2017, Folge 228–251

  • Folge 228 (45 Min.)
    Immer mehr Deutsche nehmen Tabletten, um alltägliche Probleme in den Griff zu bekommen: Schlafmittel, um besser ein- oder durchzuschlafen, Wachmacher, um leistungsfähiger zu sein. Allein von Schlaf- und Beruhigungsmitteln sind bis zu anderthalb Millionen Deutsche abhängig. Und fast drei Millionen Menschen haben, laut einer DAK-Studie, schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente genutzt, um bei der Arbeit mehr Leistung zu bringen oder um Stress abzubauen. Auch diese Wachmacher haben enormes Suchtpotenzial. Viele Menschen lassen sich diese Medikamente von ihrem Arzt verschreiben, häufig auf Privatrezept, sodass ein großer Teil der Verschreibungen nicht einmal in der Statistik der Krankenkassen auftaucht.
    Dabei sind Schlafmittel wie Benzodiazepine und Wachmacher wie Modafinil oder Methylphenidat schon lange auf dem Markt. Doch viele Patienten und offenbar auch viele Ärzte unterschätzen das Suchtpotenzial. Manche Ärzte werben sogar regelrecht für die Einnahme von Schlafmitteln und Wachmachern. Sie bestreiten, dass Schlafmittel abhängig machen, und behaupten stattdessen, die Tabletten würden die Lebensqualität derart erhöhen, dass man einfach nicht mehr auf sie verzichten möchte.
    Und Modafinil, ein wachmachendes Psychostimulans, wird auch Patienten empfohlen, die nicht an Narkolepsie erkrankt sind. Und das, obwohl die Europäische Arzneimittel-Agentur ausdrücklich davor warnt. „45 Min“ zeigt, wie es Menschen ergeht, die Schlafmittel oder Wachmacher über einen längeren Zeitraum hinweg einnehmen, und fragt, warum so viele von diesen Tabletten abhängig werden.
    Wolfgang N. (45) hat 30 Kilogramm abgenommen und langsam wieder angefangen zu arbeiten, erst einmal ehrenamtlich. Fast zehn Jahre ist er tablettenabhängig gewesen. Er hatte im Schichtbetrieb gearbeitet und jahrelang unter Schlafproblemen gelitten. Ärzte rieten ihm zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Er nahm sie in immer höheren Dosen ein. Schon bald war an Arbeit nicht mehr zu denken, aber auch nicht mehr an Schlaf. N. lebte in einer Art Wachkoma. Dann kam der Zusammenbruch, Wahnvorstellungen und Organversagen.
    Ein achtwöchiger kalter Entzug rettete ihm vor knapp einem Jahr das Leben. Marleen K. (25) studiert Jura. Sie will Anwältin werden. Der Leistungsdruck ist hoch und die Konkurrenz unter den Kommilitonen enorm. Um das Lernpensum schaffen zu können, nimmt sie regelmäßig Wachmacher ein: verschreibungspflichtige Medikamente wie Modafinil oder Methylphenidat, besser bekannt als Ritalin. Zehn bis zwölf Stunden kann sie dann ununterbrochen lernen. Die Tabletten sind an Universitäten deshalb längst alltäglich.
    Dabei wird weitgehend ignoriert, dass sie süchtig machen. Und ob sie tatsächlich leistungssteigernd wirken, ist nicht bewiesen. Renate K. (76) konnte mit den Jahren immer schlechter schlafen. Auf Empfehlung ihres Hausarztes probierte sie es mit Schlaftabletten. Doch nach einigen Wochen tauchten die Schlafprobleme wieder auf. Sie setzte die Tabletten ab und bekam es mit handfesten Entzugserscheinungen zu tun: Wahnvorstellungen, Gedächtnisverlust und Kreislaufprobleme. Denn schon nach wenigen Wochen war sie von den Tabletten abhängig geworden. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 16.01.2017NDR
  • Folge 229 (45 Min.)
    Jeder kennt die Institute der Sparkassen. Deren Chefs sind stolz auf die regionale Verwurzelung und das gute Image ihrer Institute. Die Sparkassen verstehen sich gerne als „die Guten“ unter den Banken, schließlich sind sie laut Satzung dem Gemeinwohl verpflichtet. Keine schlechte Grundlage für gute Geschäfte. Diese spülen seit Langem ordentliche Gewinne in die Tresore der Sparkassen. Allein im Jahr 2015 haben die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Norddeutschland rund 650 Millionen Euro verdient, vor Steuern. Doch wohin mit dem Geld? Diese Frage stellt sich jedes Jahr auf Neue.
    Einen Teil der Gewinne könnten die Sparkassen an Landkreise und Städte abführen, zu denen sie gehören. Doch das passiert kaum. Warum eigentlich nicht? Eine Erklärung ist das Verhältnis der Sparkassenvorstände zu Landräten und Oberbürgermeistern. Denn die könnten die Gewinne für die Kommunen einfordern; als Verwaltungsräte sind sie für die Kontrolle der Sparkassen zuständig. Doch die meisten lassen den Sparkassenvorständen freie Hand über die Gewinne. Deren wichtigstes Argument: Sie bräuchten hohe Rücklagen.
    Sparkassen-Kritiker wie Prof. Ralf Jasny sehen den Grund für diese Entwicklung in der mangelnden Kontrolle des Vorstands durch die zuständigen Kommunalpolitiker, bei denen die bankfachliche Qualifikation nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Er fordert kompetentere Aufsichtsgremien, die unabhängig sind von Parteizugehörigkeit. Wenn einzelne Lokalpolitiker doch nach einer sogenannten Ausschüttung fragen, verweisen die Sparkassen gerne auf ihr finanzielles Engagement bei Sponsoring und Spenden für wohltätige Zwecke, Sport und Kultur.
    Zu heftigen Konfrontationen zwischen Politik und Sparkasse kommt es höchst selten. Niemals wurde öffentlich heftiger um die Gewinne gestritten als im Jahr 2016 zwischen dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel und der ansässigen Stadtsparkasse. Er betont: „Eine derartige Kompromisslosigkeit, wie ich sie bei der Sparkasse vorgefunden habe, habe ich noch nie in meinem Leben erlebt.“ Sparkassenvorstand Michael Meyer spricht dagegen von einem „einigermaßen lauten Vorgang“, den er aber „gar nicht so unnormal“ finde.
    Die Vertreter der Sparkassen rechtfertigen sich mit schwierigen Zeiten. Die Niedrigzinsphase würde die Gewinne auffressen, die Bankenaufsicht setze sie unter Druck und immer weniger Kunden besuchten die Filialen. Auch an der Schließung von Geschäftsstellen führe deshalb kein Weg vorbei. Dennoch geht es den Sparkassen in Norddeutschland heute vielerorts noch gut. Im Jahr 2015 wurde sogar mehr Gewinn gemacht als im Jahr zuvor. „45 Min“ berichtet über den Umgang von Kommunalpolitikern und Vorständen mit den Gewinnen der Sparkassen. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 13.03.2017NDR
  • Folge 230 (45 Min.)
    Der Mittelstand ist zu Recht verärgert. Während Großkonzerne wie Starbucks, Google oder Apple trickreich Milliardengewinne in ferne Steuerparadiese verschieben und ihren Steuersatz auf null drücken, trägt der ehrliche Mittelständler bald die ganze deutsche Steuerlast allein. Allerhöchste Zeit, ein Experiment zu wagen: Können es die kleinen Firmen nicht einfach auch so machen wie die großen Unternehmen? Mit dieser Dokumentation liefern Gesine Enwaldt und Malte Heynen einen tiefen Einblick in die Welt der „Steuervermeider“.
