„Echoes“: Doppelte Michelle Monaghan kann mäßigen Thriller nicht retten – Review

Verwirrspiel um eineiige Zwillingsschwestern mit abgründigen Geheimnissen

Rezension von Christopher Diekhaus – 21.08.2022, 10:00 Uhr

Lenis und Ginas Vater Victor (Michael O’Neill, l.) und Lenis Ehemann Jack (Matt Bomer, r.) wissen nicht, welche Zwillingsschwester (Michelle Monaghan) zwischen ihnen steht. – Bild: Netflix
Lenis und Ginas Vater Victor (Michael O’Neill, l.) und Lenis Ehemann Jack (Matt Bomer, r.) wissen nicht, welche Zwillingsschwester (Michelle Monaghan) zwischen ihnen steht.

Sie wachsen gemeinsam im Bauch der Mutter heran, spüren von Anfang an, dass sie nicht allein sind, und durchlaufen nach der Geburt alle Entwicklungsschritte in einem zeitlich enger gefassten Rahmen, als es bei anderen Geschwistern üblich ist: Gerade eineiige Zwillinge haben eine ganz besondere, auch gedankliche, Verbindung, die Außenstehenden manchmal fast schon unheimlich vorkommen kann. Dies und die Tatsache, dass sie sich fast bis aufs Haar gleichen, nutzen Drehbuchautoren und Filmemacher immer wieder, um von brüchigen Identitäten, Abhängigkeit und Neid zu erzählen. Das im Thriller- und Horrorbereich regelmäßig anzutreffende Zwillingsmotiv dient auch der Netflix-Miniserie „Echoes“ als Aufhänger und wird mit einem zwar nicht neuen, aber doch saftigen Twist verbunden. Nach Sichtung der ersten beiden Folgen muss man allerdings festhalten: Handlung und Inszenierung driften zu oft ins Stereotype und Banale ab.

Vorausschicken wollen wir eine Warnung: Wer sich von der ersten großen Enthüllung am Ende der Einstiegsepisode überraschen lassen will, sollte erst im Anschluss weiterlesen. Will man über „Echoes“ etwas Fundiertes schreiben und nicht nur mit nebulösen Andeutungen um sich werfen, kommt man nicht umhin, die besagte Wendung preiszugeben. Interessanterweise lichtet Netflix selbst in der offiziellen Inhaltsangabe den Schleier. Von einem verwerflichen Spoiler kann also nicht die Rede sein.

Dreh- und Angelpunkt der Story, die sich Vanessa Gazy („Eden“) ausgedacht hat, ist das eineiige Zwillingspaar Leni und Gina, das von „Messiah“-Hauptdarstellerin Michelle Monaghan verkörpert wird. Die Schwestern, so erfahren wir, haben sich – ein gerne genommener Drehbuchkniff – seit ihrer Kindheit einen Spaß daraus gemacht, die Rollen zu tauschen und ihr Umfeld in die Irre zu führen. Auch im Erwachsenenalter halten sie an ihrer Tradition fest. Jedes Jahr an ihrem Geburtstag treffen sie sich irgendwo auf der Welt und leiten in einem fast rituell wirkenden Moment den nächsten Wechsel ein. Dass sie mitunter das Leben der jeweils anderen übernehmen, fällt offenbar keinem der ihnen nahestehenden Menschen auf.

Gina alias Leni (Michelle Monaghan) tappt nach dem Verschwinden ihrer Schwester zunächst im Dunkeln. Netflix

Präsentiert werden die Protagonistinnen als recht unterschiedliche Persönlichkeiten. Während Leni in ihrem Heimatort in Virginia geblieben ist, dort zusammen mit ihrem Gatten Jack (Matt Bomer) einen Pferdehof leitet, täglich harter körperlicher Arbeit nachgeht und sich um ihre Tochter Mattie (Gable Swanlund) kümmert, lebt die erfolgreiche Autorin Gina mit Ehemann Charlie (Daniel Sunjata) ein exklusives Leben in den Hollywood Hills, das so gar nicht zu ihrer bodenständigen Herkunft passt. Zunächst sind die Rollen klar verteilt. Weiß man allerdings einmal um das Geheimnis der Zwillinge, bekommt die Miniserie einen verlockenden Dreh, da schließlich beide Frauen häufig eine Maskerade aufsetzen.

