„Princess Charming“: Lesbisch und stolz darauf – Review
Auftakt der ersten lesbischen Datingshow überzeugt
Rezension von Jana Bärenwaldt – 24.05.2021, 20:00 Uhr
Datingshows gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Sie reihen sich ein in die scheinbar endlose Kette von Trash-TV-Formaten, ein Begriff, der gern von Zuschauenden genutzt wird, um sich von den gezeigten Inhalten abgrenzen. Anschauen ja, aber natürlich nur zu Unterhaltungszwecken, nicht, weil man es wirklich gut finden würde. Diesen Konsens greifen mittlerweile auch die Sender auf und versuchen, sich mit immer schrilleren, skandalöseren Shows gegenseitig geradezu zu übertrumpfen. Nach „Der Bachelor“ folgte „Die Bachelorette“, in „Bachelor in Paradise“ können Kandidat:innen aus beiden Formaten wiederverwertet werden, alternativ geht es auf „Love Island – Heiße Flirts und wahre Liebe“ sowie im hüllenlosen Pendant „Adam sucht Eva“ um das Anbandeln vor paradiesischer Kulisse, wobei über allem die plakative Frage der gleichnamigen Datingshow „Are You The One?“ schwebt.
Der Markt ist derart übersättigt, dass zu Recht die Frage aufkommt, ob man wirklich eine weitere Datingshow wie „Princess Charming“ braucht. Und die Antwort lautet: Ja! Bereits „Prince Charming“, der Vorläufer der neuen Sendung, schlug bei TVNOW große Wellen, denn plötzlich standen nicht mehr heterosexuelle Paare im Fokus der Aufmerksamkeit, sondern schwule Männer. In „Princess Charming“ geht nun eine lesbische Frau auf die Suche nach der vermeintlich großen Liebe, was nicht nur im deutschen Fernsehen eine absolute Premiere darstellt.
Die Tatsache, dass TVNOW in diesem Segment eine Vorreiterposition einnimmt, verdient zwar Anerkennung, ist aber allein noch kein Grund zu Applaus. Der Streamingdienst stellt bereits im Vorfeld klar: ‚Princess Charming‘ schafft Sichtbarkeit
und verspricht in der Beschreibung große Liebe und ehrliche, große Gefühle – allein unter Frauen
. Ob es wirklich dazu kommt, sei zu diesem Zeitpunkt dahingestellt, viel wichtiger ist jedoch erst mal die Frage, wie die Thematik rund um lesbische Liebe aufgezogen wird, ob das Format positiv aus der Masse der Datingshows herausstechen und trotzdem unterhalten kann.
Bereits zu Beginn der Folge fällt auf, dass man sich hier nicht beim „Bachelor“ oder der „Bachelorette“ befindet. Statt eines dramatischen ersten Kennenlernens, bei dem die Kandidat:innen einzeln mit der Limousine vorgefahren werden, um sich in unangenehmen Einzelgesprächen erzwungenem Smalltalk hinzugeben, kommen bei „Princess Charming“ alle in kleinen Gruppen in der Villa an. Geht es hier also vielleicht mehr um ein großes Überthema als um Einzelcharaktere? Nicht unbedingt, denn in kurzen Videoclips werden trotzdem alle auch nochmals einzeln vorgestellt. Einen entscheidenden Vorteil hat das Ganze aber: bereits die ersten Momente der Sendung wirken ungezwungen und locker und es kommt schnell Stimmung auf.
„Ich bin lesbisch, stolz drauf und sage das auch gerne laut“.
Dabei zieht sich von Beginn an ein roter Faden thematisch durch die Show: stolz zu sein auf die sexuelle Identität. Von der Regenbogenfahne, die direkt nach dem Ankommen in der Villa gehisst wird, über die Songauswahl bis hin zu den Interviews, wird schnell klar, hier wird lesbische Liebe zelebriert. Dabei ist das Thema stets präsent, ohne penetrant zu sein. Das Gleiche gilt für die (meisten) Kandidat:innen, die in ihrer Diversität dargestellt werden, ohne direkt in bestimmte Schubladen gesteckt zu werden. Überhaupt herrscht auch im Cast erst einmal überraschende Ausgelassenheit; von Konkurrenzdenken und Zickenkrieg fehlt fast jede Spur.