    Nach dem Vorbild der internationalen Konzerne versuchen sie, für ihre kleine mittelständische Produktionsfirma ein Steuerschlupfloch zu buddeln. Die Wege der Global Player ins Steuerparadies sind hochkomplex, und die Autoren sammeln für ihren Versuch jede Menge Sachverstand und Informationen. Sie treffen ehemalige Steuerfahnder, Whistleblower, Finanzexperten und entwirren so die dreisten Methoden der Konzerne. Und ganz nebenbei lernen sie einiges über die Macht der Finanzlobby und finden Antworten auf die Frage, warum eigentlich die Politik die Steuerschlupflöcher nicht schließt.
    Der Weg ins Steuerparadies ist für Gesine Enwaldt und Malte Heynen voller Hindernisse: Bekommen die finanzschwachen Journalisten überhaupt einen Beratungstermin bei den Steuerexperten der sogenannten „Big Four“, den einflussreichsten Unternehmensberatungsfirmen der Welt? Wie kann es gelingen, auf eigene Faust in Amsterdam eine Briefkastenfirma aufzumachen und dann noch eine Niederlassung in einem Null-Prozent-Steuerparadies in der Südsee? Was muss getan werden, damit das Finanzamt die für Mittelständler ungewöhnliche Gewinnverschiebung mitmacht? Der Selbstversuch zeigt nachvollziehbar, mit welcher Dreistigkeit sich Großunternehmen ihrer Steuerpflicht entziehen.
    Der Film liefert Antworten auf die Frage, warum für große Unternehmen möglich ist, was den kleinen verwehrt bleibt. Wie konnte es zu dieser „Riesenplattform der Tricks und Schliche“ kommen, auf dem sich nur die Superreichen tummeln und nach ihren eigenen Gesetzen spielen? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 20.03.2017NDR
  • Folge 231 (45 Min.)
    Warum werden Raser oft nur zu Bewährungsstrafen und wenigen Monaten Führerscheinentzug verurteilt? Die Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen wollen das mit einem neuen Gesetz ändern. Und auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat angekündigt, härter gegen die Verkehrsgefährder vorzugehen. Die Polizei versucht, mit Kontrollen gegen illegale Autorennen vorzugehen. In Köln wurde deshalb extra eine Ermittlungsgruppe gegründet. In der Dokumentation wird gezeigt, was ein Unfall, verursacht durch Raser, für die Betroffenen bedeutet und wie sie ein Leben lang mit den Folgen zu tun haben. Und es wird die Frage gestellt: Was hilft wirklich gegen illegale Autorennen? Mehr Kontrollen? Härtere Strafen? Oder legale Ersatzrennen? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 10.04.2017NDR
    Erstausstrahlung ursprünglich für den 03.04.2017 angekündigt
  • Folge 232 (45 Min.)
    Wenn Fahrradkurier Eichler klingelnd und fluchend durch Oldenburg flitzt, springen Fußgänger zur Seite, Autofahrer machen Vollbremsungen. Der Platz auf Straßen und Bürgersteigen ist einfach zu knapp, um es allen Verkehrsteilnehmern recht zu machen. Dabei soll das Fahrrad zentrale Probleme lösen, mit denen deutsche Städte zu kämpfen haben: Stau, Lärm, Luftverschmutzung. Doch dafür sind die Radwege im Norden noch völlig unzureichend: Sie sind schmal, verwinkelt, buckelig, verkrautet oder gleich ganz zugewachsen. Viele Stadtplaner wollen die Radler daher vom Bürgersteig verbannen. Die Freie und Hansestadt Hamburg etwa investiert in weiße Farbe für Radstreifen am Straßenrand.
    Aufgemalte Linien und Fahrradpiktogramme sind preiswert und werden vor allem von sportlichen Radfahrern geschätzt, die ohnehin lieber auf der Straße fahren. Mithilfe der neuen Infrastruktur will Hamburg den Anteil von Radfahrern im Straßenverkehr von zwölf auf 25 Prozent verdoppeln und „Fahrradstadt“ werden. Doch dazu müssten breite Bevölkerungsschichten erst einmal aufs Rad umsteigen. Kritiker bezweifeln jedoch, dass sich unsichere Radfahrer, Senioren oder gar Kinder zum Fahren auf die Straße locken lassen. Zumal sie sich dort mit neuen Gefahren konfrontiert sehen: Oft stehen Autos im Weg, sodass Radfahrer in den Autoverkehr ausweichen müssen.
    Autofahrer, die parken wollen, müssen Radstreifen zwangsläufig überqueren. Gerade im dichten Berufsverkehr kommt es dabei immer wieder zu gefährlichen Situationen. Der Blick zum nördlichen Nachbarland Dänemark zeigt, was mehr Menschen zum Umstieg aufs Fahrrad motiviert: Ins Kopenhagen sind die Radwege konsequent verbreitert und baulich vom Fuß- und Autoverkehr klar getrennt worden. Der Erfolg: In der dänischen Metropole fahren mehr Menschen mit dem Rad als mit dem Auto. Können deutsche Stadtplaner von den Dänen lernen? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 24.04.2017NDR
  • Folge 233 (45 Min.)
    Galopprennen in Deutschland, damit werden schnelle Pferde, große Hüte, Champagner, Geld und beste Unterhaltung verbunden. Große Events mit Tradition und Prestige ziehen pro Jahr rund eine Million Zuschauer an. Für die Pferde geht es dabei allerdings weniger um Spaß, vielmehr um höchsten Stress und nicht selten um ihr Leben. In jeder Saison sterben Tiere nach Stürzen direkt auf der Rennbahn. Viele Galopper werden beim Training tödlich verletzt oder wegen Leistungsschwäche und Verletzungen aussortiert und frühzeitig billig an Hobbyreiter verkauft.
    Das edle Vollblut ist Sportgerät, Prestigeobjekt und Spekulationsobjekt zugleich. So auch bei dem mittlerweile neunjährigen Aspantau, ein Wallach bester Abstammung. Der junge, einst hoch gehandelte Galopper, war nach dem Ausscheiden aus dem Sport mit nur vier Jahren ein körperliches und seelisches Wrack. Viel zu früh antrainiert, lief er in England das erste Rennen schon im Alter von zwei Jahren. Ohne Erfolg. Ein rapider Wertverlust war die Folge, er wurde günstig nach Deutschland verkauft und hier bei kleinen Rennen förmlich zugrunde geritten.
    Seine Biografie ist exemplarisch für einen Großteil der etwa 2.400 Rennpferde, die in den Boxen der deutschen Rennställe stehen. Gegner des Galoppsports, wie der ehemalige Rennbahntierarzt Dr. Maximilian Pick, äußern heftige Kritik am System. Viele Dinge, die dem Rennbahnbesucher ganz normal erscheinen, erscheinen aus seinem Blickwinkel höchst fragwürdig: vom Rennbahneinsatz zweijähriger Jungpferde, die praktisch noch Fohlen sind, über den Peitschengebrauch, bis hin zum Aussortieren der Pferde, die keine Leistung mehr bringen.
    Für „45 Min“ haben Antonia Coenen und Wilm Huygen eine Saison lang in der deutschen Galoppszene recherchiert und Rennveranstaltungen, Trainingsställe und Auktionen im ganzen Land besucht. Sie haben die kurze Karriere der Rennpferde in Deutschland beobachtet. Es heißt, der Galoppersport käme von allen Pferdesportarten der Natur des Pferdes am nächsten. Die beiden Autoren haben anderes erlebt. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 15.05.2017NDR
  • Folge 234 (45 Min.)
    Etwa sechs Millionen Bundesbürger haben ein Alkoholproblem. Doch diese legale Droge der Deutschen bleibt billig und überall zu jeder Zeit verfügbar. Das große Besäufnis oder den kleinen Rausch zwischendurch gönnen sich die Deutschen durch alle Einkommens- und Altersklassen. Die wenigsten Menschen würden sich eingestehen, dass sie zu viel trinken. Die Faustregel der Mediziner: ein kleines Glas Bier für Frauen ist unproblematisch, bei Männern sind es zwei Gläser. Die statistische Wahrheit sieht anders aus: Danach trinkt jeder Deutsche 30 Liter Schnaps trinkt im Jahr. Das ist ein Spitzenwert in Europa.
