Collien Ulmen-Fernandes über VIVA: „Wir sind ohne inhaltliches Briefing in stundenlange Live-Sendungen gegangen!“

Interview über Erfolgsrezept, Schattenseiten und Niedergang des Musiksenders

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 30.11.2023, 14:30 Uhr

Collien Ulmen-Fernandes im alten VIVA-Studio – Bild: Instagram/Collien Ulmen-Fernandes
Collien Ulmen-Fernandes im alten VIVA-Studio

Am 1. Dezember 2023 hätte VIVA seinen 30. Geburtstag gefeiert. Mit dem legendären Musiksender verbinden bis heute viele Menschen schöne Erinnerungen und nostalgische Gefühle. Pünktlich zum Jahrestag wird eine dreiteilige Dokumentation veröffentlicht, die in der ARD Mediathek ab sofort abrufbar und ab dem 1. Dezember auch bei ardkultur.de zu finden ist. In „Die VIVA Story – zu geil für diese Welt!“ wird der Aufstieg, Triumph und Fall des Senders ergründet, der wie kein anderer das Lebensgefühl einer ganzen Generation prägte und zum Sprungbrett für zahlreiche Stars wurde.

Eine von ihnen ist Collien Ulmen-Fernandes, die nach ihrer Moderation von „Bravo TV“ zu VIVA wechselte und dort von 2003 bis 2015 eines der prägendsten Sendergesichter war. Sie ist eine der Wenigen, die sowohl die letzten „goldenen VIVA-Jahre“ mit Sendersitz in Köln als auch die Zeit nach der berüchtigten Übernahme durch Viacom und dem Umzug nach Berlin im Jahr 2005 kennt. Anlässlich des Jubiläums sprach fernsehserien.de-Redakteur Glenn Riedmeier mit Collien Ulmen-Fernandes über ihre Zeit bei VIVA. Was hat den Sender so besonders gemacht? Gab es Erfolgsdruck und Schattenseiten? Was spielte sich hinter den Kulissen ab? Und was waren die Gründe für Niedergang von VIVA? All das und viel mehr verrät die Moderatorin und Schauspielerin im ausführlichen Interview.

fernsehserien.de: Liebe Collien, du hast VIVA als Moderatorin über zwölf Jahre lang mitgeprägt, so lang wie niemand anders. Welche Gefühle löst das runde Jubiläum in dir aus?

Collien Ulmen-Fernandes: Erst vor wenigen Tagen wurde ich von totaler Nostalgie übermannt, weil ich noch einmal in meinem früheren VIVA-Studio und den alten Räumlichkeiten war. Dort hat sich mittlerweile Deluxe Music niedergelassen. Anlässlich des VIVA-Jubiläums habe ich zusammen mit Markus Kavka eine Sendung moderiert, die bald bei Deluxe Music zu sehen ist. Die ARD hat das Ganze crosspromo-mäßig begleitet und ich muss wirklich sagen: Dieser Arbeitstag war so eine extreme Zeitreise, denn Deluxe Music hat ganz viele unserer alten Leute von VIVA übernommen. Die Christina, die damals schon meine Kostüme gebügelt hat, hat mir wieder meinen Blazer gebügelt. Ich wurde geschminkt, ging ins Studio und besprach mit Tobi, mit dem ich früher die Moderationen aufgezeichnet habe, wieder meine Moderationen. Er saß wieder hinter der Kamera und sagte: 3, 2, 1 – und bitte! Wie damals! Der Tag hat mich in ein total emotionales High versetzt, weil ich gemerkt habe, mit was für schönen Gefühlen ich an diese Zeit zurückdenke. Ich bin danach richtig beseelt nach Hause gegangen!

Collien Ulmen-Fernandes mit ihrem Kollegen Markus Kavka MDR/​Florida Factual/​Tom Ballschmieter/​Timo Semmler

War dieser Tag für dich also mehr ein Geschenk als Arbeit?

Collien Ulmen-Fernandes: Absolut! Es gibt ja in allen Fernsehstudios eine Uhr. Manche Produktionen sind anstrengend und ziehen sich. Da guckt man immer wieder auf diese Uhr und wünscht sich, dass die Zeit schneller vergeht. An diesem Tag bei Deluxe Music habe ich gemerkt, dass ich bei VIVA immer mit einem wohligen Gefühl auf die Studiouhr geschaut habe.

