Dokumentation in 5 Teilen, Folge 1–5

  • Folge 1
    Wilhelminischer Prunk fand sich einst sogar inmitten der kargen Wüstenlandschaft Namibias. Vor hundert Jahren kam hektisches Treiben in die unfruchtbare Wüste Südwestafrikas. Tausende von Diamanten wurden aus dem Wüstensand gesiebt und versetzten das ganze Land in einen Diamantenrausch. Deutsche Ingenieure, Architekten, Chemiker und Handwerker strömten mit ihren Familien in die damalige Kolonie. Über Nacht entstand eine florierende Stadt mitten in der Wüste. Nach Kolmannskuppe, wie sie hieß, wurde alles importiert. Holzbalken kamen aus Deutschland, Fußböden aus Amerika, Wasser aus Kapstadt.
    Heute bedecken Wanderdünen die damals verlegten Bahnschienen und dringen in die leerstehenden Kolonialvillen ein. Nach nur wenigen Jahrzehnten des Diamantenrausches zog die Edelsteinkarawane weiter. Die Infrastruktur von Kolmannskuppe verfiel. 1952 wurde als Letztes das Krankenhaus geräumt. Zurück bleiben eine 300 Kilometer lange und 100 Kilometer breite Sperrzone in der namibischen Wüste, die im Jahr 2008 zum Nationalpark erklärt wurde, und die stummen Zeitzeugen einer längst vergangenen Ära, die von Abenteuerlust, aber auch von der diskriminierenden Kolonialpolitik Deutschlands zu erzählen wissen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMo 13.02.2012arte
  • Folge 2
    Hier erklingt der nördlichste Konzertflügel der Welt, befindet sich das nördlichste Schwimmbad und steht die nördlichste Lenin-Statue – heute sind diese Zeugen einer vergangenen Zeit stumm und verlassen. Piramida auf Spitzbergen ist ein „Un-Ort“, eine moderne Ruine, die nördlichste Ruine der Moderne auf dem Globus. Einst war Piramida eine kommunistische Bergmannssiedlung, ein sowjetischer Vorposten im „kapitalistischen Ausland“ und eine Machtdemonstration mitten auf der norwegischen Insel Spitzbergen.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Sowjets diese Siedlung errichtet. Ein internationaler Vertrag von 1920 gab ihnen das Recht dazu. Über 50 Jahre lang gruben Russen und Ukrainer Steinkohle aus dem Berg, der der Siedlung Namen und Leben gab. Sie führten ein Dasein unter widrigen Umständen in der kalten Arktis. Der Traum vom blühenden Sozialismus auf Spitzbergen zerbrach nach dem Ende der Sowjetunion. 1998 schloss Russland die Siedlung, weil der Bergbau nicht mehr rentabel war. Nun interessieren sich andere für die moderne Ruine.
    Archäologen und Fotografen erforschen die Hinterlassenschaften der kommunistischen Kohlearbeiter, und sie finden Spuren vergangenen und neuen Lebens. Möwen siedeln in den Fensterhöhlen der sozialistischen Wohnblocks. Arbeiter versuchen, den Ort als Touristenmagnet für Spitzbergen-Reisende aus aller Welt wieder herzurichten. Und wo früher Förderbänder dröhnten oder der nördlichste Konzertflügel der Welt erklang, suchen junge Musiker heute den neuen „Sound“ von Piramida. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.02.2012arte
  • Folge 3
    Mitten in Deutschland erwacht eine Ruine zu neuem Leben. Künstler erobern die Hallen einer ehemaligen Kohlenzeche, gründen Ateliers und schaffen Ausstellungsräume. In Dinslaken, im nördlichen Ruhrgebiet, hinterließ die vor fünf Jahren geschlossene Zeche Lohberg eine Ruinenstadt. Werkstätten, Förderanlagen und Verwaltungsgebäude verwittern und verfallen, Abrissbagger ebnen alles ein, was nicht unter Denkmalschutz steht. Doch auf dem unwirklichen Gelände keimt neues Leben. Die Sängerin Samirah Al-Amrih nutzt ein Turmzimmer als Probenraum und gibt Gesangsunterricht. Der Kiosk an der Außenmauer wurde von der Künstlerin Britta L.QL in eine Galerie verwandelt.
    Musiker, Maler und Fotografen haben Räume zu Ateliers umgebaut und ein Netzwerk gebildet. Sie planen Veranstaltungen und laden andere Kreative ein. Eine langfristige Nutzung muss für das übrige Areal noch gefunden werden. Eine Immobilienfirma und die Stadt Dinslaken entwickeln Ideen und suchen nach Investoren. Ein neues Image soll her, das die seit Jahren um sich greifende Depression in der Region aufhält. Tausende verloren ihren Arbeitsplatz, die Familien ihr Einkommen und die Männer ihren Stolz. Unermüdlich probt aber weiterhin der Bergmannschor sein traditionelles Liedgut.