    40 Milliarden Euro kosten den Steuerzahler die jährlichen Folgen des hohen Alkoholkonsums, für die Pflege Alkoholkranker, für ihre Reintegration, Frühverrentung oder bei Arbeitslosigkeit. Die Dokumentation aus der Reihe „45 Min“ konfrontiert die Bundespolitik mit ihrer Tatenlosigkeit, umreißt den Einfluss der Lobbyisten auf die Gesetzgeber und lässt Menschen zu Wort kommen, die offen Einblick gewähren in ihren Weg vom Feierabendbier in die Abhängigkeit. Der Film erklärt die Wirkung von Alkohol und was den Rausch für so viele Menschen so verlockend macht.
    „Wir lernen, dass wir zusammen leichter und schneller Spaß haben, wenn wir Alkohol trinken“, so Dr. Rainer Petersen, Leiter der Rehaklinik in Breklum, Nordfriesland. „Der Missbrauch beginnt, wenn wir Alkohol bewusst und öfter einsetzen, um zum Beispiel fröhlicher und entspannter zu werden.“ So war es bei Hans-Joachim F., einem der Klinikpatienten. „An den Wochenenden fing es an“, so der ehrenamtliche Fußballtrainer. „Bis das Bier nach dem Training das Schönste am Fußball war. Irgendwann war ich der Erste und der Letzte in der Kneipe.“ Von da führte der Weg direkt in die Abhängigkeit.
    So wie Hans-Joachim F. geht es schätzungsweise zwei Millionen Alkoholabhängigen in Deutschland. Weitere vier Millionen Bundesbürger konsumieren Alkohol in Mengen, die riskant bis gefährlich sind und scheren sich wenig um ihre Gesundheit. Denn Alkohol ist eine Droge wie Tabak, Heroin und Cannabis auch. Und vielen Menschen fällt es schwer, dem Alkohol zu widerstehen, der ständig verfügbar und günstig zu beschaffen ist. Beim Tabakkonsum haben schärfere Gesetze, eingeschränkte Werbung und hohe Preise dazu beigetragen, die Zahl der Raucher drastisch zu reduzieren. Warum geschieht das nicht auch beim Alkohol? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 22.05.2017NDR
  • Folge 235 (45 Min.)
    Sharing Economy ist hip und längst keine romantische Vorstellung mehr. Anbieter wie car2go, Airbnb, Wimdu oder Uber sind die Großen, die mit dem systematischen Ausleihen von Gegenständen und gegenseitiger Bereitstellung von Räumen und Flächen Geld verdienen. Längst sind sie Milliarden wert, deren Wachstum ist offenbar unaufhaltsam. Die Autoren treffen „Anfänger“ wie Steffi und Martin Schleithoff. Sie teilen ihren Bauernhof mit 60 Menschen, die sie jede Woche mit frischem Gemüse, Eiern und Fleisch versorgen. Sie besuchen aber auch „Profis“ wie Ursula Westkott, die ein Zimmer an Touristen vermietet und sich damit einen Job ins Haus geholt hat.
    Teilen ist das neue Wirtschaften. So können Probleme weltweit gelöst werden, sagen die Propheten des Sharing Economy. Tauschbörsen und Leihportale sind beliebt wie nie, doch genauso umstritten. Airbnb und der Taxianbieter Uber sind bei Reisenden beliebt. Doch sind die Portale nicht längst ganz gewöhnliche Wirtschaftsunternehmen, die amerikanischen „Rambo-Kapitalismus“ verbreiten und dabei glauben, die geltenden Gesetze seien veraltet und gelten für sie nicht? „45 Min“ wagt einen Blick in die Zukunft eines Wirtschaftszweiges, der längst das Leben von Millionen Menschen verändert hat. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 29.05.2017NDR
  • Folge 236 (45 Min.)
    Jährlich werden rund 27 Millionen Schweine in Deutschland in der intensiven Schweinemast herangezüchtet. Hybridschweine werden die Tiere genannt, die in der konventionellen, industriellen Intensivhaltung gemästet und für den Nahrungsmittelbedarf geschlachtet werden. Die Autorinnen Antonia Coenen und Jana Buchholz wollten wissen, wie das Leben eines solchen Hybridschweins aussieht. Haben Mastschweine noch dieselben Verhaltensweisen wie ihre Artgenossen, die auf dem Bauernhof groß werden? Welche körperlichen und sozialen Folgen hat die Intensivhaltung in der Massenzucht für die Tiere? Stimmt es, dass die Massentierhaltung für Schweine artgerecht ist? Dazu wollten die Autorinnen das Wesen der Hybridschweine kennenlernen und haben für „45 Min“ ein ungewöhnliches Experiment gestartet.
    Sie kauften eine Zuchtsau und drei Mastferkel aus der konventionellen Haltung und brachten sie auf einen autarken Kleinbauernhof in der Nähe von Hamburg. Dort beobachteten sie sieben Monate lang, wie sich die Tiere im Freien verhielten, bei naturnaher Lebensweise, bei Licht, an der frischen Luft, mit Gras, Erde und Wasser. Sind die natürlichen Schweineinstinkte bei diesen auf Hochleistung gezüchteten Tieren überhaupt noch vorhanden? Können Tiere aus der Massenhaltung „resozialisiert“ werden? Das Experiment zieht sich dabei wie ein roter Faden durch den Film, mit immer neuen Überraschungen, kleinen Abenteuern und einem echten Happy End.
    Anlass für das Schweine-Experiment war eine intensive Recherche der Autorinnen, die verstehen wollten, wie Hybridschweine in der konventionellen Haltung leben und sterben. Zu Wort kommen Wissenschaftler, Politiker, Schweinebauern, Schlachter und Konsumenten, und es entsteht ein vielschichtiges Bild vom komplexen „System Schweinezucht“ mit seinen Widersprüchen, seinen gesellschaftlichen und finanziellen Herausforderungen. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 26.06.2017NDR
    Erstausstrahlung ursprünglich für den 12.06.2017 angekündigt
  • Folge 237 (45 Min.)
    Die Beziehung zu den Geschwistern ist eine der längsten Beziehungen im Leben. Aussuchen kann man sich seine Brüder und Schwestern aber nicht. „Es ist wie ein Käfig, in dem alle zusammengepfercht werden und irgendwie zurechtkommen müssen“, sagt der Entwicklungspsychologe Professor Dieter Wolke. So sind Geschwisterbeziehungen geprägt von Rivalität, Eifersucht und Hass. Oder von Fürsorge, Liebe und Zusammenhalt. Wovon hängt das ab? Die Autorin Anke Hunold erzählt die Geschichte einer siebenköpfigen Familie, um diese Frage zu beantworten.
    Die Geburt eines weiteren Geschwisterkindes hat sie beinahe zerstört. Warum? Der Film begleitet eine Familie, die einen zweiten Sohn erwartet und befürchtet, dass ihr Erstgeborener den kleinen Bruder nicht akzeptieren wird. „Das wird eine Herausforderung, aber wir bereiten ihn gut vor“, so die Mutter. Hilft das? Die Autorin trifft zwei erwachsene Schwestern, die vor knapp 40 Jahren brutal aufeinander losgegangen sind. Wie ist ihr Verhältnis heute? Und die Dokumentation geht der Frage nach, warum so viele Geschwister im Erwachsenenalter den Kontakt zueinander abbrechen.
