Dokumentation in 3 Teilen, Folge 1–3

  • Folge 1
    Der Erste Weltkrieg ist der Vater (fast) aller Dinge in der neuen, der Weimarer Republik. Die ersten Jahre der Weimarer Republik sind turbulent und voller Ungewissheit, großer Not und allgegenwärtiger Gewalt. Aber es gibt auch echten Aufbruch aus den verkrusteten Strukturen des Kaiserreiches. Und doch zeigt sich in vielen Bereichen erster Fortschritt – in der Medizin, der Industrie, beim Film. Vor allem der Versailler Vertrag hemmt einen möglichen Aufschwung. Unvorstellbare Reparationszahlungen, drastische Einschränkungen im Luftverkehr und bei der Armee, dazu Gebietsabtretungen führen in großen Teilen der Bevölkerung zu tief empfundener Abneigung gegen diesen Vertrag und die alliierten Sieger.
    Ein schweres Erbe für die junge Demokratie und Wasser auf den Mühlen der Rechtsradikalen. Die frühen zwanziger Jahre sind geprägt durch politisch motivierte Gewalt von links wie von rechts. Gleichzeitig versuchen die Menschen, sich abzulenken. Die Jugend organisiert sich in Turn- oder Wanderbewegungen. „Wandervögel“ erkunden die Heimat, wollen ein gesundes, naturverbundenes Leben führen. Auch neue Lebensformen wie die Nacktkörperkultur finden in diesem Umfeld Zustimmung.
    Daneben entstehen Anti-Modernitätsbewegungen, hervorgerufen durch selbst ernannte Propheten und Führer, die in der orientierungslosen Bevölkerung dankbare Anhänger finden. 1923 wird zum Symboljahr für das Chaos der frühen Zwanziger schlechthin: Frankreich will die regelmäßige Zahlung der Reparationsforderungen erzwingen und besetzt das Ruhrgebiet. Der folgende Generalstreik im industriellen Herzen des Reiches treibt die schon seit Kriegsende rasant wachsende Inflation auf nie wieder erreichte Höhen, die letzte Sicherheiten mit sich fortreißt. Viele Deutsche werden dabei in wenigen Wochen bitterarm, einige wenige Inflationsgewinnler außerordentlich reich.
    Dazu droht dem Deutschen Reich die Abspaltung ganzer Landesteile wie etwa im Rheinland und in der Pfalz; in Thüringen und Sachsen werden linke Regierungen gewählt. Im Herbst 1923 steht die erst vier Jahre alte Republik mit ihren großen Problemen vor dem Abgrund. Der Film „Aufbruch im Chaos“ ist der erste Teil einer dreiteiligen Reihe über die Zwanziger Jahre, eine Koproduktion von MDR und WDR. Die Dokumentationen tauchen ein in eine Zeit voller extremer Gegensätze: Hunger, Elend und existenzielle Not breiter Massen neben enormem Reichtum und dekadent zur Schau gestelltem, ausschweifendem Luxus.
    Es erinnern sich Zeitzeugen, die, hoch betagt, ihre Erinnerung an die Zwanziger erzählen und ihre privaten Fotoalben öffnen. Und es wurden Archive durchforstet, um neue Bilddokumente dieser Zeit zu finden. So entstand eine dreiteilige Dokumentationsreihe, die nicht vordringlich eine politische Chronik bietet, sondern ein Gespür für diese Zeit und die von den Menschen miterlebten wichtigsten Strömungen, Stimmungen, Ereignisse und Entwicklungen dieser aufregenden wie aufgeregten Jahre vermitteln will. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 10.10.2005Das Erste
  • Folge 2
    m Krisenjahr 1923 ist jedes zweite Kind im Deutschen Reich unterernährt. Insbesondere im französisch besetzen Ruhrgebiet ist das Elend groß. Die Franzosen transportieren Kohle ab, Zechen liegen still, die Bevölkerung kann nicht heizen. Das Ausland hilft, Kinder werden verschickt, um sie vor dem Hungertod zu bewahren. Die Menschen sind verzweifelt und die Selbstmordraten steigen. Das Weihnachtsfest 1923 bringt einen kleinen Hoffnungsschimmer: Der Regierung ist es gelungen, die Inflation in den Griff zu bekommen, man spricht vom Wunder von Weimar.
    Die Rentenmark gibt den Menschen wieder Zuversicht. Das Leid der Anfangszeit, die Folgen des Krieges, die Unruhen, das unübersehbare Chaos scheinen überstanden. Die Leuteatmen auf und wollen endlich wieder leben – Luft schöpfen, nach vorne blicken und sich auch mal wieder amüsieren gehen. Das Zauberwort dieser goldenen Jahre heißt „neu“. Lebensfreude und Lebensgier rütteln am Korsett alter Werte, das Kaiserreich wirft buchstäblich seine Kleider ab.
