„Night Sky“: Sissy Spacek und J.K. Simmons drücken Science-Fiction-Mystery-Drama ihren Stempel auf – Review

Unterirdische Kammer ermöglicht altem Ehepaar Reise zu unbekanntem Planeten

Rezension von Christopher Diekhaus – 20.05.2022, 10:00 Uhr

Ein Schuppen, der das Tor zu einer anderen Welt öffnet. – Bild: Amazon Studios
Ein Schuppen, der das Tor zu einer anderen Welt öffnet.

Was wäre, wenn du in deinem Garten eine Art Portal entdecken würdest, das dich binnen kurzer Zeit an einen völlig fremden Ort transportieren könnte? Würdest du das Tor in eine andere Welt regelmäßig nutzen? Und das Geheimnis für dich behalten? Vor diesen Fragen standen in der neuen Amazon-Serie „Night Sky“ auch die beiden Hauptfiguren, als sie einen solchen Fund hinter ihrem Haus machten. Wie genau Irene (Sissy Spacek) und Franklin York (J.K. Simmons) die eigenartige Kammer auf ihrem Grundstück aufspürten und welche Mechanismen hinter ihren Reisen stehen, erfahren wir in den für diese Kritik gesichteten ersten beiden Folgen nicht. Klar ist aber: Immer wieder sucht das alte Ehepaar den Schuppen auf, unter dem sich die Tür zu einem offenbar unbewohnten Planeten verbirgt. Angetan hat es dessen schöner Sternenhimmel vor allem Irene, die selbst nach 856 Trips noch voller Vorfreude steckt. Franklin, der sich bei jedem Ausflug übergeben muss, indes sieht das Ganze skeptischer. Bereitet ihm der Blick durch die Glasscheibe im gemütlichen Aussichtsraum doch zunehmend Unbehagen. Was mag auf der anderen Seite alles liegen? Den Schritt nach draußen haben die Yorks jedenfalls noch nicht gewagt, da die von ihnen ausgesetzten Mäuse sofort verendet sind.

Die Prämisse von „Night Sky“ ist betont rätselhaft, wundersam und könnte manchem Zuschauer Schwierigkeiten bereiten, sich umgehend auf sie einzulassen. Warum? Weil die kuriose Science-Fiction-Idee mit einem durch und durch geerdeten Element, einer langjährigen Ehe, verbunden wird. Im Zentrum der Auftaktepisode steht die Beziehung der Protagonisten, die die Härten des Lebens nur zu gut kennen. Kleine Hinweise im Dialog verraten, dass die Yorks ihren Sohn verloren haben. Eine Erfahrung, die auch in der Gegenwart, 20 Jahre später, noch schmerzt. Wahrscheinlich ist gerade dieses Trauma der Grund, warum sich Irene so sehr für das Außerweltliche begeistern kann und, wie sich langsam zeigt, nach einem höheren Sinn Ausschau hält.

Irene (Sissy Spacek) wird von ihrem Refugium magisch angezogen. Amazon Studios

Dass die von Holden Miller und Daniel C. Connolly („The Son“) entwickelte Serie trotz ihrer fantastischen Grundierung emotional schnell verfängt, liegt in besonderem Maße an den Schauspielschwergewichten Sissy Spacek („Badlands – Zerschossene Träume“) und J.K. Simmons („Whiplash“). Bereits nach wenigen Szenen aus der Yorkschen Ehe machen sich eine berührende Vertraut- und Verbundenheit breit. Eine Freude ist es zu sehen, wie der kantige Simmons zwischen seiner Paraderolle als Grummelbär und dem Part des fürsorglichen Gatten changiert, der seine Frau liebevoll umsorgt, nachdem sie einen ihre Gesundheit in Mitleidenschaft ziehenden Unfall erlitten hat.

Mit viel Feingefühl geht der Charakterkopf zudem die offenkundig zunehmende Vergesslichkeit seiner Figur an, die auf eine beginnende Demenz hindeutet. Mit kleinen Gesten und Blicken zeichnen die Hauptdarsteller das Porträt einer innigen Beziehung, die nun allerdings in einer Phase angekommen ist, in der unterschiedliche Ansichten und Absichten noch einmal hervorbrechen könnten. Das Paar hat sich eigentlich in seiner Routine, inklusive der Reisen durch das Portal, eingerichtet. Sowohl Irene als auch Franklin merken aber, dass es Veränderungen braucht.

Dem Alter der Protagonisten entsprechend bewegt sich die melancholische Einstiegsfolge in gemächlichem Tempo voran und bringt mit Byron (Adam Bartley) eine Person in Stellung, die möglicherweise hinter das gutgehütete Geheimnis der Yorks kommen wird. Der neugierige Nachbar beobachtet – Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ lässt grüßen – des Öfteren, was nebenan vor sich geht, und wundert sich darüber, dass Irene und Franklin nachts in ihrem Schuppen verschwinden. Wie eine echte Bedrohung erscheint Byron jedoch nicht, schon eher wie ein komischer Sidekick, den Franklin ständig mit hingebellten Zurückweisungen straft.

In großer Liebe verbunden, aber nicht immer einer Meinung: Franklin (J.K. Simmons) und Irene (Sissy Spacek) Amazon Studios

Etwas Zug bekommt die Handlung in der zweiten Folge aus gleich zwei Gründen. Einerseits müssen sich die Yorks plötzlich mit einem jungen Mann namens Jude (Chai Hansen) auseinandersetzen, den Irene auf dem Boden des Aussichtsraums gefunden hat und der sich angeblich an nichts erinnern kann. Während sie dem Unbekannten bereitwillig Unterschlupf in ihrem Haus gewährt, wird Franklin von heftigem Misstrauen gepackt. Die Aufnahme des unerwarteten Gastes sorgt durchaus für einige Suspense-Momente.

Spannende Fragen wirft außerdem ein gelegentlicher Schauplatzwechsel nach Argentinien zu Stella (Julieta Zylberberg) auf, die mit ihrer Tochter Toni (Rocío Hernández) im Nirgendwo lebt und ebenfalls eine unterirdische Kammer besitzt. Einen Raum, den ihre Familie, so erfahren wir, schon seit vielen Generationen bewacht. Dass der Strang rund um die Yorks und Stellas Geschichte irgendwann zusammenfinden werden, steht außer Frage. Auch am Ende der zweiten Episode ist aber noch nicht wirklich absehbar, wohin die Reise geht. Vieles bleibt mysteriös. Krasse esoterische Volten sind nicht ausgeschlossen. Und manchmal wirkt die Verbindung von Ehedrama und Science-Fiction-Rätsel etwas holprig. Die kraftvollen, wunderbar ausbalancierten Darbietungen von Sissy Spacek und J.K. Simmons machen „Night Sky“ dennoch zu einem seltsam faszinierenden Erlebnis.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden von insgesamt acht Folgen der Serie „Night Sky“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Alle acht Episoden der Serie „Night Sky“ werden am 20. Mai bei Prime Video veröffentlicht.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Wird zum Ende hin spannender! Ich fand es mal gut, eine Serie, die sich um älrere Menschen dreht und auch deren Themen aufnimmt - spricht aber wahrscheinlich nicht das durchschnittliche Streaming-Publikum an ...

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