    Lange Zeit wurde die Beziehung zwischen Geschwistern von der Psychologie in Deutschland vernachlässigt. Auch weil der „Krieg im Kinderzimmer“ ein Tabuthema ist. „Die Beschämung, dass es in der eigenen Familie Gewalt gibt durch Geschwisterrivalität ist einfach sehr groß“, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Professor Michael Schulte-Markwort. „Zu erleben, dass die Kinder, die ich so liebe, sich untereinander so sehr hassen, ist was ganz Schreckliches.“ Dabei kann gerade das die Psyche und den Lebensweg von Kindern massiv beeinflussen.
    Studien belegen, dass Kinder, die permanent von ihren Geschwistern gemobbt werden, zwei- bis dreimal häufiger auch in der Schule Mobbingopfer sind. Zudem werden sie doppelt so häufig depressiv und leiden unter Angststörungen oder selbstverletzendem Verhalten. Wie viel Eifersucht und Rivalität unter Geschwistern ist normal? Ab wann wird es für Kinder gefährlich? Was müssen die Eltern dann tun? Diese und andere Fragen beantwortet Anke Hunold. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 19.06.2017NDR
  • Folge 238 (45 Min.)
    Deutschland gehört zu den wenigen Ländern auf der Welt, in denen oftmals kein Tempolimit auf den Straßen gilt. Immer mehr Autos müssen sich diese große Freiheit auf den Schnellstraßen teilen. Und das führt zu immer rauer werdenden Sitten: Viele Autofahrer rasen, drängeln und riskieren ständig noch mehr auf Kosten der Schwächeren. Entspannt gleitet man hingegen über die Straßen im europäischen Ausland, auf denen eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Aber kaum wieder auf der deutschen Autobahn zurück, sind bei manchen die Rüpelmanieren präsent: Bleifuß, dichtes Auffahren, Telefonieren und E-Mails checken am Steuer, Gaffer bei Unfällen, Rücksichtslosigkeit.
    Warum werden viele Autofahrer zu „Ungeheuern auf vier Rädern“? Warum können viele von ihnen mit der Freiheit auf den Straßen in Deutschland so schlecht umgehen? „45 Min“ macht eine Erkundung tief in das Seelenleben des deutschen Autofahrers, hat bekennende Schnellfahrer, ertappte Raser und bekehrte Temposünder aufgesucht und sie über ihre Motivation erzählen lassen. Einer von ihnen soll eine Zivilstreife mit 180 km/​h in der 70er-Zone riskant überholt haben.
    Wie geht ein Gerichtsverfahren in einem solchen Fall aus? Was rät ihm der Verkehrspsychologe? Kennt der Anwalt ein paar Tricks, um den Führerscheinentzug zu vermeiden? „Die Deutschen sind im Straßenverkehr prinzipiell rechthaberisch, und sie nehmen jedes Hupen persönlich“, sagt der Unfallforscher der Versicherer Siegfried Brockmann. In seiner Umfrage haben sich viele Deutsche dazu bekannt, im Straßenverkehr aggressiv zu sein. Die Konsequenzen sind sichtbar: „Die Unfälle nehmen nicht zu, aber ihre Folgen werden immer schlimmer, weil gnadenlos gerast wird“, erklärt Autobahnpolizist Werner Johannes.
    Seit 26 Jahren macht er Dienst an der A1. Er hat viele furchtbare Unfälle gesehen. Für ihn gibt es nur ein Mittel, um die Verkehrsdisziplin auf deutschen Straßen zu erhöhen: „Nicht die Bußgelder erhöhen, sondern den Führerschein schneller entziehen. Bei jedem schweren Crash, den ich sehe, denke ich: Hätten wir Tempo 130 auf den Autobahnen, würden so viele Menschen noch leben.“ Da hätte auch bei Lucia Lüchow und ihrer 15-jährigen Tochter Sofia so sein können.
    Bei einer Fahrt in den Urlaub an die Ostsee wurde ihr Kleinwagen auf der A20 bei Rostock von einem Audi mit etwa 200 km/​h von der Straße gerammt. Beide Frauen starben bei dem Unfall. Was bedeutet ein solches Drama für die Angehörigen? Wie geht deren Leben weiter? Die Familie der Opfer und eine Überlebende des Unfalls berichten, wie diese Tragödie ihr Leben verändert hat, wie die unfassbare Nachricht sie erreichte und was sie gegenüber dem Unfallfahrer empfinden.
    „Hätte sich der Fahrer an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/​h gehalten, würden die Frauen noch leben“, schrieb der Gutachter. Warum gibt es in Deutschland kein Tempolimit? Viele glauben, dass das die Autolobby verhindere. Und die Politik sei zu schwach, um Geschwindigkeitsbeschränkungen auf deutschen Straßen gegen die Macht der PS-Clans durchzusetzen. Der Verband der Automobilindustrie hat seine eigene Vision, deren Ziel ist das unfallfreie Fahren, konstatiert sie. Die Realität sieht anders aus: Vollgas fahren und Schrottautos durch Unfälle mit Todesopfern gehören immer noch zum Alltag auf Deutschlands Straßen. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 21.08.2017NDR
  • Folge 239 (45 Min.)
    Die „45 Min“-Dokumentation zeigt anhand von Beispielen geschädigter Patienten, wie es um die Medikamentensicherheit in Deutschland bestellt ist. Gestützt auf vertrauliche Dokumente, Aussagen von Whistleblowern, Ermittlern und Experten, entsteht das Bild einer Branche, in der einzelne Unternehmen Todesopfer in Kauf nehmen, um die Rendite zu steigern. Die Dokumentation verfolgt den Weg der Medikamente von der Herstellung bis zum Verkauf an den Patienten und zeigt, wo gepanscht, gestreckt und gefälscht wird. Längst werden inzwischen nicht nur sogenannte Lifestyle-Präparate manipuliert, sondern auch lebenserhaltende Medikamente.
    Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO entspricht weltweit bei zehn Prozent der Medikamente der Inhalt nicht dem Packungsaufdruck. In der EU gehen Experten der WHO von einer Fälschungsrate von bis zu einem Prozent aus. Längst sind diese Fake-Arzneien zum Problem im Gesundheitssystem geworden, mit hoher Dunkelziffer, teilweise überforderten Kontrolleuren und schlimmen Folgen für betroffene Patienten. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 04.09.2017NDR
  • Folge 240 (45 Min.)
    Frauen sind in Deutschland einem großen Armutsrisiko ausgesetzt. Sie verdienen weniger als Männer, arbeiten häufig in Teilzeit, ziehen Kinder groß. Am Ende ihres Erwerbslebens stehen sie oft mit Renten da, die kaum das Überleben sichern. Die durchschnittliche Rente einer Frau beträgt mit 645 Euro im Monat 60 Prozent weniger als die eines Mannes. Fast die Hälfte der westdeutschen Frauen, die zwischen 1966 und 1970 geboren sind, werden gerade einmal um die 700 Euro monatlich an Rente bekommen. Frauen tappen in die Armutsfalle, auch weil der Staat das durch seine Gesetzgebung fördert! Dieser Film befasst sich mit einem skandalösen Ärgernis und berichtet über ein Problem, das alle Generationen betrifft: die Hausfrauen der Wirtschaftswunderjahre, noch mehr jedoch ihre Töchter und Enkelinnen.
    Befragt wurden Bundesfamilienministerinnen aus drei Jahrzehnten, Rita Süssmuth (CDU, 1985 bis 1988), Renate Schmidt (SPD, 2002 bis 2005) und Manuela Schwesig (SPD, 2013 bis 2. Juni 2017), warum nach fast einem halben Jahrhundert Debatten ein Problem noch immer so drängend ist, dessen Ursachen ebenso lange auf der Hand liegen.
    Haben die Politiker in Deutschland tatsächlich jahrzehntelang Gesetze auf den Weg gebracht, die Frauen sehenden Auges in die Armutsfalle treiben? Denn das Problem ist strukturell bedingt. Die Alleinverdiener-Ehe wird bis heute durch Ehegattensplitting und beitragsfreie Krankenversicherung für Ehepartner steuerlich hoch subventioniert, nach einer Scheidung jedoch durch das 2008 geänderte Unterhaltsgesetz bestraft.
