Nach Sexismus-Vorwürfen: „M.O.M – Milf oder Missy?“-Werbekampagne gestoppt

Plakate verschwinden, Titel wird geändert, Sendung wird neu vertont

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 05.06.2020, 13:29 Uhr

„M.O.M – Milf oder Missy?“ – Bild: Joyn
„M.O.M – Milf oder Missy?“

Der deutsche Streamingdienst Joyn geriet in den vergangenen Wochen in die Kritik. Grund ist eine extrem fragwürdige Werbekampagne, die für „M.O.M – Milf oder Missy?“, die erste nonfiktionale Eigenproduktion des Anbieters, gestartet wurde. Auf den Plakaten zur Sendung, die in den letzten Wochen in deutschen Innenstädten hingen, wurden die Kandidatinnen abgebildet und mit Sprüchen wie „Was Altes? Was Junges? Was Neues!“ oder „Freitags ist MILF Time.“ versehen (fernsehserien.de berichtete). Auf Twitter erntete Joyn dafür einen heftigen Shitstorm. Sexismus, Objektifizierung und Herabwürdigung von Frauen lauteten die Vorwürfe. Auch in der Politik wurde die Empörung immer lauter. Nun hat der Streamingdienst reagiert: Die Plakate werden abgehängt, die Sendung wird neu vertont – und auch der Titel der Sendung wird geändert.

Nachdem zunächst Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden öffentlich ihre Wut über die Sendung kundtat, meldete sich nun auch Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner zu Wort und warf dem Anbieter vor, mit der Werbekampagne die Menschenwürde zu verletzen. Für mich steht außer Frage, dass hier Frauen wie Dinge behandelt und bewertet werden, schrieb Aigner in einem wütenden Brief an den Vorstandssprecher von ProSiebenSat.1, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert. Der herabwürdigende Titel der Sendung sei alles andere als hilfreich für das gesamtgesellschaftliche Bemühen um ein respektvolles Miteinander. Sie appellierte an den Medienkonzern, mehr gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Wie die F.A.Z. berichtet, gingen insgesamt 111 Beschwerden beim Werberat ein. Deshalb zieht Joyn, ein Gemeinschaftsangebot von ProSiebenSat.1 und Discovery, nun einige seiner Plakate zurück. Insbesondere auf den herabwürdigenden Begriff „Milf“ (eine Abkürzung für „Mother I’d Like To F***“) soll fortan verzichtet werden. Wir werden unsere Kommunikation dahingehend anpassen und künftig auf die Verwendung des Wortes „Milf“ verzichten. Auch an unserer Sendung werden wir, sofern möglich, Anpassungen vornehmen, teilte eine Joyn-Sprecherin gegenüber der F.A.Z. mit. Der Titel der Sendung werde in „M.O.M – Die neue Datingshow“ geändert. Der Begriff „Milf“ soll von allen Plakaten verschwinden – dies versicherte der Streamingdienst gegenüber dem deutschen Werberat – das Selbstkontrollorgan der Branche, das sich darum kümmert, dass Werbung rechtlich zulässig ist und keine ethischen Grenzen überschreitet.

Online werde der Begriff „Milf“ seit dem 29. Mai nicht mehr verwendet. In der Sendung selbst sollen die Äußerungen des Off-Sprechers entsprechend aktualisiert werden, so dass der Begriff nicht mehr fällt. Die Äußerungen der Kandidat*innen sollen hingegen unverändert bleiben. Da sich Joyn kooperativ zeigt und die Werbung zurückzieht, wird das Verfahren vor dem Werberat eingestellt. Eine Rüge hätte es nur dann gegeben, wenn der Anbieter trotz Beanstandung an der Kampagne festgehalten hätte. Die Vermarktungsfirma Ströer hatte nach der anhaltenden Kritik bereits vor einer Woche beschlossen, die Plakate nach Pfingsten abzuhängen.

Joyn versicherte gegenüber der F.A.Z., dass man sich mit dem Feedback auseinandergesetzt habe, dass die Kampagne etwas zu weit geht. Gleichzeitig rechtfertigte die Sprecherin das Format und die zugehörige Kampagne. Die Intention hinter der Sendung sei, Rollenklischees aufzubrechen und sich mit der Thematik Altersunterschied in der Beziehung auseinanderzusetzen. Daher habe man sich gezielt für kontroverse Formulierungen entschieden. Man habe allerdings Verständnis dafür, dass der Begriff „Milf“ ohne diesen Kontext irreführend sein kann.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Die Frauen, die bei sowas mitmachen, fühlen sich bestimmt in höchstem Maße geehrt wenn man sie als "MILF" tituliert. Mich wundert dass die moralischen Putzbrigaden um Aigner & Co. nicht längst Seitensperrungen für die einschlägigen Internetportale gefordert haben, auf denen es wirklich zur Sache geht und jeder Dreikäsehoch ohne Altersnachweis MILFS bei der Arbeit beobachten kann.
    • am

      Was spricht denn dagegen die Sprache zu entrümpeln, wenn dann andere nicht mehr marginalisiert oder herabgesetzt werden? Du hast recht seltsame Vorstellungen von Political Correctness. Eine Keule ist sie nur für diejenigen, die sich partout nicht daran halten (wollen).
      • (geb. 1983) am

        Und wieder schlägt die Political Correctness-Keule gnadenlos zu. ;( So langsam bin ich der Meinung, dass man gegen die fortschreitende Amerikanisierung in Deutschland etwas unternehmen muss!

        Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen!! Ich hätte mir diesen Dreck nie im Leben angeschaut. Aber bitte wenn, es keinen Bedarf, an solchen "Produktionen" gäbe, würden keine solchen Formate produziert. Man bedenke bitte, was bei RTL2 alles in die Welt gesetzt wird.

        Und von MTV wollen wir mal gar nicht reden. Hat dieses Land keine anderen Probleme!

        Mann oh Mann. Aber dann rumheulen, weil man sich am Ballermann nicht zuschütten kann! Was für eine kranke verdrehte Welt.
        • am

          Jetzt bitte eine GILF Kampagne. Was für eine Hysterie....
          • (geb. 1979) am

            Und der neue Titel wäre inwiefern besser? Die Bedeutung ist doch dann dieselbe oder irre ich mich da? 
            Ich mein. Ich werd mir die Sendung eh nicht ansehen. Da würde es wohl angenehmer sein, mit einer Käsereibe seine Genitalen zu bearbeiten 
            • (geb. 1967) am

              soweit ich weiß, hängen die hier in Berlin nirgends....jedenfalls nicht, wo ich wohne....
              • am via tvforen.de

                Muss man sich ab jetzt schämen, wenn man AMERICAN PIE mag oder anschaut...?

                Interessant, was die Mutter aller MILFs, Jennifer Coolidge, 2014 selbst dazu sagte (Zitat aus https://www.tvmovie.de/news/jennifer-coolidge-american-pie-41618):

                „Wenn ich in meinem Alter ein normaler Single wäre, einfach nur irgendeine Frau und nicht Stifler‘s Mom – ich denke nicht, dass ich gerade daten würde. Ich meine, das ist wegen des Films - und deshalb will ich dem Universum für mein Sexleben danken!“

                Aha... :-)
                • am via tvforen.de

                  Plumpaquatsch schrieb:
                  -------------------------------------------------------
                  > Muss man sich ab jetzt schämen, wenn man AMERICAN
                  > PIE mag oder anschaut...?
                  >
                  > Interessant, was die Mutter aller MILFs, Jennifer
                  > Coolidge, 2014 selbst dazu sagte (Zitat aus
                  > https://www.tvmovie.de/news/jennifer-coolidge-amer
                  > ican-pie-41618):
                  >
                  > „Wenn ich in meinem Alter ein normaler Single
                  > wäre, einfach nur irgendeine Frau und nicht
                  > Stifler‘s Mom – ich denke nicht, dass ich
                  > gerade daten würde. Ich meine, das ist wegen des
                  > Films - und deshalb will ich dem Universum für
                  > mein Sexleben danken!“
                  >
                  > Aha... :-)


                  Jennifer Coolidge darf das, weil sie eine Frau ist und über sich selbst spricht. Ich darf mich selbst auch "dusslige Kuh" nennen, du nicht!

                  Das frechste aus der Meldung Glenn Riedmeiers ist aber das hier:
                  "Gleichzeitig rechtfertigte die Sprecherin das Format und die zugehörige Kampagne. Die Intention hinter der Sendung sei, Rollenklischees aufzubrechen und sich mit der Thematik Altersunterschied in der Beziehung auseinanderzusetzen. Daher habe man sich "gezielt für kontroverse Formulierungen entschieden". Man habe allerdings Verständnis dafür, dass der Begriff "Milf" ohne diesen Kontext irreführend sein kann."

                  Übersetzt heißt es also:
                  Das dumme Volk hat die großartige Werbung völlig mißverstanden! Die Absicht der Sendung war es Rollenklischees aufzuzeigen, also diese regelrecht anzuprangern, mit dem Finger auf diese schlimmen Verhaltensweisen zu zeigen um ein Umdenken in der Gesellschaft zu fördern. Ein geradezu humanistisches Vorhaben, zu dem man Beziehungen mit größeren Altersunterschieden thematisierte. Also das Ganze ist eigentlich schon fast Bildungsfernsehen könnte man sagen. Da aber (leider leider) die Zielgruppe der Sendung eher als bildungsfern einzuschätzen ist mussten die Babos vollkrasse Pics und Buzzwords launchen um die Bros & Bitches zu catchen.
                  Läuft bei euch...

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