    Der Außenminister der Republik wird Namensgeber eines schicken Anzugs, des „Stresemanns“, und die Frauen zeigen erstmals Bein, zumindest die untere Hälfte. Damenwaden, kurze Kleider und Bubikopf – die knabenhafte Erscheinung der „Neuen Frau“ wird alltäglich und bleibt zugleich umstritten. Viele der Zeitzeugen erinnern sich an die ungeheure Aufregung, die es gab, wenn Eine den Bubikopf tragen und die langen Zöpfe abschneiden wollte. Eine Symbolhandlung – das veränderte Auftreten junger Frauen im Deutschland der Zwanziger Jahre macht den ungeheuren Modernisierungsschub dieser Zeit augenfällig.
    Dennoch bleibt die „Neue Frau“ vor allem ein Mode- und Medienphänomen. Die abfällig „Tippmamsells“ genannten kleinen Angestellten füllen die riesigen Kinopaläste, die Mitte der Zwanziger die kleinen Eckkinos ablösen, und träumen von ihrem gesellschaftlichen Aufstieg – von Filmen, in denen der Chef die Sekretärin heiratet. In der Weimarer Zeit sind zwar kaum mehr Frauen berufstätig als vorher, aber sie haben den bisher ihnen zugedachten häuslichen Bereich verlassen und werden nun Sekretärinnen statt Dienstmädchen – ein Beruf, der bis dato als Sekretär Männern vorbehalten war. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 17.10.2005Das Erste
  • Folge 3
    Deutschland in den zwanziger Jahren ist eine schillernde Erfolgsgeschichte, die scheitert. Ein Aufbruch in die Katastrophe. Der dritte Teil der Dokumentationsreihe im Ersten zeichnet den Weg vom Erfolg in den Untergang nach. Amerikanische Kredite hatten es der deutschen Wirtschaft ermöglicht, sich schon Mitte der zwanziger Jahre von den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges zu erholen. Durch Firmenzusammenschlüsse können sich nun auch deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt behaupten. Es entstehen die IG Farben und die Vereinigten Stahlwerke.
    Mercedes wird ein Großkonzern, Quelle startet sein Versand-Geschäft, AEG und Siemens treiben die Elektrifizierung der privaten Haushalte voran. Die Moderne hält Einzug in Küche und Wohnzimmer. Das Bauhaus in Dessau wird zum Inbegriff fortschrittlicher Architektur: funktional, sachlich, schnörkellos. In den Naturwissenschaften geht jeder dritte Nobelpreis an deutsche Forscher. Autos, Flugzeuge, U-Bahnen und Zeppeline bestimmen das Tempo der Zeit. Sportliche Erfolge und Rekorde auf allen Gebieten stärken das gebrochene Nationalgefühl.
    Schneller, höher, weiter: Deutschland ist wieder wer! Die Kehrseite: Arbeitslose, die in trostlosen Mietskasernenhausen, und eine zunehmende Radikalisierung der Politik aufgrund der sozialen Spannungen. Eine verunsicherte Mittelschicht, vom Fortschritt überrannt. Und die Großindustrie, die aus Angst vor einer sozialen Revolte den Aufstieg der Nationalsozialisten mitfinanziert. Die Weltwirtschaftskrise 1929 bringt die schillernde Seifenblase zum Platzen, die Abhängigkeit von der amerikanischen Wirtschaft erweist sich als verhängnisvoll.
    Fünf Millionen Arbeitslose und bürgerkriegsähnliche Zustände auf den Straßen lassen den Wunsch nach Ruhe und Ordnung wachsen. Ein fruchtbarer Nährboden für Adolf Hitler, der verspricht, die „Schmach von Versailles“ und die drückenden Reparationszahlungen zu beseitigen. Geschickt nutzen die Rechtsextremen die modernen Errungenschaften der Zeit für ihre Zwecke. Die Erfindung des Lautsprechers ermöglicht propagandistische Massenveranstaltungen, Adolf Hitler erscheint zu seinen Wahlkämpfen mit einem Flugzeug als Erlöser vom Himmel.
    Am Ende der ungeliebten Republik sehen viele in ihm den Retter der Arbeitslosen. Die bürgerlichen Parteien dulden seinen Aufstieg oder haben ihm nichts entgegenzusetzen, die Linken bekämpfen sich untereinander. Fortschritt und Moderne gehen damals an den Bedürfnissen der meisten Menschen vorbei, so dass sie die Vorteile der Demokratie nicht erkennen. „Deutschland war zu arm, um sich Gold an die Fahne zu heften“, sagt einer der Zeitzeugen. Aus dem Freudenhaus wird ein Totenhaus. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 19.10.2005Das Erste

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