    Der Film stellt Frauen aus drei Generationen vor: Rentnerinnen, die mehrere Kinder großgezogen haben und wegen ihrer geringen Altersbezüge auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Nur mit Spenden und Angeboten wie den kostenlosen Lebensmitteln der Tafeln kommen sie über die Runden. Eine Frau aus der Baby-Boomer-Generation, geschieden, die der Kinder wegen stets Teilzeit gearbeitet hat. Sie sorgt sich nun, gebeutelt vom neuen Unterhaltsrecht, das auch bei langjährigen Ehen kaum noch Ausgleichzahlungen vorsieht, um ihren Lebensabend.
    Eine junge Mutter, die erst zu ahnen beginnt, wie hoch der Preis sein kann, den sie für ihren Einsatz zu Hause bezahlen muss. An ihrem Beispiel wird genau durchgerechnet, welche finanziellen Folgen Babypause, Teilzeitarbeit und Minijobs für ihre spätere Rente haben. Gemeinsam mit Betroffenen und mit Fachleuten aus Wissenschaft und Politik wird ergründet, wo die Ursachen liegen, welche Kräfte einen Wandel verhindern und wie Frauen der fatalen Rentenfalle entgehen können. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 11.09.2017NDR
  • Folge 241 (45 Min.)
    Wie entscheidet man sich beim Einkaufen: mit dem Kopf oder mit dem Bauchgefühl? Viele Kunden glauben, ihre Entscheidung sei rational gesteuert. Die vermeintlichen Kriterien: Preis, Qualität, Nutzwert. Marketingexperten wissen es besser: Über 70 Prozent aller Einkaufsentscheidungen würden „aus dem Bauch heraus“ fallen. Spontan und unbewusst. Sind Kunden tatsächlich so irrational? Und so leicht verführbar? Früher gab es den sogenannten Versorgungskauf: Man brauchte etwas, das Angebot war überschaubar, die Entscheidung schnell getroffen.
    Heute ist alles sofort in großer Auswahl verfügbar. Handelsunternehmen sprechen von gesättigten Märkten. Es gibt kaum noch Lücken im Angebot. Wenn aber viele Anbieter die gleichen Waren verkaufen wollen, müssen sie die Kunden heute anders überzeugen. Hirnforscher versuchen deshalb, Konsumenten quasi neurologisch zu entschlüsseln: Welche Regionen des Kopfes sind aktiviert, wenn man sich für ein Produkt entscheidet? Wann obsiegt die Kauflust? Wie wird die Vernunft ausgeschaltet? Das sogenannte Neuromarketing zielt auf die Emotionen der Kunden.
    Sie sollen sich im Geschäft wohlfühlen, möglichst lange bleiben und natürlich mehr kaufen. Dabei spielen Licht, Duft, Haptik und Musik in den Geschäften eine immer größere Rolle. Von Musikduschen, Airdesignern und Handschmeichlern ist die Rede. Riecht es gut im Geschäft, bleibt der Kunde. Sanfte Musik lässt den Kunden Textilien als weich empfinden. Und wenn sich etwas gut anfühlt, dann will man es haben. Studien belegen solche Effekte und zeigen: Der Kunde ist über seine Sinne steuerbar.
    Märkte der Zukunft werden den Verbraucher gezielt und raffiniert in bestimmte Stimmungen versetzen: warmes Licht bei sogenannten „inspirativen“ Waren wie Dekoartikel, nüchternes Licht im Handwerkerbereich, Kaffeeduft bei den Lebensmitteln. All das lässt den Kunden fokussierter vorgehen. Die Waren wandern schneller in den Einkaufswagen. „45 Min“ begleitet Verkaufsforscher und Strategen, die dem Kunden „in den Kopf schauen“, damit sein Bauchgefühl beim Einkauf entscheidet. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 25.09.2017NDR
  • Folge 242 (45 Min.)
    Auch die „Turbo-Milchkühe“ in Deutschland sind dem Naturgesetz unterworfen. Haben sie nicht gekalbt, liefern sie auch keine Milch. Doch was passiert mit dem männlichen Nachwuchs, der mit den ebenfalls mittlerweile hochgezüchteten Nutztierrassen, die als Fleischlieferanten bevorzugt werden, nicht mehr konkurrieren kann? Dieser Frage geht Fabian Sabo in dieser „45 Min“-Dokumentation nach. Ein kräftiges Bullenkalb bringt dem Milchbauern um die 80 Euro, ein schwächeres gerade einmal zehn bis 20 Euro, wenn er es verkauft.
    Bei Aufzuchtkosten von rund 130 Euro pro Tier ist das ein glattes Verlustgeschäft. Kein Wunder, dass Kälber zum unerwünschten Abfallprodukt verkommen, wertlos, hilflos und schutzlos. Manche Bauern lassen schwächere Kälber aus schierer Existenznot einfach verenden. Eine ehemalige Landwirtschaftsgehilfin sagt aus, dass sie angewiesen wurde, den Tieren kein Wasser mehr zu geben, damit sie verdursten: „Das Sterben und das Stöhnen der Kälber, das ist grauenhaft!“ „45 Min“ besucht Bauern, die sich anders verhalten.
    Sie versorgen ihre Kälber gut, wissen aber auch nicht, wie es wirtschaftlich weitergehen soll. Denn je niedriger der Milchpreis ist, desto mehr Milch müssen die Bauern produzieren. Und noch mehr Milch heißt noch mehr Kälber. Ein Teufelskreis. In der Schweiz hat man einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden. Dort ist die industrielle Massenmästung auf dem Rückzug, artgerechte Haltung auf dem Vormarsch. Denn dort sind Verbraucher zunehmend bereit, mehr Geld für Milch und Fleisch zu bezahlen.
    In Norddeutschland hingegen trifft der Autor auf eine Fleischindustrie, die jeden Einblick in ihre Tierhaltungsmethoden verweigert. Eineinhalb Jahre lang versucht er, Einblick in Mastställe zu bekommen, die industriell bewirtschaftet werden. Doch die großen Konzerne bleiben hart. Seit Jahren haben sie keine Fernsehjournalisten mehr in ihre Kälbermast gelassen. Dann endlich öffnet sich ein anderer Weg. Und am Ende steht auch die Frage: Wie kann man als Verbraucher Einfluss nehmen auf das Wohl der Kälber? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 09.10.2017NDR
  • Folge 243 (45 Min.)
    Das Thema Pflege wird oft verdrängt. Keiner macht sich ohne konkreten Anlass gerne Gedanken darüber. Dabei geht es jeden an, denn es könnte jeden treffen, auch plötzlich und unerwartet. Spätestens, wenn die eigenen Eltern alt und krank werden, wenn sie nicht mehr allein klarkommen, steht man vor der Frage: Was macht man nun? Was ist die beste Lösung für den kranken Vater oder die demente Mutter? In dieser Dokumentation werden vier erwachsene Kinder bei ihrer Suche nach der besten Lösung für ihre pflegebedürftigen Eltern begleitet. Gefangen zwischen Leid, Last und Dankbarkeit. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 16.10.2017NDR
  • Folge 244 (45 Min.)
    Leute über 60 sind mit den Rolling Stones aufgewachsen und wollen im Alter weder deutsche Schnulzen hören noch basteln. Die Generation 60plus will aktiv und selbstbestimmt alt werden. Viele haben schon in ihrer Jugend Wohngemeinschaften gegründet. Jetzt probieren sie im Rentenalter neue Lebensformen aus. Senioren-WGs und Mehrgenerationenprojekte liegen im Trend. Bis zu 5.000 Wohnprojekte, schätzen Experten, gibt es bereits in Deutschland. Ständig entstehen neue Gruppen, die gemeinsam bauen und wohnen wollen. „45 Min“ zeigt an drei Beispielen, in denen unterschiedlich die Frage beantwortet wird, wie man im Alter leben will.
