„RTL Direkt“ mit Jan Hofer: „Machen wir alle das Beste daraus.“ – Review

Kritik zur Premierenausgabe des neuen RTL-Nachrichtenmagazins

Glenn Riedmeier
Rezension von Glenn Riedmeier – 17.08.2021

Jan Hofer mit Premierengast Annalena Baerbock – Bild: RTL/Screenshot
Jan Hofer mit Premierengast Annalena Baerbock

Monatelang befeuerte RTL sein neues Kredo, künftig informativer, seriöser und familienfreundlicher werden zu wollen. Ein Herzstück der ganzen Anstrengungen ist die neue Sendung „RTL Direkt“, die ab dem heutigen 16. August vier Mal die Woche im späten Abendprogramm live ausgestrahlt wird und „etwas vollkommen Neues“ sein will. Für das mit Spannung erwartete Nachrichtenmagazin hat der Kölner Sender den langjährigen „Tagesschau“-Chefsprecher Jan Hofer als Anchorman verpflichtet.

Er führt ab sofort und bald im Wechsel mit seiner früheren „Tagesthemen“-Kollegin Pinar Atalay durch die neue Sendung, für die RTL sein bisheriges Programmschema gehörig umbaut. Denn fortan ist „RTL Direkt“ montags bis donnerstags um 22:15 Uhr zu sehen, wodurch Formate wie „Extra“ und „stern TV“ ihre jahrelange Startzeit verlieren und künftig erst im Anschluss um 22:35 Uhr beginnen. Am Freitagabend sowie am Wochenende verzichtet RTL dagegen auf sein neues Nachrichtenmagazin, da an jenen Tagen „das Bedürfnis nach Nachrichten nicht so groß“ sei – und man natürlich auch nicht das mehrstündige Unterhaltungsshowprogramm unterbrechen möchte.

Die im Vorfeld getätigten Ankündigungen zur neuen Sendung waren gleichermaßen vollmundig wie nebulös. Für das Format wurde eine neue Redaktion und ein neues Studio in Berlin aufgebaut. „RTL Direkt“ soll „keine reine Nachrichtensendung“ wie etwa das „heute journal“ oder die „Tagesthemen“ sein, gegen die Hofer nun in direkter Konkurrenz antritt. Tatsächlich beginnt die Sendung untypisch mit einem schlichten Guten Abend von Jan Hofer (ohne meine Damen und Herren), der die Zuschauer zu dem neuen Nachrichtenformat bei RTL begrüßt, mit dem Wichtigsten des Tages, kompakt in 20 Minuten direkt aus Berlin.

RTL/​Screenshot

Von Anfang an im Studio anwesend ist der Premierengast, die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock. Sie stehen sich zunächst an einem Pult gegenüber. Ohne lange Umschweife befragt Hofer die Kanzlerkandidatin, ob sie von der verheerenden Situation in Afghanistan überrollt wurde. Anschließend folgt ein klassischer Nachrichten-Beitrag, der die Ereignisse und aktuellen Entwicklungen um die dramatische Machtübernahme der Taliban erläutert. Hofer befragt Baerbock nach ihrer Position und wie sie reagieren würde, wenn sie Bundeskanzlerin wäre.

Die Verantwortlichen hätten sich vermutlich einen weniger tragischen Nachrichtentag zum Start gewünscht, doch nach fünf Minuten wird das Thema Afghanistan zur Seite gelegt und es folgt ein kurzer, zweiminütiger Nachrichtenüberblick im Schnelldurchlauf, unter anderem über Impf-Empfehlungen für Kinder ab zwölf Jahren und den Beginn der Briefwahl. Anschließend wechseln Baerbock und Hofer die Position, nehmen auf Sesseln Platz und diskutieren darüber, wie der grüne Wahlkampf bisher verlaufen ist – und vor allem mit welchen Kosten die Bürger bei den Plänen der Grünen rechnen müssen.