Das ändert sich auch mit dem Auftauchen der Princess (Irina Schlauch) nur wenig. Natürlich wird nun aber Interesse bekundet, es werden Einzelgespräche gesucht und erste Ansprüche geltend gemacht, das große Drama bleibt aber aus. Das heißt, es bleibt aus, bis die Streitigkeiten zwischen zwei Teilnehmer:innen, die bereits im Vorfeld im Gegensatz zu den anderen negativ aufgefallen sind, in einer handgreiflichen Auseinandersetzung enden. Die beiden müssen die Show sofort verlassen, Kandidat:innen und Streamingportal distanzieren sich. „Gewalt hat hier keinen Platz“, kommentiert Irina.
Die Auseinandersetzung ist wie ein Schatten, der sich über das ansonsten bunte Treiben und die ausgelassene Stimmung legt. Da dem Zwischenfall aber zu Recht keine weitere Sendezeit mehr eingeräumt wird, kann man ihn wohl getrost abhaken und sich weiter auf die positiven Seiten von „Princess Charming“ konzentrieren. Kann die Sendung das einhalten, was TVNOW im Vorfeld so großspurig angekündigt hat? Die Auftaktfolge zumindest enttäuscht nicht. Princess Irina ist eine sympathische, bodenständige Protagonistin, die genau zu wissen scheint, was sie will; die Kandidat:innen präsentieren sich ebenfalls geerdet, divers und authentisch und zeigen, dass lesbische Liebe auch abseits von Pornos und männlich geprägten Fantasien existiert.
„Ich bin single und queer, deswegen bin ich hier.“
Woran liegt es, dass bei „Princess Charming“ vieles echter wirkt, als bei anderen Dating-Formaten? An der lockeren Stimmung, den fehlenden Küsschen links, Küssen rechts, der auffällig weniger gekünstelten Garderobe? Vielleicht liegt es auch daran, dass die Kandidat:innen dazu stehen, wer sie sind und augenscheinlich wirklich bereit dazu, sich zu verlieben. Und auch wenn das nicht der Fall sein sollte, so hat der Streamingdienst zumindest ein Format kreiert, dass eine überzeugende Illusion dessen schafft, und mehr kann man von Trash-TV doch auch nicht erwarten, oder?
Zumindest sollte man sich auch nicht mit weniger zufriedengeben und es ist schön zu sehen, dass es auch anders geht, nachdem sich viele Reality-Formate in den letzten Jahren in eine sich stetig nach unten bewegende Abwärtsspirale begeben haben. Abgesehen von völlig deplatzierten Plattformen für Mobbing, Verherrlichung von Alkoholkonsum und Homophobie der untersten Schublade in Sendungen wie „Das Sommerhaus der Stars“ und „Promis unter Palmen“, haben sich auch einige Datingshows nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Positiv herausgestochen ist in den letzten Jahren nur die letzte Bachelorette Melissa Damilia. Ansonsten ist das Ergebnis unterm Strich, angefangen bei fehlendem emotionalem Unterhaltungswert mit Gerda Lewis bei der vorletzten „Bachelorette“, über das unglaubwürdige Bäumchen-wechsle-dich-Spiel des amtierenden Bachelors Niko Griesert bis hin zu Ex-Bachelor Sebastian Preuss, der partout nicht verstehen wollte, dass Nein auch wirklich Nein bedeutet, und der seiner fragwürdigen Performance nur noch mit seinem gefakten Outing als Aprilscherz die Krone aufsetzte, bestenfalls durchwachsen.
Die Zeit ist mittlerweile mehr als reif, um Zuschauenden auch Formate zuzutrauen, die sich nicht träge in der Welt der heteronormativen Wertevorstellungen bewegen und nur noch versuchen, durch immer größere Skandale zu überzeugen. Das heißt nicht, dass es keine Berechtigung mehr für Shows wie den „Bachelor“ oder die „Bachelorette“ gibt, nur sollten diese eben versuchen, mehr zu bieten als inszenierte Skandale und stereotype, austauschbare Kandidat:innen mit fragwürdigem Unterhaltungswert, die bereits ihre Karriere als Influencer:innen im Blick haben.
