der Eindruck entstehen, als hätten gerade diese Personen keinen Anspruch auf die Behandlung durch ihn. Medizinischer Klassenkampf kann ja auch nicht die Antwort sein.

Vielleicht gelingt es Showrunner Neal Baer („Law & Order: Special Victims Unit“) ja, „A Gifted Man“ nach dem Piloten, der nicht aus seiner Feder stammte, auf Kurs zu bringen. Patrick Wilson und seinen Kollegen wäre es zu wünschen. Sie sind allesamt stark genug, um eine Network-Serie zu tragen und könnten den Zuschauern noch ans Herz wachsen. Also sollte man ihnen schleunigst eine bessere Vorlage geben, damit sie das auch zeigen können.

Meine Wertung: 2,5/​5
Ralf Döbele
© Alle Bilder: CBS

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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