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Mit Hilfe eines Magazin-Beitrags des „RTL Direkt“-Reporterteams soll untersucht werden, ob sich eine ganz normale Durchschnittsfamilie einen grünen Lebensstil überhaupt leisten kann. Hierzu werden die Kosten eines Familieneinkaufs im normalen Supermarkt jenen eines Biomarkts gegenübergestellt – auch Benzinpreise und Stromkosten werden verglichen. Parallel wird erläutert, was die Grünen in ihrem Wahlprogramm fordern. Die Sprache ist merklich darauf ausgerichtet, dass sie auch von weniger versierten Nachrichtenkonsumenten verstanden wird.

Annalena Baerbock möchte, dass das Leben bezahlbar ist. Hofer hakt nach, wie das geregelt werden soll. Antwort: Zum Beispiel durch Anhöhung des Mindestlohns, außerdem soll in Discountern Biofleisch angeboten werden. Weiteren kritischen Nachfragen weicht Baerbock mehrfach gekonnt aus. Auch der Frage, ob sie sich eine rot-rot-grüne Koalition vorstellen könne, bleibt Baerbock wie erwartet eine konkrete Antwort schuldig und gibt lieber einstudierte Phrasen zum Besten.

RTL/​Screenshot

Bei Anbruch der letzten fünf Minuten stellt Jan Hofer die Rubrik „Direkt gefragt“ vor. Hier können Zuschauer eigene Fragen via Social Media einsenden. Vier Fragensteller stehen zur Auswahl, wobei aus nicht weiter erläuterten Gründen nur zwei ihre (vorproduzierte) Frage an Frau Baerbock stellen können. Einen Kandidaten wählt Jan Hofer aus, die zweite Fragenstellerin sucht sich die Kanzlerkandidatin aus (ohne vorher die Frage zu kennen). Im Anschluss daran erklärt Jan Hofer, dass man die „RTL Direkt“-Zuschauer stets mit einem Lächeln in den Abend entlassen wolle. Es folgt ein satirischer und etwas deplatziert wirkender Beitrag über den Wahlkampf von Comedian Abdelkarim.

Die Lacher auf ihrer Seite hatte hingegen Annalena Baerbock, als sie auf Hofers abschließende Frage, ob ihr im Wahlkampf manchmal das Lachen vergangen sei, mit einem Konter reagierte: Wenn Sie sich trauen, zu ‚Let‘s Dance’ gehen, dann glaube ich, dass wir diesem Land alles zutrauen können.

Nach der ersten Ausgabe von „RTL Direkt“ bleibt vor allem ein Achselzucken. Die Sendung ist „nice to have“, aber so revolutionär wie es RTL verkauft, ist das Format nicht im Geringsten. Der klassische Nachrichtenanteil nimmt bemerkenswert wenig Platz ein. Die meiste Zeit der Sendung fungiert Jan Hofer nicht als Nachrichtensprecher, sondern als Interviewer. Zur Premierensendung wirkte er in dieser Rolle noch etwas steif und so manche Moderation kam ziemlich aufgesagt rüber – was angesichts seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Sprecher dann doch überrascht.

Der größte Unterschied zu den „Tagesthemen“ dürfte – neben dem nun krawattenlos auftretenden Jan Hofer – wohl sein, dass „RTL Direkt“ tatsächlich nicht wie eine Nachrichtensendung wirkt, sondern vor allem im zweiten Teil in eher loungiger Atmosphäre daherkommt, wenn es zum ausführlichen Gespräch mit dem Gast kommt. Hier sollen in den nächsten Ausgaben nicht nur Politiker und Experten, sondern auch „normale“ Menschen aus dem Volk zu Wort kommen.

