Trauerkanal Etos TV kurz vor dem Start
Notwendiger Tabubruch oder Vermarktungsidee?
Ralf Döbele – 04.01.2008
Für alle, die „Six Feet Under“ nicht realistisch genug fanden, wird es schon bald eine praktische Alternative geben. Bereits im vergangenen Jahr wurde der Start von Etos TV angekündigt, dem wohl weltweit ersten Trauerkanal (fernsehserien.de berichtete). Nun soll es wirklich soweit sein. Vor kurzem wurde die Sendelizenz erteilt, und man rechnet mit einem festen Starttermin bis spätestens Ende Februar 2008. Medienunternehmer Wolf Tilmann Schneider hat die Firma Etos TV zusammen mit dem Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes gegründet – ein Netzwerk, dem etwa 3500 deutsche Bestattungsunternehmer als Mitgesellschafter angehören.
Wolf Tilmann Schneider sieht Etos TV nicht als „Totensender“, vielmehr versuche man Menschen zu erreichen, die noch 20 bis 30 Lebensjahre vor sich hätten. „Die Überalterung der Gesellschaft schreitet immer mehr fort und das Thema Tod wird aus den familiären Haushalten in die Pflegeheime verbannt“, so Schneider. In dieser Hinsicht werde sich Etos TV vor allem Themen widmen, die von vielen Medien als Tabuthemen behandelt würden. Bestätigt sieht sich Schneider durch Interviewanfragen aus aller Welt, vor denen er sich seit der Ankündung des Konzept kaum retten könne.
Um die Relevanz seiner Idee zusätzlich zu untermauern, nennt Schneider Statistiken: Rund drei Millionen Trauernde würden sich jedes Jahr in Deutschland mit dem Tod eines geliebten Menschen auseinandersetzen, und 70 Prozent aller Deutschen über 50 hätten Angst zum Pflegefall zu werden. Da bestehe Informationsbedarf. Beiträge zu Pflegestufen und -versicherungen seien dementsprechend bereits in Planung.
Praktisch wird sich das Programm von Etos TV aus Nachrufen, Informationsbeiträgen und Dokumentationen zusammensetzen. Zunächst soll es ein einstündiges Programm sein, dass in Dauerschleife gesendet wird. Die Dokus könnten dabei laut Schneider über berühmte Friedhöfe führen oder das Thema Bestattungskultur behandeln. Die Nachrufe können bei Etos TV wie eine Todesanzeige in der Tageszeitung in Auftrag gegeben werden. „Warum soll nur Prominenten auf diese Weise gedacht werden? Jeder Mensch hat im Leben Spuren hinterlassen [ …] und hat somit ein Recht auf diese Art von Ehrerbietung“, findet der Unternehmer.
Natürlich spielt dabei auch die Frage nach dem Profit eine Rolle, wie bei jedem anderen Privatsender. Dabei kommen dann die im Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes vereinten Bestattungsunternehmen ins Spiel. Etos TV soll nämlich auch online per IP-TV empfangbar sein, wobei direkt zu Webseiten von Bestattern verlinkt werden soll. Neben dem Brechen von Tabus wird wohl also auch der noch besseren Selbstvermarktung der Bestattungsindustrie Platz eingeräumt.
Doch wie bei jedem anderen Format ist eine wirkliche Beurteilung erst möglich, sobald es ausgestrahlt worden ist. Dieser Meinung ist auch Markus Bräuer, Medienbeauftragter der Evangelischen Kirche, der das Anliegen von Etos TV vom Prinzip her richtig findet: „Die Kirche setzt sich immer dafür ein, dass der Tod nicht tabuisiert wird, allerdings ist abzuwarten, wie Etos TV dies nach Sendestart tut. Trotz kommerzieller Interessen muss mit der Würde des Menschen angemessen umgegangen werden.“ Zunächst soll Etos TV bundesweit über einen digitalen Satelliten verbreitet werden. Danach will Schneiders Unternehmen auch ausländische Märkte erobern.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Spenser am via tvforen.de
Ein weiterer Sender, auf den ich wirklich groß verzichten kann ;)
Ich warte weiter auf "meinen" Sender, die sich auf Serien und Filme spezialiseren, die seit mind. 15 Jahren nicht mehr im dt. TV gelaufen sind ;) Die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt ;) ;)böklunder am via tvforen.de
der adressatenkreis von etos tv sind aber dei noch lebenden., oder. anderenfalls würde er sein publikum wohl kaum erreichen.
allerdings wechselt das publikum häufig ( erinnert mich an kasperle im altenheim: seid ihr alle da.... jaaaaa... aber nicht mehr lange)MonaSchnute am via tvforen.de
Ich kann gar nicht glauben, dass es solche Formate wirklich demnächst gibt. Erschreckend.
