Jörg Pilawa über Retro-Boom: „Wenn du in die Vergangenheit guckst, dann glorifizierst du alles, was du früher im Fernsehen wahrgenommen hast“

Vor dem Start der Neuauflagen von „Die Pyramide“ und „Herzblatt“ in Sat.1

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 03.02.2023, 13:00 Uhr

Jörg Pilawa moderiert das Revial von „Die Pyramide“ – Bild: Sat.1/Marc Rehbeck
Jörg Pilawa moderiert das Revial von „Die Pyramide“

Ab Montag, 6. Februar ist es so weit: Sat.1 startet seine sogenannten Kult-Show-Wochen. Drei klassische Show-Formate werden an den kommenden Montagabenden um 20:15 Uhr als Eventprogrammierung im Wechsel ein Comeback feiern: „Die Pyramide“, „Herzblatt“ alias „Dating Game“ (13. Februar) sowie „Jeopardy!“ (20. Februar).

Während Ruth Moschner für die Neuauflage von „Jeopardy!“ verpflichtet wurde, werden die anderen beiden Formate von Jörg Pilawa moderiert, für den es gewissermaßen eine Rückkehr ist. Denn Mitte der 1990er Jahre moderierte er bereits die Sat.1–„Pyramide“-Variante „Hast du Worte!?“ und Anfang der 2000er war er Gastgeber des legendären „Herzblatt“. Im Vorfeld sprach er im Sat.1-Interview darüber, worauf sich die Zuschauer in den Neuauflagen freuen dürfen.

Größter Unterschied im Vergleich zu früher ist die Länge der Shows. Damals wurden sie als 30- bzw. 45-minütige Vorabendsendungen konzipiert, nun zieht sie Sat.1 als rund zweistündige Primetime-Varianten (inklusive Werbung) auf. Jörg Pilawa erläutert: Es gibt Kultformate, die funktionieren nur als 45-Minuten-Ausgabe. ‚Die Pyramide‘ oder ‚Dating Game‘ tragen eineinhalb Stunden. Dafür haben wir die Shows vorsichtig ein wenig weitergedreht und ein paar neue Elemente reingepackt. Aber das seit Jahrzehnten bekannte und geliebte Ur-Konzept sowie Feeling der Shows bleibt natürlich.

Auf die Frage, weshalb diese Sendungen zeitlos sind, antwortet Pilawa: Weil Fernsehen damals generell noch einen anderen Stellenwert hatte. Wenn in einer Show etwas passiert ist, dann hat am nächsten Tag die ganze Nation darüber gesprochen. Heute haben wir durch die Vielzahl der Sender häufig gar nicht mehr die Möglichkeit, diese Aufmerksamkeit zu generieren. Weshalb es gerade einen Retro-Boom im Fernsehen gibt, begründet Pilawa so: Es ist die Sehnsucht nach etwas, was es in dieser Form heute nicht mehr gibt. Wenn du in die Vergangenheit guckst, dann glorifizierst du alles, was du früher im Fernsehen wahrgenommen hast.

Dennoch müsse man beim Thema Nostalgie vorsichtig sein: Ich gucke wirklich viele alte Shows und weiß auch, dass Vieles nicht so doll war, wie ich mir das in meiner Erinnerung vorstelle. Er selbst habe als Moderator die goldenen Zeiten im Fernsehen mit Superquoten mitbekommen, wofür er sehr dankbar sei. Damals prasselte noch das familiäre Lagerfeuer und es gab auch noch nicht die Konkurrenz der Streamingdienste. Eine Chance sieht er in den Neuauflagen dennoch: ‚Herzblatt‘ oder ‚Die Pyramide‘ sind völlig zeitlos und deshalb freue ich mich, sie jetzt wieder neu aufleben zu lassen.

Speziell angesprochen auf die „Pyramide“ gerät Jörg Pilawa ins Schwärmen: Es ist unglaublich: Man steht im Studio, hört die Musik von damals und hat sofort wieder die Bilder vor Augen. Ich sehe Dieter Thomas Heck, der tatsächlich jede Kandidatin an die Hand genommen hat. Ich sehe eine Ilse Werner, die pfeifend auftritt. Das ist es, was eine Kultshow für mich ausmacht. Damals war Fernsehen ein Event. Und dieses Event spürst du in diesem Moment wieder, wenn du im Studio stehst und die Pyramide siehst oder die Musik angeht.

Bei „Herzblatt“ bzw. „Dating Game“ dürfen für Jörg Pilawa bestimmte Faktoren auf keinen Fall fehlen, allen voran Susi Müller. „Die Stimme von Herzblatt“ wird auch diesmal wieder aus dem Off die Antworten der Kandidaten charmant zusammenfassen. Egal, wem ich erzähle, dass ‚Herzblatt‘ als ‚Dating Game‘ wiederkommt, stellt sofort die Frage: ‚Mit Susi?‘ Susi und die Show gehören einfach zusammen. Sie ist eine so liebe, zurückhaltende und feine Person – ich freue mich wahnsinnig auf sie!, so Pilawa. Er fährt fort: Dieser Satz, ‚Hier ist dein Herzblatt‘, und die Wand fährt zurück. Das kennt jeder und hat jeder noch vor Augen. Und auch das ist natürlich Kult, weil wir damit großgeworden sind.