    In Bosau am Plöner See beispielsweise will das Ehepaar Reimann ein Seniorendorf für etwa 50 Bewohner errichten. Es soll eine Ökosiedlung mit 30 Holzhäuschen, einem Gemeinschaftsgarten und vielen Tieren werden. Doch die Hürden, dieses Bauprojekt zu realisieren, sind hoch. Finden die Reimanns genügend Mitstreiter? Gibt es eine Bank, die den Bau finanziert? Und wie wird aus Menschen, die sich vorher gar nicht kannten, eine Gemeinschaft? In Hamburg ist das Thema Wohnprojekt längst nichts Neues mehr.
    Die Stadt gilt als Hotspot in Deutschland, fördert seit 20 Jahren Bau- und Wohngruppen durch Beratung und die Vergabe von Grundstücken. Helma Sauer (75) lebt in einer weltweit einmaligen Hausgemeinschaft: dem Ökumenischen Forum mitten in der Hafencity. 21 christliche Kirchen sind Träger des Mehrgenerationenprojekts. Die 46 Bewohner sind eine spirituelle Gemeinschaft. Doch sie stehen vor den gleichen Problemen wie es sie in jedem anderen Wohnprojekt gibt.
    Wie integriert man neue Mitbewohner? Was tun, wenn jemand pflegebedürftig wird? „In der Gemeinschaft zu leben, ist eine große Herausforderung für mein Alter“, sagt die Pastorin im Ruhestand Helma Sauer. Doch sie wolle nirgendwo anders wohnen. Gemeinschaftsprojekte gelten als Wohnmodelle der Zukunft, nicht nur in Deutschland. Da die Familie an Bedeutung verliert, sind immer mehr Menschen auf funktionierende Nachbarschaften angewiesen. Zusammen kochen, Feste feiern, ein Garten für alle wirken gegen Einsamkeit, unter der vor allem ältere Menschen leiden.
    Und für Familien mit Kindern lässt sich in einer Hausgemeinschaft ein stressiger Alltag oft leichter meistern. Zudem beeinflussen Wohnprojekte den Stadtteil positiv. Die Bewohner des Ökumenischen Forums engagagieren sich zum Beispiel beim Urban Gardening in der Hafencity oder laden zum offenen Kleidertausch ein. Senioren-WGs sind eine Alternative, für die sich Hildegard Meyer entschieden hat. Mit 85 Jahren zieht die Rentnerin in eine WG mit elf anderen Bewohnern in ihrem Alter. Jeder hat ein Zimmer mit eigenem Sanitärbereich.
    Küche, Ess- und Wohnzimmer werden geteilt. Hildegard Meyer hofft, dass sie mit dem Umzug in die kleine Stadt Parchim der Trostlosigkeit auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern entkommt und in der Senioren-WG Freunde findet. Doch ob dieses Lebensmodell für sie passt, muss sich erst noch herausstellen. Heute gehört in Deutschland schon jeder Fünfte zur Generation 65plus. Das sind 17 Millionen Menschen. 2060 wird jeder dritte Bundesbürger so alt sein. Aber in ein Senioren- oder Pflegeheim will fast niemand ziehen. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 23.10.2017NDR
  • Folge 245 (45 Min.)
    Ilse-Marie Süßkind ist Kassenpatientin, Norbert Postler Privatpatient. Beide sollen ein neues Kniegelenk bekommen. Wie unterscheidet sich ihre Behandlung? Welche Vorteile hat ein Privatpatient in Deutschlands Gesundheitssystem tatsächlich? Und wann schneidet sogar ein Kassenpatient besser ab? „45 Min“ begleitet die beiden Patienten auf ihrem Weg vom niedergelassenen Orthopäden in die Klinik, von der Operation bis hin zur Reha. Gesetzlich Versicherte fühlen sich beim Arzt oft gegenüber Privatversicherten benachteiligt.
    Längere Wartezeiten, weniger Zeit für die Behandlung und schlechtere medizinische Versorgung, das sind die Kritikpunkte, die Kassen- und Privatpatienten immer mehr entzweien. Doch wie wird beim Arzt und in der Klinik tatsächlich zwischen gesetzlich und privat Versicherten unterschieden? Autorin Antje Büll dokumentiert, wie das Gesundheitssystem in Deutschland funktioniert, wie Ärzte abrechnen und ihr Geld verdienen, wohin das Geld wandert und wer die Gewinner und Verlierer im System sind. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 30.10.2017NDR
  • Folge 246 (45 Min.)
    Nach Jahren im Zentrum der Macht, stehen einige Spitzenpolitiker nach der Bundestagswahl plötzlich nicht mehr im Scheinwerferlicht. Für Abgeordnete, die aus der Politik aussteigen oder nicht mehr wiedergewählt werden, ist dies sowohl beruflich als auch privat ein tiefer Einschnitt. Privilegien wie Fahrdienst oder Diplomatenpass sind Vergangenheit, ihre öffentliche Bedeutung schwindet schnell. Wie gehen sie mit dem Verlust von Macht um? Und wie finden sie sich im Alltag zurecht? In der NDR-Produktion „Am Ende der Macht. Abschied von der Politik“ gewähren drei norddeutsche Spitzenpolitiker Einblicke in ihr neues Leben und den Politikbetrieb in Deutschland.
    Von nun an müssen sie kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Reinhold Beckmann und seine Co-Autoren Simon Huber und Wolfgang Klauser haben Marieluise Beck (Bündnis 90/​Die Grünen), Jan van Aken (Die Linke) und Peter Harry Carstensen (CDU) über mehrere Wochen mit der Kamera begleitet. Sie beobachten sie in unterschiedlichsten Situationen, sind auch in privaten Momenten dabei und zeichnen hierdurch ein sehr persönliches Bild der drei Polit-Pensionäre.
    Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen entschied sich 2012 für den Ruhestand. Selbst Angela Merkel konnte ihn damals nicht mehr umstimmen. Heute leben Carstensen und seine 24 Jahre jüngere Frau Sandra im alten Forsthaus des idyllischen Guts Schierensee bei Kiel. Carstensens Terminkalender ist nach wie vor gut gefüllt: Die Jagd, seine Hunde, viele Ehrenämter und Einladungen halten ihn auf Trab. Obwohl nicht mehr im Amt, wirkt und agiert Carstensen immer noch wie ein Landesvater – aber einer zum Anfassen.
    Mit Marieluise Beck verabschiedet sich eine Grüne der ersten Stunde aus dem Bundestag. Sie war schon 1983 dabei, als die Grünen zum ersten Mal ins Parlament einzogen. Mit den Alphatieren Joschka Fischer und Otto Schily lieferte sie sich damals regelmäßig heftige Wortgefechte und galt nicht nur deshalb als unbequem. So stimmte Beck 1995 im Bundestag für einen UN-Einsatz in Bosnien – gegen die große Mehrheit ihrer eigenen Fraktion: „Der Bosnienkrieg hat mir gezeigt, wie ich auf die Welt schauen muss, dass es das reale Böse gibt.“ Da sie in ihrem Bremer Landesverband keine Chance mehr auf den ersten Listenplatz hatte, hat sie auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag verzichtet.
    Nun verbringt sie mehr Zeit in ihrem Bremer Schrebergarten. Von der Politik kann Beck trotzdem nicht lassen. Nur wenige Tage nach ihrer letzten Bundestagssitzung begleitet Reinhold Beckmann die 65-jährige Beck an die Frontlinie im Osten der Ukraine: „Es ist mir unendlich wichtig, dass wir das Land nicht fallenlassen und es wirklich die Chance bekommt, sich zu entwickeln.“ Jan van Aken kündigte gleich zu Beginn seiner Abgeordnetenlaufbahn an, nur zwei Legislaturperioden in Berlin bleiben zu wollen.