Eine Vielzahl meiner Verwandten oder Bekannten, ja sogar einige meiner Nachbarn haben verfügt, sich nach ihrem Ableben anonym feuerbestatten zu lassen. Ich selbst habe es auch so verfügt.
Dieses Beerdigungsbrimborium mag ich nicht, akzeptiere natürlich, wenn jemand "normal" beerdigt werden möchte mit allem Drum und Dran.
Ich mag auch nicht diese Kreuze mit Blumenväschen am Wegesrand, die Leute aufstellen, die den Toten gar nicht gekannt haben. Mir ist so etwas zuwider.
Was will so ein Sender denn "rüberbringen" ? Ich glaube nicht, dass irgendein Todesfall "vorbereitet" werden kann, in dem ich Institut, Kränze, Schleifen, Inschrift, Grabstelle, Trauerfeier oder Beerdigungsstreusel v o r h e r bestelle und irgendwo "lagere". Meine Trauer um den Menschen, den ich verliere, kann ich doch nicht aufgrund solcher Sender in irgendeiner Form so beeinflussen, dass die Trauer weniger weh tut.
Solche Gedanken gehen mir beim Lesen dieses Beitrages so durch den Kopf und bin recht erschüttert, dass sich nun das Fernsehen nach Renovierung, Kochen und Schuldenbeseitigung auch noch Tod und Trauer aneignet.
M.D.Krauser am via tvforen.de
Und zwischen 0:00 und 6:00 Uhr läuft:
http://is.blick.ch/img/gen/Q/x/HBQxLUFy_Pxgen_r_420x315.jpg
Naja, ein wenig Ablenkung für die Hinterbliebenen nach der großen Trauer...Snake Plissken am via tvforen.de
Wollte nicht Max Schautzer so einen Kanal "ins Leben" rufen?
Bzw, ist er daran beteilligt und ich habe oben nicht genau genug gelesen?
Snakebjörnbln am via tvforen.de
> Ich warte weiter auf "meinen" Sender, die sich auf Serien und Filme spezialiseren, die seit mind. 15 Jahren nicht mehr im dt. TV gelaufen sind ;) Die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt ;) ;)
Ein nützlicher Sender mit sinnvollem Programm? Völlig unrealistisch!
Darkness am via tvforen.de
noch ein Sender den man nicht braucht ..björnbln am via tvforen.de
Geil, und wenn das Erfolg hat dann als Ableger "Tumor-TV": Den ganzen Tag über Berichte über Krebs und seine Opfer. "Notruf" erlebt seine Auferstehung in "Unfall-TV". Und für die zunehmende Zahl vereinsamter Senioren gibt es "Gallen- und Nierenstein-TV": Stundenlang berichten einem andere alte Leute über ihr absolutes Lieblingsthema - ihre Krankheiten und Wehwehchen, Arztbesuche und Langzeitaufenthalte in der Apotheke, samt Vorführung eben eigener Gallen- oder Nierensteine, der schönsten Krampfadern und der am schlechtesten verheilten Operationsnarben (mit Wettbewerb: der Gewinner erhält eine Woche kostenlose Bestrahlung, wovon und womit auch immer; das entlastet auch die Krankenkassen). Da schmeckt der Muckefuck gleich besser!
xy am via tvforen.de
Hat man sich dabei auch gut ueberlegt, ob man damit nicht erreicht, dass sich dann immer mehr Menschen mit ihrem Ableben auseinandersetzen und unter Umstaenden noch depressiver werden?
Kommt jetzt der Barock zurueck?
[url]http://de.wikipedia.org/wiki/Barock_%28Literatur%29[/url]