„Herzblatt“ sei außerdem die Mutter aller Datingshows, da sie auch eine voyeuristische Komponente besitzt. Denn als Zuschauer:in weißt Du ja eigentlich, wen von den drei Kandidaten sie nehmen sollte, die dort sitzen. Und oftmals hat sie sich leider für den Falschen entschieden. Aus dem Nähkästchen erzählt Pilawa: Ich als Moderator kann von den Aftershow-Partys sagen, dass die Frauen hinterher tatsächlich sehr schnell wussten, wenn sie den Falschen gewählt hatten. (lacht) Aber trotzdem, sagen zumindest Gerüchte, sind auch Paare zusammengekommen mit Kandidat:innen, die nicht ausgewählt wurden …

Im Interview äußert sich Jörg Pilawa auch zu seinem vieldiskutierten Wechsel nach vielen Jahren in der ARD zu Sat.1 Anfang 2022. Es lief alles super. Ich hatte die Chance, bei der ARD noch mal drei Jahre genau so weiter zu machen und danach wahrscheinlich nochmal drei Jahre. Aber ganz ehrlich, bei der ganzen Entwicklung hat es mir keinen Spaß mehr gebracht, dort weiter zu machen. Der häufigste Satz, den ich in der ARD gehört habe, ist der Spruch: ‚Das haben wir noch nie gemacht.‘ Das sei für ihn der Grund gewesen, mit 57 Jahren noch einmal den Sender zu wechseln. SAT.1 hatte mich zuerst als Produzent angefragt, aber irgendwann kam ins Gespräch, ob ich nicht Lust hätte, auch als Moderator zum Sender zu kommen. Und da war mein erster Reflex – sofort, na klar gerne! Ich möchte einfach noch viele Sachen ausprobieren und das wäre bei der ARD alles nicht möglich gewesen.

Alle drei Gameshow-Neuauflagen werden von Noisy Pictures produziert. Insgesamt wurden noch im Dezember 2022 von allen drei Neuauflagen jeweils drei Folgen aufgezeichnet. Vorerst zeigt Sat.1 jedoch jeweils nur eine Ausgabe. Die restlichen produzierten Folgen werden dann zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Es hat damals nicht so viele Sender gegeben, am Samstag saß die Familie um die großen Shows, Dalli-Dalli, Wettern dass, und mein geliebtes EWG, das mich die ganze Jugendzeit begleitet hat (auch mit Lernen). Heute findet man am Samstag im Hauptabendprogramm nichts Sehenswertes, 50 Krimis und Actionfilme...
    Alle Serien sind austauschbar. Immer die gleichen Intrigen, blonde, dumme Mädchen, Eifersucht, Fehltritte usw
    ORF III traut sich in einer Woche 52 Folgen von Agatha Christie zu senden, fast immer am Nachmittag, die so lieblos zugepflastert werden. Die Wiederholungen der guten historischen Beiträge "Erbe Österreich", "Was schätzen Sie" oder "Erlesen" kommen in der Nacht.
    • (geb. 1979) am

      Man kann alte Sachen nicht neu aufrollen,das waren ganz ander Zeiten als die Shows liefen,  besonders nicht wenn Sat 1 dahinter steckt, dazu dann auch noch die aufgedrehte Labertante Möschner als Jeoprady Moderatorin ? aber mir solls egal sein, Sat 1 und Rtl werden von mir eh nicht mehr angeschaut
      • am via tvforen.de

        TV Wunschliste schrieb:
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        > Auf die Frage, weshalb diese Sendungen zeitlos
        > sind, antwortet Pilawa: Weil Fernsehen damals
        > generell noch einen anderen Stellenwert hatte.
        ...
        > Wenn du in die Vergangenheit guckst, dann
        > glorifizierst du alles, was du früher im
        > Fernsehen wahrgenommen hast.

        Ähm - nö.

        https://www.tvforen.de/read.php?4,522507,page=1
        • am via tvforen.de

          Auf deinen Link bezogen (im Thread von 2002) gebe ich dir in einem Punkt uneingeschränkt recht:

          Heck.
        • am via tvforen.de

          seventy schrieb:
          -------------------------------------------------------
          > Auf deinen Link bezogen (im Thread von 2002) gebe
          > ich dir in einem Punkt uneingeschränkt recht:
          >
          > Heck.

          Hat er dir etwas persönlich angetan oder wo kommt diese Abneigung her?

          Ich habe die ZDF-Hitparade gerne gesehen, Freddy Breck, Heino usw. trafen nicht meinen Geschmack, aber Anfang der 70er waren auch coole Coverversionen dabei, wie z. B. die deutschen Versionen von "American Pie" oder des T.-Rex-Songs "Hot Love". Viele Songs von damals höre ich heute noch gerne wie z. B. "Fremder Mann" von Marianne Rosenberg. Ob die Texte sinnstiftend waren, hat mich ehrlich gesagt nie die Bohne interessiert. Wahrscheinlich habe ich mir bei manchen englischsprachigen Titeln auch so einige Überraschungen erspart. Ich habe mich musikalisch nie schubladenmäßig festgelegt,
          was spricht dagegen, nach einem tollen Song von Deep Purple einen guten deutschen Song von z. B. Ricky Shayne zu hören?

          Was Heck angeht: Er hat seine Ansagen so schnell gemacht, das ist bei mir in dem einen Ohr rein- und im anderen wieder rausgegangen.
        • am via tvforen.de

          Hier bin ich kurz darauf eingegangen:

          https://www.tvforen.de/read.php?3,1586942,1586944#msg-1586944
      • am

        Alte Fernsehklassiker kann man genauso wenig zurückholen wie die eigene Jugend. Carrell und Heck und deren Art sind nun mal nicht klon-bar!

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