    Viele Freunde hat er sich in den vergangenen acht Jahren in Berlin nicht gemacht. Aufgrund seiner forschen, teilweise als aggressiv empfundenen Auftritte im Bundestag und in den Ausschüssen galt er bei einigen Politikern anderer Parteien als Nervensäge. Der Abschied aus dem Parlament fällt van Aken nicht schwer. Kritik übt er vor allem am Debattenniveau.
    „Die Leute lesen vorgefertigte, schlechte Sprechzettel auch noch schlecht vor. Ich schäme mich richtig dafür.“ Wo er zukünftig arbeiten möchte, weiß der Hamburger noch nicht. Van Aken war früher für Greenpeace und als UN-Waffeninspektor tätig und könnte sich vorstellen, ein Praktikum zu machen oder auf einem Schiff für sechs Monate rumzuschippern. „Am Ende der Macht“ ist nah dran an drei grundverschiedenen Politikern, die aber trotzdem eine Gemeinsamkeit teilen: Sie müssen lernen, mit dem Verlust ihres alten, prestigeträchtigen Berufs umzugehen. Wem gelingt der Weg ins normale Leben? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 06.11.2017NDR
  • Folge 247 (45 Min.)
    In Deutschland kämpfen Rettungsdienst und Notaufnahmen in den Krankenhäusern alle mit dem gleichen Problem: Sie haben zu viele Patienten. Immer mehr Menschen rufen die Notfallnummer 112, immer mehr Menschen kommen in die Notaufnahme. Dabei sind die wenigsten dieser Patienten medizinische Notfälle, für die Rettungsdienst und Notaufnahmen zuständig wären. „45 Min“ fragt: Welche Folgen hat das für die Einrichtungen, die im Notfall Leben retten sollen? Der Rettungsdienst im Emsland liegt statistisch gesehen voll im Bundestrend: Er fährt heute dreimal so viele Einsätze wie vor zehn Jahren, bei gleich bleibender Bevölkerung.
    Immer häufiger rücken die Rettungswagen für Patienten aus, die auch anders hätten versorgt werden können. Die Gründe sind vielfältig: zu wenig Hausärzte, die soziale Vereinsamung der Menschen, ihr Anspruchsdenken. Der Notfallsanitäter Markus Gutreise fühlt sich inzwischen häufig wie ein Sozialarbeiter: „Die Routine mit den Notfällen, für die wir eigentlich ausgebildet werden, die verliert man dabei so ein bisschen.“ Seit Jahren reagieren die Rettungsdienste auf die Entwicklung: Sie haben neue Rettungswachen gebaut, mehr Rettungswagen gekauft, zusätzliche Sanitäter eingestellt.
    Die Leitstellen fragen die Notrufe genauer ab, um passgenauere Hilfe schicken und mit den Rettungsmitteln haushalte zu können. Trotzdem gelingt es ihnen kaum, die gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen einzuhalten. Klaus-Gerrit Gerdts, der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Cuxhaven, hält ihre Qualität daher für nicht ausreichend: „Die Rettungsdienste kommen zu spät beim Menschen an, wo zu spät definitiv zu spät bedeuten kann.“ Auch die Notaufnahmen in den Krankenhäusern müssen immer mehr Patienten versorgen.
    Eine der wichtigsten Aufgaben der Ärzte und Pfleger dabei: Sie müssen die wirklichen medizinischen Notfälle herausfiltern und schnell behandeln. Am Marienkrankenhaus in Hamburg arbeiten sie deshalb seit einigen Jahren mit einem Triage-System, das alle Patienten in einer Ersteinschätzung nach Dringlichkeit sortiert.
    Pflegedienstleiterin Claudia Pieper: „Jeder Patient macht uns hier gleich viel Arbeit, denn jeder wird gut versorgt.“ Dabei ist etwa ein Drittel der Patienten medizinisch gesehen kein Fall für die Notaufnahme. Das Marienkrankenhaus ist sogar noch einen Schritt weiter: Es hat eine medizinische Versorgungspraxis eingerichtet, eine Art Hausarztpraxis unter dem Klinikdach. Hier werden all die Patienten behandelt, die keine Notfallversorgung brauchen.
    Nur so kann man dort den tatsächlichen Notfällen noch gerecht werden. Für Chefarzt Michael Wünning ist das aber nur eine Zwischenlösung: „Für jeden Patienten, den wir hier in der Notaufnahme ambulant versorgen, zahlen wir drauf.“ Die Verantwortlichen in der deutschen Notfallmedizin sind sich längst einig: Die Notaufnahmen und Rettungsdienste müssen entlastet werden. Doch wie sollen die Patienten besser gesteuert werden? „45 Min“ hat eine Reportage über die deutsche Notfallmedizin am Anschlag gedreht. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 13.11.2017NDR
  • Folge 248 (45 Min.)
    Kurz vor der Einäscherung hält eine Rechtsmedizinerin den Prozess der Leichenverbrennung im Hamburger Krematorium an. Der Grund: Bei der Leichenschau hatte ein Arzt einen natürlichen Tod bescheinigt. Alle äußeren Anzeichen der Leiche weisen aber darauf hin, dass eine andere Todesursache vorliegt. Der Fehler fällt erst jetzt auf. Ein Fall für Polizei, Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin. Um die wahre Todesursache herauszufinden, beginnen die Ermittlungen. Die Leiche muss obduziert werden. Das ist ein klassischer Fall von Fehldiagnose auf der Todesbescheinigung.
    Laut einer aktuellen Studie der Universität Rostock sind gerade einmal zwei Prozent aller Todesbescheinigungen fehlerfrei. Rechtsmediziner sprechen in Deutschland von 1.200 unentdeckten Tötungsdelikten pro Jahr. Mord aus Habgier in Familien, überforderte Pflegekräfte im Pflegeheim oder sogenannte Todesengel im Krankenhaus, ein Tötungsdelikt kann jeden treffen. Besonders bei Menschen im hohen Alter ist die Dunkelziffer an unentdeckten Tötungsdelikten hoch. Doch auch ärztliche Behandlungsfehler oder Spätfolgen von Verkehrsunfällen können einen nicht natürlichen Tod bedeuten und sich auf Versicherungsansprüche der Angehörigen auswirken.
    Schon lange ist bekannt, dass die Ärzte, die bei Verstorbenen die Leichenschau durchführen, unter Stress stehen. Sie fühlen sich von Polizeibeamten und Angehörigen unter Druck gesetzt, sind häufig schlecht in der Leichenschau ausgebildet und werden zu gering bezahlt. Alle Beteiligten fordern dringende Reformen. Doch seit Jahrzehnten tut sich wenig bis nichts.
    „45 Min“ fragt, warum? Die Dokumentation begleitet im eingangs geschilderten Fall den bekannten Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel und Uwe Chrobok, Leiter der Todesermittlung des Hamburger LKA, bei den Untersuchungen. Schnell steht fest, dass es sich bei der Leiche aus dem Krematorium um keine natürliche Todesursache gehandelt hat. Doch woran ist der Mann gestorben? In Bonn erzählt der Rechtsmediziner Burkhard Madea einen Fall nach, bei dem er mit seinem Team einen Mord aufgeklärt hat, nachdem man ursprünglich von einem Selbstmord ausgegangen war.
    Der Film zeigt Fehler auf, die Ärzte bei der Leichenschau machen können, und thematisiert die Probleme, die daraus folgen: eine Dunkelziffer bei Tötungsdelikten in der deutschen Kriminalitätsstatistik, Serien von Patiententötungen, Aufwand und Kosten für den Staat, Belastung für die Angehörigen und verunsicherte Ärzte. Braucht Deutschland auch unabhängige Leichenbeschauer wie den Coroner, wie es ihn in England gibt? Oder reicht das kürzlich in Bremen eingeführte System des qualifizierten Leichenbeschauers aus? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 20.11.2017NDR
  • Folge 249 (45 Min.)
