Gebührengelder für ‚klebrige Nähe‘?

Geheimer ARD-Vertrag mit Jan Ullrich

Ralf Döbele
Ralf Döbele – 05.09.2006

Würden Sie Jan Ullrich Geld geben? Um ihn beim Training, oder beim „Tigerentenclub“ als Ehrengast zu sehen? Nein? Nun, vielleicht haben Sie das schon unfreiwillig getan. Denn, wie übereinstimmend die Süddeutsche Zeitung und die FAZ am Dienstag berichteten, zahlte die gebührenfinanzierte ARD Ullrich nach Abschluss eines Geheimvertrags im Jahre 2003 jährlich bis zu 195.000 Euro durch die Sportrechteagentur Sport A. Auch mit Radprofi Erik Zabel soll es eine solche „Mitwirkendenvereinbarung“ gegeben haben, allerdings über den vergleichsweise geringen Betrag von 10.000 Euro pro Jahr.

Der Vertrag mit Ullrich, welcher zum Jahresende ausläuft, gilt rückwirkend seit dem 1. Januar 2003. Ullrichs Verdienstmöglichkeiten sind dabei genau aufgeführt, was sich laut FAZ eher wie eine „Vereinbarung zwischen einem Rennsportstall und einem Fahrer“ liest. So wurden für Etappensiege bei der Tour de France 20.000 Euro in Aussicht gestellt, ein Sieg bei der Deutschlandtour war der ARD 40.000 Euro wert. Weitere Bedingungen, wie ein Gagenabzug beim Nicht-Antreten bei einer der Touren wurden in dem nur wenige Seiten dicken Vertrag ebenso berücksichtigt.

Doch wofür wurde nun wirklich das Geld gezahlt? Für Interviews im Rahmen der Tour-Berichterstattung in der ARD? Die sollten mit Rückbesinnung auf journalistische Tugenden, wie bei anderen Radprofis auch, ohne Zückung des Scheckhefts zu haben sein – zumal die ARD ohnehin bereits von 1998 bis 2004 Ullrichs Team Telekom sponserte. Dadurch hätten auch Leistungen Ullrichs, über normale Interviews hinaus, abgedeckt sein müssen.

Vielleicht hatte diese doppelte Zahlungsbereitschaft auch einen anderen Auslöser. Der Vertrag 2003 basierte auf einem ersten Vertrag, welcher 1998 vom damaligen ARD-Sportkoordinator Werner Zimmer mit Ullrich geschlossen wurde. Dessen Nachfolger Hagen Boßdorf, über dessen Schreibtisch die Vertragserneuerung 2003 ging, ist bekannt für seine literarische Zusammenarbeit mit Jan Ullrich. Zusammen verfassten sie unter anderem dessen Biografie „Ganz oder gar nicht“, die 2004 in die Buchläden kam. Diese Umstände werfen Schatten auf Boßdorfs Selbstdarstellung als harter Doping-Gegner nach den Tour de France-Skandalen 2006. Schließlich war Ullrich ja bereits im Juni 2002 erstmals positiv auf Amphetamine getestet worden. Danach war der erste Geheimvertrag Ullrichs mit dem Saarländischen Rundfunk gekündigt worden. Nicht Grund genug für die ARD, den Vertrag dann allerdings im Sommer 2003 rückwirkend auf den 1. Januar zu erneuern. Wollten Boßdorf und andere Verantwortliche ihre guten Beziehungen zu Ullrich pflegen, oder glaubte man bei der ARD an den „reuigen Sünder“?

Noch merkwürdiger erscheint, dass die Sportrechteagentur Sport A, welche die vierteljährlichen Zahlungen auf ein Schweizer Konto Ullrichs tätigte, zwar ein gemeinsames Unternehmen von ARD und ZDF ist, das ZDF laut Recherchen der beiden Zeitungen wohl aber tatsächlich nichts von dem Geheimvertrag zwischen ARD und Ullrich wusste.

Medienrechtlich wären all diese Vorgänge wohl kaum zu verfolgen. Aber eine unsaubere und überflüssige Verschwendung von Gebührengeldern stellen sie allemal dar.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Es ist ganz merkwürdig - wenn bei uns in Österreich etwas ähnlich Skandalöses passiert, bin ich zwar auch empört, aber es verwundert mich nicht wirklich. Man ist quasi daran gewöhnt. Aber bei der ARD enttäuscht es mich.

    Man denkt naiver- und kurioserweise immer, woanders müssen die Leute doch irgendwie "ehrenwerter" sein.
    • am via tvforen.de

      Wann soll doch noch einmal die nächste Erhöhung der GEZ Gelder kommen?

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