20 Jahre „Die ultimative Chart Show“: „Die ganz großen Stars sind meistens am unkompliziertesten“

Interview mit Frank Ehrlacher und Judith Langhans zum 20. Geburtstag der RTL-Musikshow

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 29.12.2023, 08:05 Uhr

Frank Ehrlacher und Moderator Oliver Geissen mit den Gästen der Jubiläumsshow zum 15-Jährigen RTL/​Stefan Gregorowius

fernsehserien.de: Wie wird eigentlich entschieden, welche Künstler in der „ultimativen Chart Show“ für einen Auftritt im Studio engagiert werden? Geht das letztendlich nach Verfügbarkeit?

Judith Langhans: Ja, es wäre unlauter, zu behaupten, dass wir uns immer genau diejenigen aussuchen, die wir haben wollen – und dass die dann auch immer alle kommen [lacht]. Das ist illusorisch. Uns geht es vor allem darum, die Sendung mit Leben zu füllen. Wenn wir das Ranking durchgehen und dann feststellen: Madonna, Bruce Springsteen … hm, die kommen vielleicht gar nicht in unsere Sendung [lacht]. Bei anderen Künstlern ist es aber durchaus möglich, dass man die Aufzeichnungstermine um ihre Verfügbarkeit herumbaut. Insbesondere bei internationalen Künstlern gibt es einen Promotionplan, der einfach feststeht. Wenn die Show genau in diesem Zeitfenster produziert wird, kann man auch Künstlerinnen wie Amy Macdonald und Katy Perry live in die Sendung bekommen. Einmal haben wir auch die Backstreet Boys im Studio gehabt – das allerdings zu diesem Zeitpunkt sehr leer war, einfach weil sie zur regulären Aufzeichnung nicht mehr da sein konnten. Aber unterm Strich waren so fast alle irgendwann mal bei Olli Geissen auf der Couch und Teil der Sendung.

Judith Langhans

Frank Ehrlacher: Die Erfahrung hat uns übrigens vor allem eines gezeigt: Die ganz großen Stars sind meistens am unkompliziertesten, wenn man sich mal durch deren Managements zu ihnen durchgekämpft hat. Wer über eine lange Zeit dabei ist, ist meistens noch oder wieder geerdet. Junge Stars hingegen, die gerade ihren ersten Hit haben, glauben oft, dass sie es jetzt geschafft haben und es jetzt immer so weitergeht. Da höre ich oft von den Kollegen aus der Redaktion, dass gerade die manchmal Ansprüche stellen. Alleine die Anforderung an das Catering umfasst oft mehrere DIN-A4-Seiten [lacht].

Judith Langhans: Wir versuchen natürlich, die Wünsche so gut es geht zu erfüllen! Ich kann leider keine Namen nennen, aber auf einer Liste stand mal drauf: Toilettenpapier, mindestens dreilagig. Ganz unten steht auf solchen Listen auch gerne: Snickers-Riegel. Das ist ein beliebter Trick des Managements, um zu testen, ob die Liste auch komplett gelesen wurde [lacht]!

Ein leidiges Thema ist das Thema Playback. Auch in der „Chart Show“ handelt es sich bei vielen Auftritten im Studio um Vollplayback – was insbesondere dann kurios ist, wenn Bands der 80er Jahre zu ihren Stimmen von vor 40 Jahren die Lippen bewegen. Viele Zuschauer fragen sich: Warum wird im deutschen Fernsehen nicht mehr auf Live-Gesang gesetzt?

