„Love & Death“: Starke Elizabeth Olsen kann True-Crime-Serie nicht vor Oberflächlichkeit retten – Review

David E. Kelley rollt schockierenden Vorstadtmordfall aus dem Jahr 1980 auf

Rezension von Christopher Diekhaus – 01.05.2023, 16:00 Uhr

Candy Montgomery (Elizabeth Olsen) hat das perfekt durchstrukturierte, aber langweilige Hausfrauendasein satt. – Bild: YouTube/Screenshot
Candy Montgomery (Elizabeth Olsen) hat das perfekt durchstrukturierte, aber langweilige Hausfrauendasein satt.

Der True-Crime-Sektor boomt – und ein Ende ist nicht in Sicht. Wie beliebt wahre Verbrechen nicht nur bei Zuschauern, sondern auch bei Film- und Fernsehproduzenten sind, zeigt sich am Beispiel der Miniserie „Love & Death“, die den, zumindest in Amerika, aufsehenerregenden Fall der texanischen Hausfrau Candace „Candy“ Lynn Montgomery in dramatisierter Form rekonstruiert. Bereits 1990 erschien mit dem TV-Film „Die Axtmörderin“ eine erste Aufarbeitung der Geschehnisse. Und noch vor dem Start von „Love & Death“ bei HBO Max am 27. April 2023 brachte Streaming-Konkurrent Disney+ eine fünfteilige Nacherzählung mit dem Titel „Candy: Tod in Texas“ heraus, in der Jessica Biel die Titelrolle innehat. An Angeboten mangelt es also nicht. Womit die neue Produktion trotz einer reißbretthaften Aufmachung punkten kann, ist eine gut aufgelegte Elizabeth Olsen, deren Fähigkeiten längst kein Geheimnis mehr sind.

Kenner des US-Indie-Marktes dürften sie schon seit ihrer vibrierenden Performance im Sektenpsychodrama „Martha Marcy May Marlene“, einem ihrer ersten Engagements überhaupt, auf dem Schirm haben. Einem weltweiten Publikum führte sie ihr ganzes darstellerisches Können spätestens in der Marvel-Verfilmung „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ vor, für die sie die Superheldin Wanda Maximoff in eine von Schmerz und Wut erfüllte Antagonistin verwandelt.

Für „Love & Death“-Schöpfer David E. Kelley („Big Sky“), einen der umtriebigsten amerikanischen Fernsehmacher der Gegenwart, schlüpft Olsen in die Rolle der adretten Hausfrau Candy Montgomery, die Ende der 1970er Jahre mit ihrem Ehemann Pat (Patrick Fugit) und ihren Kindern in Wylie lebt, einem Vorort von Dallas. Vorort? Und – siehe oben – ein grausames Verbrechen, das zum Einstieg kurz angeteasert wird? Denken muss man dabei unweigerlich an David Lynchs Klassiker „Blue Velvet“, der den Schrecken und den Dreck hinter der vermeintlich so idyllischen Suburbia-Welt freilegt. Auf den Beginn dieses surrealen Albtraums scheint denn auch der Serienvorspann mit seinen Bildern eines weißen Zauns und einer Rose zu verweisen. Wo der Film allerdings betont kräftige, unnatürlich strahlende Farben benutzt, gibt sich „Love & Death“ etwas abgewrackter. Einzelne Latten sind brüchig, der Lack blättert von ihnen ab, und die Blume fällt langsam in sich zusammen. Wenn das keine bösen Omen sind …

Auf den ersten Blick wirkt Candys Leben erfüllt und sorgenfrei. In der Methodistenkirche, einem Treff- und Anlaufpunkt des Ortes, schmettert sie als Mitglied des Chors Joy-to-the-World-Hymnen, in einem Kurs für kreatives Schreiben probiert sie sich als Dichterin aus und zu Hause hält sie alles in bester Ordnung. Schnell wird aber klar: Auch wenn Geld ausreichend vorhanden ist und die Montgomerys fest in der Gemeinschaft verankert sind, nagt es an Candy, die perfekt in die Figurenriege der Dramedy-Serie „Desperate Housewives“ passen würde. Ihr durchstrukturierter Alltag befriedigt sie nicht mehr. Irgendwie spürt sie eine Leere und sehnt sich nach einem Abenteuer, etwas Aufregendem, Verbotenem, das das Feuer in ihr wieder entfachen kann. Ehemann Pat, der als netter Schluffi dargestellt wird, hat sich hingegen eingerichtet im Trott, macht nicht den Eindruck, als würde er seine Gattin noch so wie am ersten Tag begehren, und kann einem mit seiner Lache manchmal fast auf die Nerven gehen.