TVNOW/​Jörg Carstensen

Insgesamt wirkt die Sendung mit Kurz-Nachrichtenblock, Studiogast, Beiträgen vom Reporterteam, Fragen von Zuschauern, satirischem Abschluss und einer kurzen Wettervorhersage ziemlich überladen. Die Macher haben sich ganz schön viel vorgenommen für die Sendezeit von 20 Minuten, womit „RTL Direkt“ gerade mal fünf Minuten länger dauert als die klassische 20-Uhr-„Tagesschau“, die einen reinen Nachrichtenüberblick bietet. Das enge Zeitkorsett war schon bei der ersten Ausgabe spürbar, die gerade im letzten Viertel wie ein arg gehetztes Sommerinterview mit der Kanzlerkandidatin wirkte.

Man darf gespannt sein, ob die RTL-Zuschauer für diese neue Sendung empfänglich sind – und vor allem, ob auch neue Zuschauer den Weg zum Sender finden werden und „RTL Direkt“ etwa den „Tagesthemen“ vorziehen werden. Ein erstes Bild wird sich mit Blick auf die morgigen Quoten ergeben, doch in jedem Fall ist RTL zu einem langen Atem zu raten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde kontinuierlich daran gearbeitet, sich einen Ruf als Trashsender aufzubauen, womit RTL von einem Großteil der Menschen verbunden wird. Gleichzeitig hat man einige, vor allem ältere, Zuschauer vergrault und an die Öffentlich-Rechtlichen verloren. Diese wieder zurückzugewinnen mit der Ansage „Hallo, wir sind jetzt seriös“ wird ein langwieriges Unterfangen. Erst recht, wenn im unmittelbaren Vorprogramm „Schwiegertochter gesucht“ oder „Die Bachelorette“ läuft, wie es vorerst immer dienstags und mittwochs der Fall sein wird. Jan Hofers Abschiedsatz könnte diesbezüglich doppeldeutiger sein als beabsichtigt: Machen wir alle das Beste daraus.

Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1964) am

    Sie ist evtl einfach zu kurz und 22.15 der falsche Platz. Ich weiß es nicht genau, aber ich mag diese neue Nachrichtensendung ABER ich hätte sie mehrfach wiederholt ab 15.45 und am Wochenende vor- und nachmittags. Am Wochenende wird das Angebot allgemein eh immer schlechter ....Es gibt immer dieselben Serien, Filme und Shows ... wenig neue Wagnisse, aber JAN HOFER ist nicht das Problem,
    • am

      Ich finde die neue Sendung erfreulich und erfrischend anders, jetzt schon. Ich bleib auf alle Fälle dran und beobachte wie sie sich entwickelt. Für mich ist RTL Direkt eine Bereicherung.
      • am

        Nach dem hier geschriebenen Beitrag (Kritik) des Redakteurs kann ich die Kritik nicht verstehen.
        In absolut keinster Weise-und so etwas ist auch nicht angemessen-ganz ehrlich.
        Man sollte es begrüssen,daß durch diese neue Sendung (RTL DIREKT) ein Versuch gestartet wurde,
        eine neue Art von Nachrichten-Sendung zu bieten,die einen "Bunten MIX" bietet,und mal frisch und
        neu ist.
        Wenn vielleicht manches mal zu kurz kommt,so ist dies schon mal bedauerlich,aber trotzdem ist
        die Sendung durchaus mal recht innovativ gestaltet und setzt neue Akzente.
        Die Zeit wird zeigen,ob die Sendung vom Publikum angenommen wird und Akzeptanz findet,oder ob
        es doch nach kurzer Zeit möglicherweise wieder eingestellt wird-was auch möglich ist.

        Schlussendlich ist es nach 1 bis 2 Ausgaben noch zu früh grosse Bewertungen abzugeben-man
        muss dem Fomat Zeit geben sich zu entwickeln,und sich zu beweisen.

        Das nenne ich mal eine sachliche Kritik,und nicht so einen seltsamen Artikel hier,der nur über alles
        in der Sendung rum-meckert wie ein "Glenn Riedemeier".

        Ausserdem kann ich stolz sagen dem Autor der Kritik doch voraus zu sein.

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