„Aktion Ungeziefer“ – Vertrieben in der DDR

D 2020 (45 Min.)
  • Reportage
Lutz Winkelmanns Großeltern mussten 1952 ihren Hof in Barnebeck bei Salzwedel verlassen. Sie haben nie erfahren, warum ausgerechnet sie ausgesiedelt wurden. Ihr Enkel hat jahrelang darum gekämpft, den enteigneten Besitz wiederzubekommen. Er sagt heute: „Vertreibung ist das Schlimmste, was man einem Menschen antun kann.“ – Bild: MDR/​Sven Stephan
Lutz Winkelmanns Großeltern mussten 1952 ihren Hof in Barnebeck bei Salzwedel verlassen. Sie haben nie erfahren, warum ausgerechnet sie ausgesiedelt wurden. Ihr Enkel hat jahrelang darum gekämpft, den enteigneten Besitz wiederzubekommen. Er sagt heute: „Vertreibung ist das Schlimmste, was man einem Menschen antun kann.“

Die Männer mit dem LKW kommen aus heiterem Himmel. Eines Morgens stehen sie im Hof und verkünden, dass die Familie den Ort binnen weniger Stunden zu verlassen habe. Bewegliche Habe darf verladen werden. Haus, Hof, Landbesitz – all das ist mit einem Schlag verloren. Im Mai 1952 trifft es die Familie von Anneliese Fleischer aus Cheine in der Altmark. „Alles war streng geheim vorbereitet worden. Unsere Familie wurde von der Aktion völlig überrumpelt“, erinnert sie sich. Wohin sie gebracht werden, wissen die Betroffenen nicht. Viele fürchten gar, es gehe nach Sibirien. Erst auf dem Transport wird ihnen ein Ziel genannt: eine fremde Stadt irgendwo im „Binnengebiet“ der DDR.

Dort hat man die Nachbarn schon auf die Neuankömmlinge vorbereitet. „Schwerverbrecher von der Grenze“ würden bald einziehen, wird ihnen eingetrichtert. Kontakt gelte es zu vermeiden. Tausenden Familien in der DDR ist das zwischen 1952 und 1961 so ergangen. Weil sie im ostdeutschen Grenzgebiet lebten, wurden sie ohne Vorwarnung aus ihren Heimatorten ausgesiedelt. Viele erfahren ihr Leben lang nicht, warum sie fortgebracht wurden. Wie die Großeltern von Lutz Winkelmann aus Barnebeck an der Grenze zu Niedersachsen. „Mit welchen Gedanken müssen diese Menschen ins Grab gegangen sein?“, fragt er sich noch heute.

„Vertreibung ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.“ Die DDR entledigte sich mit den Zwangsaussiedlungen „unbequemer“ Menschen, die ihre Meinung zu Staat und System offen äußerten, aber auch Menschen mit Besitz – Land, Wald, einer Werkstatt, einem Gasthof etwa – und enteignete all diese Immobilien, um so rasch und ohne großen Aufwand das „Volkseigentum“ zu vergrößern. Vor allem aber handelte es sich um eine Disziplinierungsmaßnahme. Wer sich nicht an die Regeln hielt, den konnte es als Nächsten treffen.

Und zwar jederzeit. Bekannt wurden die Maßnahmen erst nach Ende der DDR – unter dem Namen „Aktion Ungeziefer“. So hatte sie ein SED-Funktionär in einer Akte genannt. Eine Entschädigung für die Vertreibung gibt es für die Zwangsausgesiedelten bis heute nicht. „Das Wort Gerechtigkeit“, sagt Anneliese Fleischer, „können sie für mich aus dem Duden streichen.“ Die Reportage „Aktion Ungeziefer – Vertrieben in der DDR“ lässt Zeitzeugen aus der Altmark zu Wort kommen. Ihre Geschichten stehen exemplarisch für mehr als 11.000 Betroffene und zeigen, dass die Zwangsaussiedlungen auch Jahrzehnte danach in den Familien nachwirken. (Text: MDR)

Deutsche TV-Premiere22.09.2020MDR

Sendetermine

So 18.06.2023
01:15–02:00
01:15–
Sa 17.06.2023
21:00–21:45
21:00–
So 08.05.2022
20:20–21:05
20:20–
Di 22.09.2020
21:00–21:45
21:00–

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