40 Jahre „Star Trek“ in Deutschland
Der langsame Siegeszug des „Raumschiff Enterprise“ – von Ralf Döbele
Ralf Döbele – 27.05.2012, 09:36 Uhr
Deutsche Zuschauer sind ja immer für Zusatzinformationen dankbar. Das dachte man sich zumindest beim ZDF oder bei den Verantwortlichen vom Synchronstudio, als das „Raumschiff Enterprise“ am Samstag, den 27. Mai 1972 um 17:45 Uhr zum ersten Mal mit Warp-Geschwindigkeit durch deutsche Wohnzimmer flitzte. Mit Warp-Geschwindigkeit? Nein, natürlich mit Sol-Geschwindigkeit! Klingt doch deutscher, oder? Genau wie der bürokratisch-neutrale Sprecher, der zukünftige Fans gleich im Intro darüber informierte, dass die Enterprise über eine „400 Mann starke Besatzung“ verfügt, wir uns im Jahr 2200 befinden und mit dem Schiff in „Galaxien“ vordringen, die „nie ein Mensch zuvor gesehen hat“. Trekkies wissen es: Im Original wurde der Monolog von William Shatner persönlich gesprochen und Gene Roddenberry hatte sich bei der Formulierung des Textes eher an der „weniger ist mehr“-Formel orientiert. Aber trotz ausgefallener Synchronisation und einem Sendeplatz, durch den „Raumschiff Enterprise“ automatisch von den Zuschauern als Kinderserie aussortiert wurde – der Siegeszug der Föderation war nicht mehr zu stoppen. Nur sollte er in Deutschland unendlich länger dauern als in deren Ursprungsland.
Diese Ohren betrachteten die hochwohlgeborenen TV-Experten der damaligen Zeit im Übrigen noch vor der Ausstrahlung bereits als „lächerlich“, so wie der Autor eines Hörzu-Artikels, der außerdem den ZDF-Serienredakteur Dr. Willi Kowalk zu Wort kommen ließ. Der erklärte, warum das Zweite zunächst nur 26 Episoden von „Raumschiff Enterprise“ zur Ausstrahlung auswählte: „Die meisten fallen schon deshalb ab, weil sie schlicht geschmacklos sind“. Anti-Kriegs-Thematiken („Spock unter Verdacht“), tiefe Einblicke in die Seelen der Hauptfiguren („Implosion der Spirale“) oder ein weißer Captain, der seine schwarze Untergebene küsst („Platons Stiefkinder“)? Na, wenn das nicht geschmacklos ist, was denn dann? Ausgerechnet dem Paarungszyklus der Vulkanier nahm man sich im Zweiten dann aber doch an – indem man die Folge „Amok Time“, in welcher dieser thematisiert wurde, komplett umschnitt und mit der Synchronisation eine neue Handlung hinzu erfand.
In „Weltraumfieber“ (deutscher Titel des ZDF) litt Spock plötzlich nicht mehr unter den Auswirkungen des Pon Farr, seiner Brunftzeit, sondern erkrankte lediglich an besagtem Fieber. Die berühmte Sequenz mit dem Zweikampf auf Leben und Tod, für den Kirk und Spock nach Vulcan zurückkehren, wurde durch die deutsche Synchronisation zu einem Fiebertraum, aus dem Spock am Ende der Folge einfach nur wieder erwachte. Andere Szenen, in denen Kirk seinen Ersten Offizier direkt auf die Sexualität der Vulkanier anspricht, fielen komplett der ZDF-Schere zum Opfer. Sex? Für ein jugendliches Publikum in den 70ern? Vor „disco“, wo sich ja alle Künstler(innen) auch nur in den züchtigsten Kostümen im bunten Scheinwerferlicht räkelten? Wo kämen wir denn da hin.
„Amok Time“ erhielt über 20 Jahre nach der Erstausstrahlung im ZDF schließlich den neuen, deutschen Titel „Pon Farr“ und auch eine neue Synchronisation, die auf Video veröffentlicht wurde. Andere Stilblüten finden sich bis heute in der Übersetzung. Aus unerfindlichen Gründen benannte man Spocks Mutter von Amanda in Emily um, die Crew riss jede Menge Witze, die im Original nie vorkamen und Spock wurde regelmäßig als „Spitzohr“ oder „Schlitzohr“ bezeichnet. Sicher ist dieses Vorgehen auch dem Erfolg der legendären deutschen Synchronisation von „Die 2“ geschuldet, wo vom ernsten (und erfolglosen) Original praktisch nichts übrig blieb. Kaum ein ZDF-Zuschauer konnte diese Probleme damals erkennen. Wie auch? Lange vor Video und Internet war der Zugang zu Original-Episoden praktisch unmöglich.