Oliver Geissen moderierte 2015 „Die beliebtesten James Bond Songs aller Zeiten“ TVNOW/​Stefan Gregorowius

Judith Langhans: Es gab mal eine Show namens „Die beliebtesten James-Bond-Songs aller Zeiten“, die wie eine „Chart Show“ aufgezogen war, aber keine Produktion von uns war. Die Kollegen haben sich der Herausforderung gestellt und fast alle Show-Acts live gemacht – allerdings konnte so auch jeder hören, dass es da halt manchmal Grenzen gibt. Zu hören auch bei einer berühmten Single: Stéphanie von Monaco singt „Irresistible“ – da hat die Produktion im Studio wirklich alles herausgeholt an Stimme. Mit dem Song ist sie kaum live aufgetreten, da hatte das Management sie gut beraten. An einer Studioaufnahme wird lange gefeilt, denn sie soll den Song, den Künstler und seine Persönlichkeit in den Vordergrund stellen und das Bestmögliche erzeugen. Das im Fernsehstudio zu imitieren ist oft nicht einfach und oft tut man den Künstlern damit keinen Gefallen. Wir bei der „Chart Show“ machen aber gar nicht so oft Vollplayback. Unsere Regel ist eigentlich Halbplayback. Dadurch können wir den Künstlern die Probenzeiten ersparen und geben ihnen trotzdem die Chance, dass es musikalisch toll wird mit einer live gesungenen Stimme. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass ich manche Künstler kennengelernt habe, die einfach „Persönlichkeiten“ sind. Und wenn die Vollplayback singen möchten, dann wird Vollplayback gesungen. Andere Künstler, wie Silbermond oder Amy Macdonald, singen dagegen grundsätzlich immer live.

Frank Ehrlacher: Es gibt bei der „Chart Show“ alles: komplett live, Halbplayback und Vollplayback. Man muss auch dazu sagen, dass bei Live-Auftritten die Probe deutlich länger dauert, die sonst eher eine technische Probe für den Regisseur darstellt, in der er den Ablauf koordiniert. Wir als Musikbegeisterte freuen uns natürlich über jeden, der live spielt, aber eine Probe mit Live-Performances, Umbau und Soundcheck dauert mindestens eine Stunde und ist für das ganze Team eine Herausforderung. Daher finde ich Halbplayback grundsätzlich eine sehr schöne Lösung.

Oliver Geissen und Frank Ehrlacher mit Gästen der „Chart Show“ zu den erfolgreichsten Hits des Jahres 2019 RTL/​Stefan Gregorowius

Über viele Jahre wurde in der „Chart Show“ auch auf das aktuelle Musikjahr zurückgeblickt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurden nicht mehr nur die Single-Charts in der Jahreshitparade betrachtet, sondern auch die Top 25 Alben. Was war der Grund dafür?

Judith Langhans: Letztlich wollen wir Musik aus einem möglichst breiten Spektrum abbilden. Ich bekomme auch von Zuschauern immer wieder gespiegelt, dass gerade das Aufeinandertreffen von der Kelly Family, Nena, OMD und Bruce Springsteen einen großen Reiz ausmacht. Auf einmal haben die Single-Charts aber eine gewisse Eindimensionalität Richtung Deutsch-Rap bekommen, weil eine große Rolle spielt, was miteingerechnet wird. Schlager findet dort zum Beispiel fast nicht statt, obwohl dieses Genre in Deutschland riesig ist. Schlager funktionieren aber nicht als Single, sondern im Alben-Bereich. Wir haben erkannt: Wenn wir beides berücksichtigen, bilden wir mehr ab und transportieren das, was die Leute tatsächlich hören.

In diesem Jahr gibt es gar keine Ausgabe der „Chart Show“ zur Jahreshitparade, zum ersten Mal seit 2007. Was ist hierfür der Grund?

Judith Langhans: Das müssten Sie den Sender fragen. Wir haben es angeboten, aber leider hat RTL das Thema in diesem Jahr nicht besetzen wollen. Aber auch wenn es in diesem Jahr nur wenig neue Folgen gab, war die „Chart Show“ durch Wiederholungen sogar öfter im RTL-Programm vertreten als in den Jahren davor.

Auf der nächsten Seite erläutern Judith Langhans und Frank Ehrlacher, inwiefern sich die Charts durch Streaming verändert haben. Außerdem verraten sie, was ihre persönlichen Highlights aus 20 Jahren „Chart Show“ sind.

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