Wird „Princess Charming“ nun also alles anders machen und ein perfektes Beispiel dafür, wie eine Datingshow funktionieren kann? Wahrscheinlich nicht, aber das muss sie auch nicht. Die Auftaktfolge von „Princess Charming“ macht zumindest Hoffnung, da sie zeigt, dass es eben noch mehr gibt, dass noch andere Geschichten darauf warten, erzählt zu werden. Die Folge nimmt die Zuschauenden mit auf den Anfang einer Reise, die vielversprechend beginnt und bereits in der ersten Folge vieles richtig macht.
Ja, wenn man ein Format wie „Princess Charming“ schaut, will man unterhalten werden, Trash sehen, Zickenkriege und vielleicht auch den ein oder anderen Skandal. Man will aber auch echte Menschen und reale Emotionen sehen, mit den Kandidat:innen mitfiebern und sich zumindest der Illusion hingeben, dass es hier um mehr geht, als um Quoten und Selbstdarstellung und nicht vor Fremdscham zusammenzucken, weil Menschen vorgeführt werden und man dauernd mit der Nase auf die allzu offensichtliche Inszenierung gestoßen wird.
„Princess Charming“ findet in der ersten Folge trotz kleinerer Unstimmigkeiten die Balance zwischen Unterhaltung, diversen Charakteren und überzeugendem Storytelling, schafft Sichtbarkeit für das medial unterrepräsentierte Thema der lesbischen Liebe und macht damit neugierig auf mehr. Um es in den Worten einer Kandidat:in zu sagen: Der Regenbogen ist groß und es gibt noch so viele bunte Farben, die wir entdecken können.
Dieser Text beruht auf Sichtung der ersten Folge von „Princess Charming“.
„Princess Charming“ ist ab dem 25. Mai bei TVNOW abrufbar.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
zynicus am
Bitte was ist binär und nicht-binär?
Ich kenne das nur aus dem Computer Bereich; 0 und 1.
Bei Menschen kenne ich nur Mann und Frau.
Und seit einiger Zeit ein drittes Geschlecht. Was auch immer das genau sein soll.
Also jemand, der sich zu keinem der beiden zugehörig fühlt. Bzw sich noch nicht entscheiden kann.User 1653680 am
Kanidat:innen oder Kandidat/innen oder Kandidat*innen gibt es in der Rechtschreibung nicht!
Warum schreibt man nicht Kandidatinnen und Kandidaten (auch, wenn es in diesem speziellen Fall sinnfrei ist!)? Zu viel Arbeit die paar Zeichen in die Tasten zu drücken?
Es wird so viel geschrieben in den Foren und Kanälen dieser Welt - da kommt es auch die paar Tastendrücke auch nicht mehr an.Flapwazzle am
Und Sentinel2003 hat absolut recht.... Gendern ist mit Abstand die sinnfreieste Neuerung des letzten Jahrhunderts. Shame on this People!Flapwazzle am
Warum.sollte man auf Grund der sexuellen Orientierung stolz darauf sein... erschließt sich mir nichtSentinel2003 (geb. 1967) am
Kandidatinnen und Kandidaten!! Dieses Gendern ist mir echt zu hoch!!!Jana_Baer (geb. 1992) am
Hey, danke für dein Feedback.
Nicht alle Teilnehmenden der Show identifizieren sich als Frau, sondern teilweise auch z.B. als nicht-binär. Daher habe ich mich in diesem Text bewusst zum Gendern entschieden. Allein vom äußeren Erscheinungsbild her kann man eben nicht immer auf das Gender schließen.
Viele Grüße, JanaUser 349430 am
Warum "Kandidat:innen"? Ich habe in der Folge nicht einen einzigen Mann gesehen. Der an sich inhaltlich gute Text wird mit dem derzeitigen Genderwahn keinesfalls noch besser.