Das klingt echt toll. Wann wird diese Sendung bei Deluxe Music denn zu sehen sein?

Collien Ulmen-Fernandes: Schon sehr bald. Die Erstausstrahlung von „Deluxe 2000 by Collien“ ist am 7. Dezember von 19 bis 21 Uhr. An den darauffolgenden Tagen wird sie dann noch mehrfach wiederholt. In dieser Spezialsendung sprechen Markus und ich nochmal in aller Ausführlichkeit über unsere Zeit bei VIVA und MTV und darüber, was das Musikfernsehen uns bedeutet.

Davor erscheint zum Stichtag am 1. Dezember die ARD-Kultur-Dokumentation „Die VIVA Story“, auf die schon viele sehr gespannt sind. Für diese Doku hast du dich unter anderem nach langer Zeit wieder mit deiner früheren Kollegin Gülcan Kamps getroffen. Was war das für ein Gefühl?

Collien Ulmen-Fernandes: Das war mein allererster Drehtag für die Dokumentation und das Interview mit Gülcan meine erste Amtshandlung. Wir haben uns seit zehn Jahren nicht gesehen und dann saßen wir auf einmal wieder zusammen in der Maske. Am Anfang war es ein bisschen merkwürdig. Wir haben etwas miteinander gefremdelt und wussten nicht so recht, wie wir miteinander umgehen sollen. Aber dann wurde es auf einmal super-emotional und es sind auch Tränen geflossen. Bei der Verabschiedung hat sie mich dann sogar wieder bei meinem Spitznamen von früher gerufen!

Jetzt bin ich natürlich neugierig: Wie lautet der Spitzname?

Collien Ulmen-Fernandes: Gülcan hat mich immer „Cookie“ genannt – das ist aber nicht grundsätzlich mein Spitzname. Nicht dass noch andere Leute auf die Idee kommen, mich so zu nennen. Das ist nur ihr Spitzname für mich [lacht]! Und dann kam es noch zu einer absurden Situation: Im November hatte ich die letzte Moderationsaufzeichnung für die Doku. Danach steige ich in den Flieger – und ich denke mir so: Krass, die Frau vor mir sieht aus wie Gülcan. Dann dreht sie sich um – und es war tatsächlich Gülcan! Zehn Jahre nicht gesehen und dann durch Zufall kurz nach den Dreharbeiten zum zweiten Mal!

Wiedersehen nach zehn Jahren: Collien Ulmen-Fernandes und Gülcan Kamps Instagram/​Gülcan Kamps

War vor der Produktion der Doku für dich die Zeit bei VIVA schon sehr weit weg oder hast du immer wieder daran zurückgedacht?

Collien Ulmen-Fernandes: Das war sehr weit weg. Ich habe gar nicht mehr daran zurückgedacht, weil ich ja mittlerweile in ganz anderen Gefilden unterwegs bin. In den letzten Jahren habe ich viele Dokumentationen gedreht, mich in Studien eingelesen und mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesprochen. Das ist alles maximal weit weg vom VIVA-Kosmos [lacht]! Umso schöner und emotionaler war es, noch einmal in diese Zeit von früher einzutauchen.

Wie war denn das Verhältnis unter euch Moderatorinnen und Moderatoren? Sind Freundschaften entstanden und habt ihr euch auch privat getroffen?

Als wir ganz frisch nach Köln gezogen sind, schon. Gülcan, Sarah Kuttner und ich waren alle neu in der Stadt. Damals gab es zwei, drei Treffen, bei denen wir zusammen gekocht haben. Später war das einfach aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich. Es gab eine Zeit, in der Gülcan und ich gute Ergebnisse in der Zuschauerbeliebtheit erzielt haben. Dadurch wurden wir extrem zugeballert mit Sendungen und hatten montags bis freitags von morgens bis abends durchweg Aufzeichnungen und am Wochenende zusätzlich noch Außendrehs. Das war ein wahnsinniges Arbeitspensum, so dass keine Zeit mehr für Privates blieb.

Auf der nächsten Seite erläutert Collien Ulmen-Fernandes, was VIVA-Moderatorinnen und -Moderatoren so besonders gemacht hat – und welche Schattenseiten es gab, die zum stetigen Niedergang des Senders geführt haben.

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