Das deutsche Fernsehjahr 2022 im Rückblick: Schlesinger-Skandal, Retrowelle, Streaming Wars

Das waren die wichtigsten Trends und Ereignisse des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2022, 09:00 Uhr

Abschiede des Jahres

Frank Plasberg

WDR/​Stephan Pick

Ende November hat sich Frank Plasberg nach fast 750 Sendungen von den „Hart aber fair“-Zuschauern verabschiedet, um in den TV-Ruhestand gehen. Nach fast 22 Jahren gibt er seine Sendung ab, die er ab 2001 zunächst im WDR und ab 2007 im Ersten moderierte. Nachfolger des 65-Jährigen wird Louis Klamroth, der ab Januar 2023 durch den ARD-Polittalk am Montagabend führen wird. Wenn man so lange mit einer Sendung gereist ist, will man auch, dass sie sich weiter entwickelt. Und dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Welch ein Glück für mich, über 20 Jahre lang ‚hart aber fair‘ moderieren zu dürfen, so Plasberg, der sich am 30. Dezember auch als Moderator des traditionellen Jahresrückblicksquiz mit der Ausgabe „2022 – Das Quiz“ verabschiedet.

„Nachtmagazin“

Das Erste/​Screenshot

1995 trat es an, um ARD-Zuschauer zu später Stunde noch einmal zu informieren. Das „Nachtmagazin“ war damit die dritte und letzte Sendung im Bunde, nachdem bei RTL bereits das „Nachtjournal“ und im ZDF „heute nacht“ an den Start gegangen waren. Doch 2023 wird das „Nachtmagazin“ vom Bildschirm verschwinden. Stattdessen soll die Lücke zur Stärkung der Marke „Tagesschau“ spätabends eine zusätzliche Ausgabe der ARD-Nachrichtensendung füllen. Das Aus für das „Nachtmagazin“ zeichnete sich bereits ab. Ursprünglich war die Sendung an jedem Werktag im Programm, später dann noch vier Mal pro Woche – und zuletzt wurde sie gar nur noch ein paar Mal pro Monat ausgestrahlt.

Ralph Caspers verlässt „Wissen macht Ah!“

WDR/​Linda Meiers

Am 21. April 2001 ging eine der originellsten und bis heute beliebtesten Kindersendungen des deutschen Fernsehens an den Start: „Wissen macht Ah!“. Von Anfang mit dabei war Ralph Caspers, der das Format zusammen mit Shary Reeves aus der Taufe hob. Doch nach mehr als 21 Jahren verabschiedete sich Caspers als Moderator. Er übergab das Zepter an Tarkan Bagci, der die Sendung seitdem zusammen mit Clarissa Corrêa da Silva moderiert, die bereits 2018 in die Fußstapfen von Shary Reeves trat.

„Ich trage einen großen Namen“

SWR/​Stephanie Schweigert

Seit 1977 war die Sendung eine feste Institution im SWR Fernsehen, doch in diesem Jahr gab der Sender das bevorstehende Aus von „Ich trage einen großen Namen“ bekannt. Noch bis Anfang 2023 werden die restlichen Folgen ausgestrahlt, doch mit der 747. Folge, die am 12. Februar 2023 gezeigt wird, endet die Geschichte des Formats. Am 24. April 1977 wurde die allererste Folge im damaligen Südwest 3 ausgestrahlt. Als erster Moderator führte bis 1993 Hans Gmür durch die Sendung. Ihm folgte Hansjürgen Rosenbauer bis 1999, bevor im gleichen Jahr Wieland Backes die Sendung übernahm und ihr 20 Jahre lang bis 2019 treu blieb. 2020 erhielt „Ich trage einen großen Namen“ erstmals eine weibliche Moderatorin: Julia Westlake moderiert die Show seitdem und wird auch die allerletzte Ausgabe präsentieren. Die Entscheidung, die Sendung einzustellen, sei dem SWR nicht leichtgefallen. Man wolle die Ära beenden, um neue Wege gehen zu können und künftig verstärkt in digitale Formate vor allem in der ARD Mediathek zu investieren.

Ursula Cantieni

SWR/​Alexander Kluge

„Sag die Wahrheit“ ist eine der ältesten Spielshows in der Geschichte des Fernsehens. Im SWR Fernsehen ist die aktuelle Version bereits seit 2003 und somit fast 20 Jahre auf Sendung. Zu den Rateteam-Mitgliedern der ersten Stunde gehörte Schauspielerin Ursula Cantieni („Die Fallers“), die dem Format sehr lange treu blieb. Ende des Jahres verabschiedete sich die 74-Jährige jedoch – und wurde mit einer letzten Ausgabe namens „Bye bye Ursula!“ noch einmal gebührend gefeiert. Bereits Anfang des Jahres wurde ihr Ausstieg aus der beliebten SWR-Familienserie „Die Fallers“ bekannt, der Cantieni sogar 27 Jahre lang und über 1150 Folgen angehörte. Da die Serie mit großem Vorlauf produziert wird, war Cantieni 2022 noch in sämtlichen Folgen zu sehen. Erst Anfang 2023 erfolgt der Ausstieg ihrer Figur Johanna Faller dann auch auf dem Bildschirm.