Candy Montgomery (Elizabeth Olsen) möchte sich wieder begehrt fühlen. HBO Max

Ein von der Gemeinde organisiertes Volleyballspiel bringt schließlich den Stein ins Rollen, der zur am Anfang vorweggenommenen blutigen Eskalation führen wird. Candy tauscht für einen Moment intensive Blicke mit dem befreundeten Allan Gore (herrlich voluminös gescheitelt: Jesse Plemons) aus und ist sich hinterher sicher, dass er förmlich nach Sex gerochen habe. Ihre schnell offenherzig vorgebrachten Avancen weist er zunächst etwas verunsichert zurück. Ein Pochen auf der Tonspur lässt jedoch erahnen: Auch in ihm arbeitet und brodelt es. Immerhin läuft es mit seiner schwangeren Ehefrau Betty (Lily Rabe) gerade nicht besonders gut. Die Hormone, der Druck wegen des Babys, so meint er, sorge dafür, dass sie ständig gereizt sei, alles und jeden kritisiere. Die recht einseitige Zeichnung Bettys als Nervenbündel schwächt die Serie in der zweiten Folge etwas ab, bemüht sich, ihre Verunsicherung ein bisschen genauer in den Blick zu nehmen. Hat Allan einmal beschlossen, die Offerte anzunehmen, stecken er und Candy die Rahmenbedingungen für ihre Affäre ab. Am wichtigsten: Ihre Partner sollen nicht verletzt werden. Gefühle bleiben außen vor. Wer’s glaubt, wird selig!

Freude bereitet es vor allem, Elizabeth Olsen beim Ausloten von Candys Innenleben zuzusehen. Kleine mimische Veränderungen, ein erstarrtes Lächeln etwa, offenbaren vor dem Beginn der Liaison die Frustration der engagierten Hausfrau. Mit Einsatz der geheimen Motel-Treffen, die immer stets ein bisschen lustvoller werden, kehrt in ihr Gesicht, in ihre Augen ein Strahlen zurück. Einen guten Job macht auch Olsens Kollege Jesse Plemons, der gekonnt zwischen Verlegenheit und Verlangen changiert. Mit der nötigen Intensität vermittelt er Allans Gewissensbisse, seine Sorge, sich von Betty zu entfernen, worauf Candy im Verlauf der zweiten Folge ungehalten reagiert. Olsen bringt die pathologische Seite ihrer Figur wirkungsvoll zum Vorschein. Ein wenig plötzlich bricht sie allerdings schon hervor.

Betty Gore (Lily Rabe) spürt, dass sich Allan anders verhält. HBO Max

David E. Kelley und Regisseurin Lesli Linka Glatter („Homeland“) versuchen, den beiden Auftaktkapiteln Schwung zu geben, bauen mehrere pointierte Alltagsmontagen ein und nutzen poppige Musikstücke. Einen echten Drive entwickelt „Love & Death“ aber nicht, da die Handlung wiederholt auf der Stelle tritt. So amüsant es sein mag, dass Candy und Allan mit einer quasi bürokratischen Haltung an ihr Sexabenteuer herangehen – einen Tick zu häufig schauen und hören wir ihnen dabei zu, wie sie sich ihrer Abmachungen versichern. Etwas mehr Zeit hätte man stattdessen für die Interaktion mit anderen Personen aufbringen können. Rund um die Ehebrecher fühlt sich nämlich einiges unterentwickelt an. Nur ein Beispiel: Dass die Protagonistin und Betty beste Freundinnen sein sollen, ist eine Behauptung, die von der Serie nur dürftig unterfüttert wird. Was zudem irritiert: Stellenweise hat es den Anschein, als wolle Kelley eine Vorstadtsatire erzählen. Natürlich kann man das so machen. Dann sollte man aber auch konsequent bissig sein. „Love & Death“ schlingert, zumindest im ersten Drittel, etwas planlos zwischen Situationskomik, Drama und Spannung hin und her.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Folgen der Miniserie „Love & Death“.

Meine Wertung: 3/​5

Die Miniserie „Love & Death“ wird aktuell beim US-Streaming-Dienst HBO Max veröffentlicht. Für Deutschland steht noch kein Erscheinungstermin fest.

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