    Gabriele H. (41) lebt am Existenzminimum. Als alleinerziehende Mutter eines 13-jährigen Jungen muss sie mit gerade einmal 300 Euro im Monat auskommen. Das sind zehn Euro pro Tag. Da bleibt nichts übrig, nicht einmal für die Zuzahlungen für Medikamente und Anwendungen, die sie bitter nötig hat. So kann es sein, dass Gabriele H. zwar von ihrer Hausärztin acht Anwendungen für eine Rückentherapie verschrieben bekommt, sie aber das Rezept nicht einlösen kann, weil sie die 20 Euro Zuzahlung nicht aufbringen kann. Gabriele H. lebt in Hamburg-Horn. Dort liegt ebenso wie im Nachbarstadtteil Billstedt das Durchschnittseinkommen um mehr als 40 Prozent unter Hamburger Niveau.
    Und die Lebenserwartung der Menschen liegt zehn Jahre darunter. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Ein Grund aber sticht besonders hervor: In beiden Stadtteilen gibt es bis zu 94 Prozent weniger Ärzte als im Rest Hamburgs. „Hier will keiner hin. Hier gibt es keine Privatpatienten, und IGeL-Leistungen kann kein Mensch bezahlen“, sagt Chirurg Gerd Fass. Er ist Vorsitzender des Ärztenetzwerks Billstedt/​Horn, das die ärztliche Versorgung hier nachhaltig verbessern will. Das ist nicht einfach. Denn Ärzte in Billstedt und Horn müssen doppelt so viele Patienten behandeln wie im Rest Hamburgs, verdienen aber im Schnitt 30 Prozent weniger. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 27.11.2017NDR
  • Folge 250 (45 Min.)
    Der deutsche Wald ist für viele Menschen Sehnsuchtsort, Mythos und Identitätsstifter. Gut ein Drittel der Bundesrepublik ist gegenwärtig bewaldet, ungefähr die Hälfte der Wälder davon ist in staatlicher Hand, gehört also den Bürgern. Deutschland ist Spitzenreiter in der Forstwirtschaft. Die Bundesrepublik hat die größten Holzvorräte in ganz Europa, mehr noch als Finnland oder Schweden. Doch um den Forst in Deutschland ist ein erbitterter Streit entbrannt, denn er soll Unglaubliches leisten: sauberes Wasser und gute Luft generieren, nachhaltige Roh- und Brennstoffe liefern, CO2-Emissionen limitieren, Naturschutz und Erholung garantieren.
    Kann all das gleichzeitig funktionieren? Die Forstwirtschaft ist gespalten. Einige Menschen sind überzeugt, dass die Natur sich am besten selbst reguliert. Die meisten privaten Waldbesitzer und Förster sind dagegen Verfechter eines Kulturwaldes, also eines kontinuierlich gepflegten Waldes. Sie bezeichnen die Naturwaldverfechter als Ideologen. Wer kann es besser, die Natur oder der Förster? Einer der Naturwaldverfechter stapft mit einigen Wissenschaftlern und seltsamen Gerätschaften durch den 5.000 Hektar großen Stadtwald Lübeck.
    Es ist Förster Knut Sturm, der sein Revier per Laserscanner vermessen lassen will. So will er handfeste Beweise liefern, dass der Wald seinen eigenen Berufsstand im Grunde genommen nicht nötig hat. „Wir müssen nicht alles managen, sondern sollten einfach der Natur vertrauen“, glaubt er. Ginge es nach ihm, sollte die Hauptaufgabe des Försters sein, den Wald möglichst in Ruhe zu lassen und nur noch die wirklich alten, erwachsenen Baumsenioren schonend zu ernten.
    Sein Motto: Wir nutzen den Wald und er hat es nicht bemerkt. Wenn Hans-Caspar Graf zu Rantzau die Wälder seiner Familie besichtigt, empfindet er in erster Linie Ehrfurcht vor der Leistung seiner Vorväter: „Vor 210 Jahren war dieser Eichenwald nur ein platter Acker“, erklärt der Graf stolz, dessen Familie hier schon seit über 800 Jahren wirtschaftet. Der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Waldbesitzerverbandes versteht den ganzen Hype um die angeblichen Naturwälder nicht: „Der Wirtschaftswald ist sogar beim Artenschutz dem Naturwald überlegen.
    Es gibt keinen rationalen Grund, auch nur 0,1 Prozent der Wälder als Naturwald zu führen. Wald beruht auf einem Generationenvertrag, und den sollten wir nicht leichtfertig kündigen, sonst werden unsere Nachkommen sich wundern, warum sie keine brauchbaren Rohstoffe haben.“ Momentan steht der norddeutsche Wald vor großen Veränderungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Wälder abgeholzt, dienten als Reparationszahlung an die Siegermächte.
    Damit man möglichst schnell wieder Holz ernten konnte, wurden schnell wachsende Nadelholzplantagen angelegt, meistens Fichten. Das sind Nadelbäume, die in Deutschland eigentlich nur auf Bergkämmen wachsen. Diese Plantagen sind jetzt alle gleichzeitig erntereif. Die ganze Holzwirtschaft hat sich um Nadelholz organisiert, denn die langen, geraden Schäfte der Stämme eignen sich hervorragend, um schnell und effektiv Baumaterial herzustellen. 70 Jahre braucht ein solcher Baum, bis er ausgewachsen ist. Doch die Fichte hat wegen des Klimawandels keine gute Prognose in Deutschland, ist extrem anfällig gegen Schädlingsbefall.
    Welche Baumart könnte die Fichte ablösen? Sollte man stärker auf Arten fremder Länder, wie die nordamerikanische Douglasie, als Bauholz setzen? Oder verpasst Deutschland damit als Gesellschaft die Chance, die Wälder ganz auf Natur pur umzustellen, und das für die nächsten 100 Jahre? „45 Min“ begleitet Förster Knut Sturm und seine Widersacher ein Jahr lang durch den Wald. Wer hat die besseren Argumente: der Liebhaber des Naturwaldes oder die Verfechter einer aktiven Bewirtschaftung? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 04.12.2017NDR
  • Folge 251 (45 Min.)
    Es waren Bilder vom G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017, die um die Welt gingen. Und die im Gedächtnis bleiben. Vermummte Chaoten plünderten Geschäfte im Hamburger Schanzenviertel, attackierten Polizisten mit Wurfgeschossen. In anderen Hamburger Stadtteilen wurden Autos in Brand gesetzt und Schaufensterscheiben zerstört. Über Stunden herrschte ein Ausnahmezustand, den eine überforderte Polizei nur mühsam beenden konnte. Statt der erhofften Bilder von vielen Regierungs- und Staatslenkern, die sich um die Probleme einer globalisierten Welt kümmern, dominierten die Schlagzeilen vom G20-Chaos auf den Hamburger Straßen die Nachrichten. Aber wie war das möglich, wo doch die Bundesregierung und der Hamburger Senat im Vorfeld beteuerten, alles im Griff zu haben? Wo man Warnungen vor Gewaltexzessen als völlig übertrieben ignorierte, den Hamburger Bürgern ihre Sicherheit garantierte? Diese Dokumentation zeigt die Hintergründe, benennt die Fehler, fragt die Verantwortlichen.
    Einige Monate nach dem G20-Gipfel wird klar: Die Tage im Juli werden nicht nur die Hamburger Politik noch lange beschäftigen. Denn zu vieles ist noch unklar, zu schleppend verläuft die anfangs versprochene Aufklärung, zu groß sind die Defizite in der Vor- und Nachbereitung. Politisch, aber auch finanziell sind die Hamburger Gipfeltage zum Desaster geworden. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 11.12.2017NDR

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