Eben dieser Punkt ist auch für den ersten Spannungsakzent wichtig, den „Echoes“-Schöpferin Gazy bereits in den Anfangsminuten etabliert. Schnell zeichnet sich nämlich ab, dass Leni spurlos verschwunden ist. Von Panik erfasst, kehrt Gina daher dorthin zurück, wo sie aufwuchs, wo so manches Trauma lauert und viele alte Wunden noch lange nicht verheilt sind. Was die Sache reizvoll macht: In Wahrheit ist es nicht Leni, die vermisst wird, sondern Gina, die in diesem Jahr den Part ihrer Schwester innehat. Kapitel zwei hebt das Verwirrspiel auf die nächste Stufe, fühlt sich dabei aber mitunter etwas zu konstruiert und zurechtgebogen an.

Sheriff Louise Floss (Karen Robinson, r.) traut Gina alias Leni (Michelle Monaghan) nicht recht über den Weg. Netflix

Die Grundidee und das Mysterium um Ginas Verschwinden, das Leni aufzudecken versucht, wecken zweifellos Interesse. Einen Sog entfaltet die insgesamt sieben Teile umfassende Netflix-Produktion in den ersten beiden Episoden allerdings nicht, da sich zahlreiche Klischees im Drehbuch tummeln und formal keine kreativen Einfälle zu verbuchen sind.

Platte Expositionsdialoge liefern auf denkbar bequemste Weise Informationen über die an Tragödien und finsteren Ereignissen reiche Familiengeschichte der Zwillingsschwestern. Die ermittelnde, schnell misstrauische Polizistin Louise Floss (Karen Robinson) soll in Columbos Ich-habe-da-noch-eine-Frage-Manier krampfhaft für schräge Töne sorgen. Fortlaufend eingestreute Rückblenden sind ohne großes Gespür für unheimliche Stimmungen inszeniert. Und überhaupt sieht „Echoes“ für eine Thriller-Serie etwas zu gelackt aus. Nicht selten wähnt man sich in einem dieser oberflächlichen, plump gestrickten Spannungswerke des US-Kabelsenders Lifetime.

Dass die Miniserie häufig wie ein Psychokrimi mit Rosamunde-Pilcher-Touch daherkommt, liegt auch und vor allem an einem unbeholfen verwendeten Stilmittel. Wie wir schon in Folge eins sehen und hören, führen Leni und Gina ein gemeinsames digitales Tagebuch, das den Zwillingen zum Erfahrungsaustausch dient. Immer und immer wieder lauschen wir den dort platzierten Einträgen, die sich tiefgründig geben, letztlich aber nur so vor Pathos triefen. Derartige über das Geschehen gelegte Kommentare sind stets mit Vorsicht zu genießen. Inflationär verwendet und als billiger Taschenspielertrick missbraucht, um das Seelenleben einer Figur im großen Stil zu entblättern, gehen sie einem nämlich schnell auf die Nerven.

Leidtun kann einem in jedem Fall Michelle Monaghan, die ihre Doppelrolle mit Leben zu füllen bemüht ist, zum Beispiel durch einen in der Originalversion bemerkbaren Wechsel im Akzent. Oftmals wird der Darstellerin aber nur zugestanden, ein wahlweise erschrockenes oder entgeistertes Gesicht zu machen – womit sie sträflich unterfordert ist.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei von insgesamt sieben Folgen der Miniserie „Echoes“.

Meine Wertung: 2,5/​5

Die Miniserie „Echoes“ ist seit dem 19. August auf Netflix verfügbar.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Oh, dit is ja fast eine total vernichtende Kritik!
    • am

      ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Schauspielerin unterfordert wäre. Ich glaube eher, mehr geht bei ihr einfach nicht ... Kein Regisseur würde eine Schauspielerin daran hindern, gut zu spielen ;-))
      • (geb. 1966) am

        Das stimmt so nicht ganz. Zum einen haben manche Regisseure dermaßen
        konkrete Vorstellungen vom Spiel ihrer Darsteller, dass sie sie
        erdrücken, sich nicht entfalten lassen und damit das Spiel behindern.
        Gute Regisseure tun das Gegenteil und lassen die Schauspieler zeigen was
        sie können.
        Ein zweiter Aspekt ist das Drehbuch. Schlechte Geschichten und schlechte
        Bücher hindern durchaus an gutem Spiel. Wenn eine Rolle eben nur zwei
        Emotionen hergibt, kann auch die Darstellerin nur zwei spielen.

        Michelle Monaghan gehört meiner Meinung nach zwar nicht zur ersten Riege der Schauspielkünstler, an überragende Rollen kann ich mich nicht erinnern, aber ich mag sie. Sie ist sympathisch, hübsch anzusehen und wirkt oft sehr natürlich und nahbar.  

        In 'Kiss Kiss, Bang Bang' fand ich sie gut. In 'Eagle Eye' und 'Gone Baby Gone' auch. In den Mission Impossible Filmen war sie immer nur Beiwerk.

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