Die junge Frau mit den übergroßen Kopfhörern guckt verträumt durchs Fenster, neben ihr liest ein älterer Herr mit versteinerter Miene eine Tageszeitung und ein paar Sitze weiter vorn beschäftigen sich zwei Teenager versonnen lächelnd mit ihrem Handy. Die Menschen, die in der Straßenbahn 107 von Essen nach Gelsenkirchen unterwegs sind, reden nur selten miteinander, aber ihre Gesichter verraten Kummer, Lebensfreude, Enttäuschung oder Gelassenheit. Und manchmal erzählen die Fahrgäste dem Sitznachbarn auch ihre Geschichte. Da ist der Mann mit der Gitarre, der auf der Straße lebt und von einem Wiedersehen mit seinem Sohn träumt oder die Frau mit der Schalke-Tasche, die jedes Wochenende in die Arena fährt, weil die Fußball-Fans ihre Ersatzfamilie sind oder der Herr mit der verrückten Krawatte, der sein berufliches Glück in einem
Altenheim gefunden hat. Und nicht zu vergessen, der Straßenbahnfahrer, der nach dem Tod seiner Frau noch einmal ganz von vorn angefangen hat. Die Linie 107 hat Platz für all diese Menschen, bringt sie täglich zur Arbeit oder nach Hause und unterscheidet nicht zwischen Herkunft oder Hautfarbe. Viel Geld haben diese Menschen nicht, aber sie meistern ihr Leben und sie sind mutig. Sie machen den Mund auf, auch für andere. Autorin Marion Försching und Kameramann Jürgen Dahlhoff sind in der Linie 107 mitgefahren, haben Fahrgäste beobachtet und sich mit ihnen unterhalten – und manchmal haben sie die Menschen sogar ein Stück ihres Weges begleitet. Ein Film, in schwarz-weiß gedreht und gesendet, konzentriert auf das Wesentliche. Eine Straßenbahn und ihre Fahrgäste, so alltäglich und doch so besonders. (Text: WDR)