    So mancher Sänger nimmt auf dem Weg zur Probe einen Umweg, um die Bagger nicht zu sehen, die die ehemalige Arbeitsstätte zerlegen. Der Chor singt zwar weiter, aber in Zukunft wird es niemanden mehr geben, der wirklich unter Tage war. Jetzt führen die Männer einen letzten Kampf um den Erhalt ihrer Fördertürme, die weithin sichtbar die Region überragen. Sie stehen unter Denkmalschutz und sollen zukünftigen Generationen vom Bergbau erzählen. Doch ihre Wartung ist teuer und die öffentlichen Kassen sind leer. Kann es gelingen, die alten Montanstandorte durch Kunst und Kultur neu zu beleben? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 15.02.2012arte
  • Folge 4
    Ende der 20er Jahre realisiert der amerikanische Autokönig Henry Ford mitten im brasilianischen Dschungel seinen Traum: Er baut eine Musterstadt, in der die Menschen nach seinen Idealen leben sollen. Gepflegte Einfamilienhäuser mit Strom und Wasser, ein modernes Krankenhaus und eine Kleinindustrie mit Stechuhren und Werkssirenen entstehen. Die einheimische Presse feiert Henry Ford als „Jesus Christus der Industrie“, der endlich Wohlstand und Fortschritt in den Urwald bringt. Urwald bringt. Vordergründig dient die Siedlung Fordlândia dem Anbau von Kautschuk, dessen Saft Ford für seine Reifenproduktion braucht.
    Doch wichtig ist dem Autokönig auch das zivilisatorische Experiment. Sein Ideal sind kleinbürgerliche Städte, die in seiner Heimat durch die Industrialisierung immer mehr verschwinden. In Fordlândia soll das alte Amerika weiterleben. Doch die Menschen gewöhnen sich nicht an sein strenges Reglement, und auch die Natur lässt sich nicht zähmen. Trotz Millioneninvestitionen endet die Kautschukplantage nach 20 Jahren in einem Desaster. Kein einziger Liter Kautschuk wird jemals geerntet. Noch heute leben Menschen in Fordlândia. Die Werkssirenen sind verstummt, doch die Gebäude des Visionärs Ford und die Geschichten seiner Ära existieren noch.
    Die Dokumentation begleitet Menschen, die sich in diesem skurrilen Ort mit dem Erbe der Amerikaner arrangiert haben. Da ist der Kleinbauer Duca dos Santos, der einige Schätze aus der Ford-Zeit bunkert. Eliseu Nogueira wohnt in einer der Ruinen, er plant ein Hotel und möchte als Bürgermeister kandidieren. Und da sind der Reporter Elias Junior und der ehrenamtliche Ortsvorsteher Expedito Duarte, die versuchen, die Gebäude vor dem endgültigen Verfall zu bewahren und zu retten, was von Fordlândia noch zu retten ist. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 16.02.2012arte
  • Folge 5
    Ford, General Motors, Chrysler – die großen Drei haben Detroit zur Motor-City gemacht. Lange Jahre repräsentiert die Stadt als Zentrum des Automobilbaus die Verwirklichung des „American Dreams“. Jeder kann es nach oben schaffen. Dem Fortschritt sind keine Grenzen gesetzt. Das ging gut, solange immer mehr Autos gebraucht wurden. Doch seit bereits 50 Jahren ist die Autoproduktion in Detroit rückläufig. Statt ehemals zwei Millionen leben heute nur noch 700.000 Menschen dort, die Hälfte davon ist arbeitslos. Hunderte von Fabrikgebäuden stehen leer. Sie verfallen genauso wie Tausende Wohnhäuser.
    In Detroit stehen damit fast zwei Drittel aller Gebäude leer, und die Menschen fragen sich, wie es mit ihrer ruinierten Stadt weitergeht. Joseph Adragna, 85 Jahre, kannte die Autofabrik Packard Plant noch zu ihren Glanzzeiten, 1958 wurde sie geschlossen. Heute werden hier Musikvideos im Weltuntergangsstil gedreht. Mama Pay Check, eine gebürtige Polin, betreibt eine Bar, in der der Schriftsteller Steve Hughes gern ein Bier trinkt und Geschichten erfindet, Geschichten von arbeitslosen kleinen Leute, die versuchen, über die Runden zu kommen. 80 Prozent der Bevölkerung Detroits sind schwarz.
    Sie kamen in den 40er und 50er Jahren, weil hier die Rassendiskriminierung weniger ausgeprägt war als im Rest der USA. Familie Armour ist da keine Ausnahme. Der Großvater hat 40 Jahre lang bei General Motors gearbeitet. Die Großmutter hat die Familie zusammengehalten. Menschen wie sie haben die goldene Ära Detroits erlebt und tragen die Musik von Motown in sich. Ihre Kinder waren dann von den großen Entlassungsschüben stärker betroffen als die Weißen. Und die Drogenwelle der 80er Jahre hat viele schwarze Familien aus der Bahn geworfen. Der schwarze Künstler Olayami Dabls beschäftigt sich in seinen monumentalen Skulpturen mit seinen afrikanischen Wurzeln.
    Der mittlerweile zu beachtlicher Berühmtheit gelangte Konzeptkünstler Scott Hocking errichtet in verlassenen Fabriken spektakuläre Skulpturen. Seine aktuelle Arbeit, ein großes Ei aus schweren Marmorplatten, entsteht im verlassenen Hauptbahnhof von Detroit. Scott Hocking wiederum sieht in den Ruinen nicht vordergründig den Verfall, sondern die Schönheit. Von der Faszination der Ruinen für die Detroiter und der Aufbruchsstimmung der Bewohner in einer dem Verfall preisgegebenen Stadt erzählt die Dokumentation. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereFr 17.02.2012arte

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Moderne Ruinen online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…