„Chez Krömer“

rbb/​Daniel Porsdorf

Ziemlich kurzfristig und plötzlich gab der rbb im Dezember bekannt, dass der Anarcho-Talk „Chez Krömer“ nach insgesamt 41 Folgen in sieben Staffeln eingestellt wird – und zwar auf Kurt Krömers Wunsch hin. Es ist für mich an der Zeit für neue künstlerische Abenteuer. Mir war klar, dass ‚Chez Krömer‘ kein Format ist, das ewig laufen wird. Dass es am Ende dann doch 41 Folgen geworden sind, hat mich selbst überrascht. Mein Bedarf an Arschlöchern ist damit gedeckt, erklärte der Moderator. Das Konzept des Formats bestand darin, dass Krömer eine halbe Stunde lang einen prominenten Gast auf kleinstem Raum zum „Verhör“ bat. Dabei handelte es sich entweder um befreundete Kollegen – oder um Leute, die Krömer verachtet und offen als „Arschlöcher“ bezeichnet. 2020 erhielt das Format einen Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung, 2022 folgte eine weitere Auszeichnung, speziell für die Folge, in der er mit Torsten Sträter über Depressionen sprach.

Insbesondere in der letzten, siebten Staffel konfrontierte er sich selbst und die Zuschauer mit Personen, die er offenkundig nicht leiden kann. Bei der allerletzten Folge mit dem kontroversen Komiker Faisal Kawusi eskalierte die Situation. Erstmals brach Krömer das Gespräch vorzeitig nach 24 Minuten ab, verließ den Raum und ließ Kawusi alleine am Tisch sitzen. Krömer nahm im Nebenzimmer Platz und meinte: Heute ist so der Tag, wo ich glaube, dass ich nach Hause gehe und mal gucke, ob ich das Konzept vielleicht noch mal überdenke. Ich muss mir ja die Scheiße auch anhören. Er kam nun offenbar zu dem Schluss, dass es keinen Sinn ergibt, das Format weiter fortzusetzen. Es war vor allem in der letzten Staffel zu beobachten, dass Krömer gar nicht wirklich an einem konstruktiven Gespräch interessiert war, sondern seine Gesprächspartner in erster Linie beleidigen und seine Verachtung ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen wollte.

Junior

Studio 100 Media GmbH

In den vergangenen Jahren trennte sich der Pay-TV-Gigant Sky kontinuierlich von Sendern von Drittanbietern. Dieser Trend setzte sich 2022 fort und traf sogar ein echtes Urgestein des digitalen Pay-TV: Zum 31. Dezember trennt sich Sky von dem Kindersender Junior, der bereits 1996 als Teil des damaligen Angebots DF1 auf Sendung ging. Nahtlos war Junior anschließend Teil von Premiere World und schließlich Sky. Bis 2008 stand EM.TV hinter Junior, bevor der Sender an die belgische Studio 100 Media GmbH verkauft wurde. Da Sky jedoch der einzige Verbreitungsweg des Senders in Deutschland war und dieser nun wegfällt, tritt das ein, was zu befürchten war: Junior stellt nach 26 Jahren den Sendebetrieb komplett ein. Da Studio 100 Media ohne die Sky-Plattform den Sender wirtschaftlich nicht weiter betreiben kann, hat sich das Unternehmen dazu entschieden, den Sendebetrieb einzustellen.

E! Entertainment

NBCUniversal

Auch der von NBCUniversal betriebene lineare Pay-TV-Sender E! Entertainment wird zum Jahresende in Deutschland, Österreich und der Schweiz abgeschaltet – „aus strategischen Gründen“, wie das Unternehmen mitteilte. Man wolle sich künftig auf die erfolgreichen Marken 13th Street, SYFY und Universal TV konzentrieren. In den Vereinigten Staaten ist E! Entertainment bereits seit 1987 fester Bestandteil der Fernsehlandschaft. Der deutsche Ableger ging erst 2002 an den Start, stets als Bezahlsender. Nachdem zunächst amerikanische Formate und Magazine über Stars und Sternchen aus Hollywood synchronisiert ausgestrahlt wurden, begann man im Oktober 2011 damit, auch deutsche Eigenproduktionen über nationale Prominente zu zeigen, darunter „E! in the City“ mit Collien Ulmen-Fernandes und „E! Factor by Jorge González“. Nach rund 20 Jahren endet die Geschichte von E! Entertainment hierzulande wieder.

gotv

gotv

Nach 20 Jahren verabschiedete sich der österreichische Musiksender gotv vom Bildschirm. Am 31. Mai 2022 war der letzte Sendetag, an dem noch bis in die frühen Morgenstunden des 1. Juni eine große Party mit den Lieblingshits gezeigt wurde. Der in Wien beheimate Kanal ging am 1. Oktober 2002 auf Sendung und richtete sich mit Musikvideos und Freizeittipps vorrangig an 14- bis 25-Jährige. Ganz nach dem Slogan des Senders „be part of it“ hatten die Zuschauer die Möglichkeit, das Programm aktiv mitzugestalten. Doch die Fixkosten haben am Ende die Erlöse überstiegen. Als weiterer Grund für das Aus des „ersten österreichischen Jugend- und Musiksenders“ wurde das veränderte Sehverhalten genannt: Die Zukunftsperspektive für lineares Musikfernsehen für ein junges Zielpublikum sei nicht mehr ausreichend gegeben.

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