Krebskranke „Big Brother“-Bewohnerin als Medienstar

In Großbritannien wird das Sterben zur Reality-Show

Michael Brandes – 24.02.2009

Krebskranke "Big Brother"-Bewohnerin als Medienstar – In Großbritannien wird das Sterben zur Reality-Show – Bild: Wikipedia/Keira76 unter einer Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0-Lizenz

Das ganze Leben ist eine Reality Show: Jade Goody nahm 2002 erfolgreich an der britischen „Big Brother“-Ausgabe teil. Weil sie im Haus nicht mit übermäßig großer Intelligenz glänzte, wurden ihre Äußerungen immer wieder gern hämisch in der Boulevardpresse kommentiert. Ihre Popularität war danach immerhin groß genug, um als „Television Personality“ (Wikipedia) herumgereicht zu werden: Sie tauchte öfter in anderen Reality-TV-Formaten auf, sorgte hier und da für neue Boulevard-Schlagzeilen und brachte eine eigene (Trash-)Biographie auf den Büchermarkt – mit Erfolg. 2007 nahm sie an einer „Celebrity“-Ausgabe von „Big Brother“ teil und erlangte noch einmal einen neuen Bekanntheitsschub aufgrund einer rassistischen Aussage gegenüber einer ihrer Mitbewohnerinnen, für die sie sich nach dem Rauswurf entschuldigen musste.

Doch zum Medienstar, der seit Wochen die britischen Boulevardschlagzeilen bestimmt, wurde die 27-jährige aus noch traurigerem Grund: Vor laufender Kamera erfuhr sie im August 2008, dass sie an Krebs im Endstadium leidet und nur noch wenige Monate zu leben hat. Ihr Sterben wird seitdem auf der Insel auf eine nachdenklich stimmende Art und Weise in Zeitungen und im Fernsehen medial „begleitet“.

Nun spendieren die Medien ihrem Lieblingsobjekt eine luxuriöse „Märchenhochzeit“ auf einem britischen Landsitz samt Luxushotel. Für die exklusiven Bild- und Videorechte soll Jade Goody laut „Spiegel“ rund 1,1 Millionen Euro kassieren. Da ihr Bräutigam zur Zeit eine 18-monatige Haftstrafe absitzt, wurde nun seine Ausgangssperre vom britischen Justizministerium kurzfristig aufgehoben. Aktuelle Fernsehbilder zeigen Goody, die aufgrund der Chemotherapie keine Haare mehr hat, Hand in Hand mit ihrem Auserwählten und freudestrahlend in jede Kamera lächeln, die Heerscharen von Fotografen und Kameramännern auf sie richten.

Sterben als Reality-Show. Aber was genau stimmt hier nicht? Oder wen soll man kritisieren, wenn man bei dieser Meldung ein flaues Gefühl im Magen bekommt? Jade Goody, die nur mit Hilfe des Fernsehens berühmt geworden ist und ihr öffentliches Leid ausschlachten lässt in der guten Absicht, mit dem Geld ihren beiden Söhnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen? Oder die Sucht der Boulevardmedien nach schicksalsträchtigen Schlagzeilen? Oder doch das Publikum, das durch den Kauf von „Bild“ & Co. und durch das Einschalten entsprechender TV-Sendungen ausdrücklich solche Vorkommnisse erst möglich macht?

Und wäre eine solche Story in Deutschland eigentlich undenkbar? Wohl kaum.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Die deutsche Hospizstiftung kann dem Fall "Goody" durchaus positive Seiten abgewinnen. Denn in Deutschland spiele sich das Sterben zumeist in der Isolation der eigenen vier Wände ab und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, löst diese Isolation auf. Die unheilbar Kranken und ihre Angehörigen würden so von einer "Sprachlosigkeit" befreit, die sie aber sonst belastet. Zwar wird Goodys Weg als ungewöhnlich angesehen, aber dennoch als ein guter Weg, um das Thema Sterben anzusprechen.

    Dass Goody für die Berichterstattung Geld bekommt, mit dem sie ihre Familie unterstützen möchte, wird nicht kritisiert, selbst Premierminister Brown hat dieses Vorhaben in einer Pressekonferenz gutgeheißen.

    Sich über die Berichterstattung aufzuregen hält der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Eugen Brysch für verlogen. Er ist der Meinung, dass man die Boulevardberichterstattung auch nutzen kann, um ein Thema auf eine intellektuelle Ebene zu heben.

    Kritisch sieht er es aber, sollte auch der Moment des Sterbens live mitgeschnitten werden, denn der Tod selbst sollte privat bleiben.

    Quelle: http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/medizinethik/?sid=535524

    In dem Zusammenhang musste ich jetzt auch wieder an diesen Thread denken und an die Doku, um die es damals ging ...
    http://www.tvforen.de/read.php?1,955492,955492#msg-955492
    • am via tvforen.de

      "...Oder wen soll man kritisieren, wenn man bei dieser Meldung ein flaues Gefühl im Magen bekommt? ..."

      das ist eines unserer größten probleme das wir immer darüber nachdenken wen wir kritisieren können. da gibt es zwei ( die bewohnerin und der sender) die eine vereinbarung eingegangen sind und fertig. und nun ist sie krank geworden und man hat es öffentlich gemacht. und dadurch hat sie die möglichkeit sich selber und ihren kindern noch ein paar wünsche zu erfüllen. es gebe noch die alternative das man sie nicht mehr beachtet und sie im stillen sterben lässt. aber dann würde es auch vorwürfe geben das man vorher quote mit ihr gemacht hat und in dem moment wo sie krank wurde kein interesse mehr hatte. also nehm ich persönliche solche geschichten einfach so hin und gut ist und hoffe das mir sowas erspart bleibt.
      • am via tvforen.de

        Ich denke schon das so etwas auch in Kürze in Deutschland möglich sein kann.

        Selbst wenn ich mich jetzt auf dünnem Eis bewege.Aber hätte ich kleine Kinder würde ich glaube ich solange es mein Zustand mir erlaubt alles machen damit sie abgesichert sind.Ich hoffe nur das die Gelder wirklich den Kindern zugute kommen und nicht vom Vater wenn er aus dem Knast kommt verjubelt werden.

        Nachdenker
        • am via tvforen.de

          vielleicht gibst ja bald eine Casting Show...

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