Folge 5

  • Der Dorn

    Folge 5
    Mit 35 Jahren tritt Feldmayer (Hans Löw) eine neue Stelle als Wächter im Antikenmuseum an. Normalerweise rotieren die Wachmänner regelmäßig von Raum zu Raum. Doch weil seine Karteikarte in der Personalabteilung verlorengeht, bleibt Feldmayer immer in der gleichen Halle. Er beschwert sich nicht, sondern versucht der Sache etwas abzugewinnen, indem er nach und nach den gesamten Raum ausmisst, die Stubenfliegen beobachtet, die Besucher:innen zählt und Spekulationen über sie anstellt. Doch je mehr Feldmayer sich an seinen einsamen, eintönigen Alltag gewöhnt, desto mehr beginnt die Museumstätigkeit ihn auch privat zu verändern.
    Er zieht sich zurück, wird eigenbrötlerisch, räumt seine Wohnung leer, passt jeden seiner Schritte einem festgelegten, immergleichen Rhythmus an. Nach acht Jahren als Wächter macht Feldmayer eine unerwartete Entdeckung. Der antiken Statue, die in dem von ihm bewachten Raum steht, fehlt etwas Entscheidendes: „Der Dornauszieher“, ein Knabe aus Marmor, sitzt über die eigene Ferse gebeugt, als wolle er etwas herausziehen – doch der Dorn selbst ist nirgendwo zu sehen, weder in der Hand noch am Fuß der Figur.
    Feldmayer findet ihn selbst mit einer Lupe nicht. Die Sache lässt ihm keine Ruhe, bereitet ihm schlaflose Nächte. Er
    steigert sich hinein in die Vorstellung, er müsse das Problem lösen, den Knaben von seinem Schmerz erlösen. Schließlich weiß Feldmayer, was zu tun ist. Er kauft gelbe Reißnägel, geht damit in ein Schuhgeschäft. Als sich kurz darauf ein Kunde beim Anprobieren schreiend einen Reißnagel aus dem Fußballen zieht, fühlt sich Feldmayer auf eigentümliche Art beglückt.
    Nachts träumt er, der marmorne Knabe ziehe sich den Dorn aus dem Fuß und winke ihm lachend zu. Doch die Ruhe hält nicht lange an … Nach dreiundzwanzig Jahren, am Tag seiner Pensionierung, stemmt Feldmayer die Statue vom Sockel und zerschlägt sie. Einen Moment lang glaubt er, in den umherfliegenden Marmorsplittern den Dorn zu erkennen, nach dem er gesucht hatte – und beginnt zu lachen.
    Die Polizisten, die Feldmayer nach Hause bringen, sehen, dass die Wände mit Tausenden von Fotos tapeziert sind. Das Motiv ist immer gleich, an unterschiedlichen Orten: Menschen, die sich einen gelben Reißnagel aus dem Fuß ziehen. Die Staatsanwaltschaft beauftragt ein psychiatrisches Gutachten. Als jedoch klar wird, dass auch die Museumsdirektion zur Verantwortung gezogen werden würde – dafür, dass sie Feldmayer ein knappes Jahrhundert in einen Raum gesperrt hatten – wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. (Text: RTL)
    Deutsche Online-PremiereDi 28.06.2022RTL+

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