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  • Verlorene Heimat im Gepäck

    Es ist nahezu vergessen: 1945 war Deutschland das Zentrum eines gigantischen Verschiebebahnhofs von Millionen Menschen. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren sind sie auf der Flucht, erleben Vertreibung und Gewalt und werden gezwungen, an einem fremden Ort ein neues Leben anzufangen. Die rassistische Politik des NS-Staates, die Folgen der verheerenden Angriffskriege Hitlers mit der anschließenden Neuordnung Europas machten schätzungsweise 30 Millionen Menschen heimatlos. Etwa die Hälfte der Betroffenen waren Deutsche.
    Mehr als 75 Jahre sind seitdem vergangen. Die Erlebnisgeneration stirbt nach und nach. Sie vererbt ihre einstigen traumatischen Erfahrungen und ihre damalige Ratlosigkeit. Die Mainzer Publizistin Lucia Brauburger entdeckte im Nachlass ihrer Mutter ein Kalenderblatt aus dem Jahr 2000. Auf der Rückseite liest sie ein mit zitternder Hand geschriebenen Text: „Kein Trost während oder nach der Flucht … Keine Aufarbeitung, kein Verständnis.“ Es ist die Handschrift ihrer Mutter, geboren in der Provinz Schlesien.
    Der Garbsener Pfarrer Christoph Lindner, selbst Sohn vertriebener und geflüchteter Eltern, berührt als zuständiger Seelsorger des Bistums Hildesheim ein Tabu: „Willkommen von denen war keiner. Sie haben alle aus
    dem Nichts neu angefangen. Und jetzt droht mit ihrem Sterben nicht nur ein Stück eigener, sondern auch deutscher und europäischer Geschichte verloren zu gehen.“ Der Berliner Herzspezialist Wolfgang Rutsch kam als Fünfjähriger mit einem Flüchtlingstreck in Berlin an.
    Jahrzehnte beschäftigte ihn ein Gedanke: „Mein Vater war leidenschaftlicher Offizier der Wehrmacht und an den Verbrechen der Deutschen beteiligt. War der Verlust der Heimat nicht eine gerechte Strafe für unsere Familie?“ Die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ eröffnet im Sommer 2021 in Berlin ihr Dokumentationszentrum mit dem Anspruch, die Geschichte von Flucht und Vertreibung den heutigen und zukünftigen Generationen als ein Teil deutscher und zugleich europäischer Geschichte zu erzählen.
    Der Film dokumentiert das Entstehen dieser lange öffentlich diskutierten Ausstellung. Ein Lernort ungewöhnlicher Art, der Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert in Europa in seinen Mittelpunkt stellt. Die Dokumentation „Verlorene Heimat im Gepäck“ nimmt die Eröffnung der Ausstellung zum Anlass, historische Hintergründe und biografisches Erleben von Betroffenen facettenreich zu erzählen. Sie will ebenso erlebbar machen, wie Versöhnung aus Erfahrung nach und nach zu einem Lebensprinzip werden kann. (Text: ARD)
    ursprünglich für den 28.06.2021 angekündigt
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