Pumuckl-Comeback, „Wetten, dass..?“-Abschied, Sparkurs und Ende der Retrowelle: Das deutsche Fernsehjahr 2023 im Rückblick

Trends, Ereignisse, Aufreger, Jubiläen und Abschiede des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2023, 09:00 Uhr

Sat.1: Senderchef Daniel Rosemann ist raus und das „Volle Haus“ steht jetzt leer

Bis 2023 Senderchef von ProSieben und Sat.1: Daniel Rosemann ProSiebenSat.1 TV Deutschland/​Bene Müller

Zum 40. Geburtstag möchte ich, dass ein neues Sat.1 mit alter Stärke strahlt, sagte Daniel Rosemann im Mai 2021, als er die Verantwortung für den strauchelnden Bällchensender übernahm und ihn anschließend parallel zu ProSieben leitete. Dieses kühne Ziel wird zum Stichtag am 1. Januar 2024 nicht mehr erreicht werden können – und Rosemann dies auch auch nicht mehr als Senderchef beurteilen. Zum Jahresende verlässt er die ProSiebenSat.1 Media SE und gibt seine beiden Chefposten ab. Hannes Hiller, bisheriger SVP Content Development ProSieben & Sat.1, wurde zum neuen ProSieben-Senderchef ernannt, während Marc Rasmus, bisher Kabel-Eins-Senderchef, zum Senderchef von Sat.1 aufrückte.

Über mehrere Jahre hinweg hat sich Daniel Rosemann vergeblich am Problemkind Sat.1 die Zähne ausgebissen und musste unzählige Flops auf seinem Konto verbuchen. Sein letztes Prestige-Projekt war die Nachmittagssendung „Volles Haus! Sat.1 Live“, die Ende Februar an den Start ging. Mit der sogenannten „Alles-in-einer-Show“ wollte er nicht weniger als eine „Programm-Revolution am Nachmittag“ starten, doch die dreistündige Live-Show entpuppte sich als Totalausfall, der den Tagesmarktanteil des Senders noch mehr in die Tiefe riss, als es schon zuvor der Fall war.

Das „Volles Haus!“-Moderationsteam Sat.1/​Willi Weber

Nach zehn Wochen wurde schließlich die Sendezeit auf zwei Stunden gekürzt, wenig später wurde die Produktionsfirma ausgetauscht, doch auch diese Rettungsversuche scheiterten kläglich. Die Sendung dümpelte bei Reichweiten von teilweise unter 200.000 Gesamtzuschauern und Marktanteilen um die zwei Prozent in der jungen Zielgruppe herum. Solche Zahlen hätten früher sämtliche Alarmglocken schrillen lassen und eine Absetzung nach wenigen Tagen nach sich gezogen. Letztendlich hielt Sat.1 noch bis zum 13. Oktober durch, bevor nach 159 Folgen der endgültige Schlussstrich gezogen wurde. Seitdem sollen es Doku-Soaps am Nachmittag richten.

Wenige Wochen, nachdem Rosemanns Aus als Senderchef bekannt wurde, folgte die Absetzung seines zweiten Herzensprojektes: Das ProSieben-Magazin „Zervakis & Opdenhövel. Live.“ wurde zum Ende des Jahres ebenfalls eingestellt. Mit dem wöchentlichen Journal am Mittwochabend wollte ProSieben einen Schritt hin zu Seriosität und Relevanz in der Programmvielfalt machen. Der erhoffte Quotenerfolg für das im September 2021 gestartete Format blieb allerdings von Anfang an aus.

„Zervakis & Opdenhövel. Live.“ wird eingestellt ProSieben/​Benedikt Müller

Dennoch hielt der Sender mehr als zwei Jahre lang daran fest, wenngleich die Sendezeit schon vor Monaten von ursprünglich 120 Minuten auf zunächst 75 und dann nur noch auf 45 Minuten eingedampft wurde und man sich auch rasch vom Studiopublikum trennte. Trotz dieser Maßnahmen dümpelte das Format weiterhin am Mittwochabend unter Senderschnitt vor sich hin. Das ist eine sehr schmerzhafte Entscheidung, #ZOL 2024 nicht weiterzumachen, teilte Rosemanns Nachfolger Hannes Hiller als neuer ProSieben-Chef mit. Die Zusammenarbeit mit den beiden Moderatoren Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel wolle man fortsetzen.

Strauchelndes Unternehmen ProSiebenSat.1 Media SE

Der Abgang von Daniel Rosemann ist nicht der einzige Abschied bei der ProSiebenSat.1 Media SE, die sich in einer allgemeinen Umbruchphase befindet. Innerhalb weniger Monate haben das Unternehmen auch Thomas Wagner, Geschäftsführer des ProSiebenSat.1-Vermarkters SevenOne Media, sowie Pressesprecherin Diana Schardt, Executive Producerin Daisy Rosemeyer-Elbers und Unterhaltungschefin Natalie Zizler verlassen. Schließlich wurde auch noch das Spitzenpersonal beim Streamingdienst Joyn ausgetauscht: CEO Tassilo Raesig und CFO und COO René Sahm kehrten dem Unternehmen „aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung der Plattform in beiderseitigem Einvernehmen“ den Rücken. Zum 1. November wurde Katharina Frömsdorf neue CEO von Joyn.

Bert Habets, CEO der ProSiebenSat.1 Media SE Seven.One/​Benedikt Müller

Ende Juni betonte Bert Habets, seit November 2022 Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media SE, dass das Entertainment-Geschäft der Motor des Erfolgs von ProSiebenSat.1 sei und man deshalb dieses Segment noch stärker als zuvor in den Mittelpunkt stellen wolle – allen voran soll aufgrund der sinkenden Reichweiten im linearen Fernsehen das Streamingportal Joyn deutlich gepusht werden. Joyn soll der zentrale Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten sein und zum „Super-Streamer in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ ausgebaut werden. Wir haben einen klaren Plan mit Fokus auf unser Entertainment-Angebot und vor allem auf Joyn. So wollen wir als Konzern die Nummer Eins im deutschsprachigen Entertainmentmarkt werden, sagte Habets im Juli.

Joyn

Mittels mehr Interaktivität soll das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden mit dem Ziel, die Nutzer stärker an Joyn als Plattform zu binden. Diese Strategie wurde kurz vor Weihnachten mit der Bekanntgabe einer weiteren Entscheidung unterstrichen: Es wird keine umfangreichen, langfristigen Output-Deals mit Hollywood-Studios mehr geben. Im Zuge dessen wird der Anteil von US-Lizenzinhalten in der Sendergruppe weiter verringert.

Die Umorganisation und der Strategiewechsel gehen jedoch auch einher mit einem erheblichen Stellenabbau: Dieser soll durch ein Freiwilligen-Programm sozialverträglich erfolgen, um betriebsbedingte Kündigungen weitestgehend zu vermeiden. Insgesamt werden rund 400 Vollzeitstellen gestrichen – jeder zehnte Arbeitsplatz. In einer sich konstant verändernden Medienindustrie ist es nur konsequent, dass wir unsere Strategie neu ausgerichtet haben und dafür auch unsere eigene Aufstellung immer wieder hinterfragen. Zudem müssen wir das vierte Jahr in Folge in einem extrem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld agieren. Es ist daher unumgänglich, dass wir unsere Sach- und Personalkosten deutlich senken, so Habets.

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